Texte-Nachrufe


Im folgenden finden sich Texte bzw. Zitate aus verschiedenen veröffentlichten Nachrufen.

Umstrittener Brückenbauer, „Geschichte erzählen“: Der Historiker Hellmut Diwald ist tot, in: Die Welt, 01.06.1993, von Günther Deschner.

Provokateur der Zivilcourage. Zum Tod von Hellmut Diwald – Der Erlanger Professor und Publizist war ein höchst eigenwilliger Vertreter der Historikerzunft, in: Rheinischer Merkur, 04.06.1993, von Peter Bossdorf.

Patriotischer Ratgeber hinter den Kulissen, Leserbrief in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung, Juni 1993, von DR. WOLFGANG VENOHR, Berlin.

Hellmut Diwald ist tot, in : NZ, 04.06.1993, von Afred Schickel.

Hellmut Diwald gestorben, Deutsche Geschichtsschreibung verliert einen ihrer brillantesten Köpfe, in: Criticón, Nr. 137, München, Mai/Juni 1993, von Alfred Schickel.

Selbstfindung der Deutschen in ihrer Geschichte. Zum Ableben des Historikers Hellmut Diwald aus Schattau in Mähren, in: Sudetendeutsche Zeitung, 11.06.1993, von Richard W. Eichler.

Ein Historiker der Deutschland liebte. Zum Tode des Historikers Hellmut Diwald, in: Junge Freiheit, Juli/August 1993, von Wolfgang Venohr.

Der große Hellmut Diwald ist nicht mehr, Sein Vermächtnis verpflichtet zum Handeln, in: Europa vorn, Nr. 52 – 54, Sommer 1993, von Rolf-Josef Eibicht.

Mut zur Geschichte, In memoriam Hellmut Diwald, in: Sudetendeutscher Kalender 1995, Aufstieg – Verlag, Landshut, 1994, von Otfried Preussler.

Historiker der Deutschen, vor zehn Jahren starb Hellmut Diwald, in: Nation Europa, Heft 6/2003, Coburg, von hn.

Ein verzehrendes Feuer brannte in ihm, Chronist der deutschen Geschichte: Vor zehn Jahren starb der Historiker Hellmut Diwald, von Günther Deschner, in: Junge Freiheit, Nr. 23, 30.Mai 2003, von: Günther Deschner.

 

Umstrittener Brückenbauer

Umstrittener Brückenbauer, „Geschichte erzählen“: Der Historiker Hellmut Diwald ist tot, in: Die Welt, 01.06.1993, von GÜNTHER DESCHNER, Berlin.

„Den einen galt er als großer Mittler zwischen Geschichtswissenschaft und Publikum, als ein Erzähler und Historiker von internationalem Rang, den anderen als Vordenker der National-Konservativen in Deutschland: Hellmut Diwald. Jetzt ist er im Alter von 68 Jahren gestorben.

Von 1965 bis 1985 war er Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Erlangen. Zuletzt lebte er in Würzburg, an dessen Universität seine Frau Susanne Islamwissenschaften lehrt. Frühe wissenschaftliche Reputation kam mit der Edition des Nachlasses Ludwig von Gerlachs, eines konservativen Politikers der Bismarck-Zeit, und vor allem mit einer Studie über den Philosophen Wilhelm Dilthey.

Zu einem der bekanntesten Historiker Deutschlands machten ihn aber Bücher, die über den wissenschaftlichen Rahmen weit hinaus gingen. Daß er Geschichte packend zu „erzählen“ vermochte, damit Brücken in die Vergangenheit schlug, erklärt den Bestseller-Erfolg seiner Werke - aber auch die Ablehnung vieler Kollegen.

1924 in Schattau in Südmähren als Sohn eines Ingenieurs geboren, ging er in Prag und Nürnberg zur Schule. Das Kriegsabitur machte er als Soldat in Frankreich. Nach 1945 studierte er zuerst Maschinenbau. „Weil die Technik nicht realistisch genug war“, schloß er das Studium der Religions- und Geistesgeschichte an.

Der erste große Bucherfolg kam 1969 mit „Wallenstein“. Die Bildhaftigkeit seiner Sprache, der einnehmende, ja verführerische Erzählduktus faszinieren seither eine große Gemeinde.

Diwald lebte als Historiker in der Gegenwart und hat sich auch ganz politisch zu Wort gemeldet - oft in der WELT. Das Schicksal der Deutschen machte er zum Leitthema seiner Arbeit. Er geißelte die Perspektivlosigkeit der Bonner Deutschlandpolitik. Unter der Seinsvergessenheit der Deutschen litt er fast körperlich.

Seine erfolgreichsten Bücher kreisen um dieses Thema: Biographien über Luther, Heinrich I, den Gründer des Deutschen Reiches und seine „Geschichte der Deutschen“. Der methodische Ansatz, von der Gegenwart aus „gegenchronologisch“ in die Vergangenheit vorzudringen, konnte sich in der Zunft allerdings nicht durchsetzen.

Der Zorn über die Zwangsvorstellung, die dunklen Seiten des Dritten Reiches seien der logische Zielpunkt der deutschen Geschichte gewesen, ließ Diwald immer freimütiger - auch überzogen - argumentieren. Opportunistisch war er nie, der heftigen Kritik zum Trotz.“
Günther Deschner

Provokateur der Zivilcourage

Provokateur der Zivilcourage, Zum Tod von Hellmut Diwald – Der Erlanger Professor und Publizist war ein höchst eigenwilliger Vertreter der Historikerzunft, in: Rheinischer Merkur, 04.06.1993, von PETER BOSSDORF.

„Der kürzeste Weg zur Gegenwart führt durch die Vergangenheit. Der schnellste Weg in die Vergangenheit beginnt bei der Gegenwart. Deshalb sehe ich im Geschichtsstudium die exponierteste Art, sich mit der Gegenwart zu beschäftigen.“ Hellmut Diwald, der diese Sätze in einem bekenntnisartigen Selbstporträt im Jahr 1971 formulierte, hat sich manchmal vielleicht unwillentlich, aber nie unwissentlich exponiert. Es konnte ihn nicht überraschen, daß die Geschichtsschreibung ein Feld ist, auf dem um die Werte einer Gesellschaft gestritten wird und daß seine oft wider den Strich bürstenden Anschauungen in besonderem Maße dazu geeignet waren, Anstoß zu erregen. „Ich sehe keine Möglichkeit, hier auszuweichen. Auch die bewußte Abstinenz oder der entschlossene Versuch, Räume der bildungshumanistischen Isolation offenzuhalten, sind politische Antworten auf politische Provokationen.“

Überrascht wurde Hellmut Diwald jedoch einige Jahre später, und dies ein für alle Male, durch die unerbittliche Schärfe, mit der einige Gegner gegen ihn vorzugehen trachteten. Er hatte zum Diskurs eingeladen, und ihm wurde mit den Methoden des intellektuellen Bürgerkrieges geantwortet - so anachronistisch wie unter dem Strich erfolglos.

Je einmal derart öffentlich beachtet zu werden, konnte Hellmut Diwald 1971 noch nicht ahnen. Als sich die Gründung des deutschen Kaiserreiches zum hundertsten Male jährte und die Ostverträge in der Schwebe zwischen Unterzeichnung und Ratifizierung waren, sog er aus dem Umbruch der späten sechziger Jahre, gipfelnd in der Regierungsübernahme durch Willy Brandt, einen eigentümlichen Impuls: der deutschen Frage sei nun, da sie nicht mehr den Sprach- und Denkschemata der Adenauer – Zeit unterliege, nicht mehr auszuweichen.

So verfrüht diese Hoffnung auch war, die er in seinem Essay „Die Anerkennung. Bericht zur Klage der Nation“ zum Ausdruck brachte, so weit reichte die hinter ihr stehende Haltung biographisch zurück. Am 13. August 1924 im südmährischen Schattau geboren, in Prag und seit 1938 in Nürnberg aufgewachsen, hatte Hellmut Diwald zunächst Ingenieur werden wollen und ein Maschinenbaustudium erfolgreich absolviert. Doch dann erkannte er, daß nicht „bei Turbinenschaufeln oder Statik“, sondern in Philosophie und Geschichte „die wichtigen Dinge zu finden“ sind. Er sattelte um und wurde Schüler von Hans-Joachim Schoeps, der an der Universität Erlangen Religions- und Geistesgeschichte lehrte und seine Zeitgenossen mit einem eigenwilligen Credo verblüffte: Er, der als Jude von den Nazis aus seiner Heimat verdrängt worden war, verstand sich als deutscher Patriot und bemühte sich um die Rehabilitierung Preußens. Viel von diesen Inhalten fand Eingang in das Denken von Hellmut Diwald, und insbesondere, was die Zivilcourage in der nicht nur akademischen Auseinandersetzung betrifft, stand er seinem Lehrer, bei dem er 1952 promovierte, in nichts nach. Sechs Jahre später folgte, ebenfalls an der Universität Erlangen, die Habilitation.

Es dauerte dann noch sieben Jahre, bis ihn die Alma mater zum außerordentlichen Professor für Mittlere und Neuere Geschichte berief. Als solcher zog er zahlreiche Studenten in seinen Bann, doch die bescheidene Infrastruktur, die ihm an der Universität offenstand, bot keinen Ansatzpunkt, um schulbildend zu wirken. Seim Lehrtätigkeit durchwehte ein anarchischer Zug, den die meisten seiner Studenten als befreiend und äußerst anregend empfanden. Ganz und gar dem Klischee des traditionellen Professors widersprechend, das im Zeitalter der Massenuniversität erst so recht Realität geworden ist setzte er nicht auf Distanz und Autorität sondern auf die Befähigung zu fundierter Kritik, ganz gleich, von welcher Warte sie dann erfolgen mochte.

Schon bald erschloß sich Hellmut Diwald einen zweiten - außeruniversitären - Arbeitsbereich als historischer Schriftsteller, Waren seine ersten Veröffentlichungen, zum Beispiel die Monographie über Wilhelm Dilthey oder die Quellenedition aus dem Nachlaß des preußischen Konservativen Ernst Ludwig von Gerlach, noch auf ein primär wissenschaftliches Publikum zugeschnitten, so wandte er sich 1969 mit einer Wallenstein-Biographie an eine größere geschichtsinteressierte Öffentlichkeit. Plötzlich lag seine besondere Gabe zutage, mit einer so geistreichen wie verständlichen Sprache Geschichte für unterschiedlichste Leser aufzuschließen. Dieses Talent und ein weiter historischer Horizont, den eine unerschöpfliche Neugierde immer breiter öffnete, führten ihn von Bestseller zu Bestseller.

Ob es der erste Band der „Propyläen -Geschichte Europas“ war, der unter dem Titel „Anspruch auf Mündigkeit“ die Zeit von 1400 bis 1555 darstellt und von Carlo Schmid als „vorzügliches Buch“ gepriesen wurde, ob es die „Geschichte der Deutschen“ war, die als Vorwegnahme des Historikerstreits heftige Kontroversen auslöste, oder ob man seine Luther-Monographie betrachtet: Alle Bücher erreichten ein großes Publikum und ließen, flankiert von Fernsehauftritten (etwa in der Reihe „Dokumente deutschen Daseins“) und von Artikeln (etwa in der „Welt“ und im „Rheinischen Merkur“), Hellmut Diwald zu einem der populärsten Vertreter seiner Zunft werden.

Ihm war jedoch weniger an Popularität als an Wirkung gelegen. Er verstand sein Werk als einen Beitrag zur Wiederherstellung Deutschlands nach den Katastrophen dieses Jahrhunderts - zu einer Wiederherstellung nicht nur auf der Ebene der Staatlichkeit, sondern vor allem in den Köpfen der Menschen. Hellmut Diwald weigerte sich, Hitler als Vollstrecker von Bismarck, Friedrich dem Großen oder gar Luther und die deutsche Geschichte damit als latent verbrecherisch anzusehen. Er lehnte die Kollektivschuldthese ab und ging gegen ihre politischen wie auch individuell-psychologischen Folgen an. Er spürte das Bedürfnis nach historischer Orientierung und versuchte, eine solche zu bieten - frei von Beschönigung, aber durchaus mit der erklärten Absicht, den „aufrechten Gang“ wieder einzuüben. Dabei verkörperte er eine seltene Art von konservativem Kulturoptimismus: Wenn die Geschichte kein Ziel hat, so beinhaltet sie auch nicht die Tendenz eines irgendwie gearteten „Niedergangs“, stattdessen ist sie eine unerschöpfliche Quelle der Ermutigung auch für die individuelle Lebensführung.

Sein um die Seele der Nation sorgendes Anschreiben wider die deutsche Neurose endete folgerichtig auch nicht mit der Wiedervereinigung, für die er sich wie nur sehr wenige Intellektuelle in diesem Land schon lange vor dem 9. November 1989 eingesetzt hat. Er hat das Ende der Blockkonfrontation sehr frühzeitig heraufkommen sehen und damit auch die Chancen für eine Überwindung der deutschen Teilung. Zugleich erahnte er die Probleme, die sich nach einer Beendigung des Ost-West-Konfliktes einstellen würden. Während viele ein Zeitalter universalen Weltfriedens am Horizont wähnten, wußte Hellmut Diwald um den Fortgang der Geschichte und beharrte auf der Erneuerung politischen Selbstbewußtseins, ohne das Deutschland seine neue Lage nicht meistern kann.

Seine Offenheit für immer neue Anregungen hat nie den Eindruck entstehen lassen, daß er sich ausgeschrieben habe. Noch in den Monaten, in denen er schon von schwerer Krankheit gezeichnet war, arbeitete er an mehreren Projekten parallel. Zu ihrer Realisierung sollte es nicht mehr kommen, und auch nicht mehr zur Erfüllung eines Herzenswunsches: eines Werkes über die deutsche Romantik, über das 19. Jahrhundert, das für ihn ein deutsches war.

Am 26. Mai ist Hellmut Diwald, wenige Wochen vor seinem 69. Geburtstag, in Würzburg gestorben.“
Peter Bossdorf

Patriotischer Ratgeber hinter den Kulissen

Patriotischer Ratgeber hinter den Kulissen, Leserbrief in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung, Juni 1993, von DR. WOLFGANG VENOHR, Berlin:

„Hellmut Diwald, den Gustav Seibt noch im Tode schmäht (siehe „Heilsverlangen“ in der F.A.Z. vom 1. Juni), war ein großer deutscher Historiker. Dafür stehen seine glänzende „Wallenstein“ -Biographie und seine geistvoll – engagierte Disputation mit Sebastian Haffner in der Fernsehserie „Dokumente Deutschen Daseins“ (1977 bis 1979). Die Texte dieser Serie sind seit langem jedermann zugänglich in dem gleichnamigen Ullstein-Taschenbuch Nr. 34141. Darin findet man auf Seite 288/289, was Diwald zur Kennzeichnung der nationalsozialistischen Politik vor einem Millionen-Publikum sagte: „Als drittes Moment ist dazu der ganz brutale Rassenantisemitismus gekommen. Es ist dies ein Phänomen, das es weder in Deutschland noch in der gesamten politischen Geschichte vorher in dieser Präsenz und Entschiedenheit gegeben hat.“

Wichtiger aber für Diwalds Nachruhm ist, daß er ein großer deutscher Patriot war. Sein Wirken vollzog sich allerdings hinter den Kulissen. In den Jahren 1985 bis 1989 gehörte er zu einer Handvoll Leute, welche die sowjetische Führung und ihre Abgesandten, die permanent durch Westdeutschland reisten, mit einer wohlgezielten Kampagne von Ratschlägen, Denkschriften, Büchern, Artikeln, Hinweisen, Memoranden und konkreten Modell-Vorschlägen zur „deutschen Frage“ versorgte.

Der dramatische Wandel in der sowjetischen Deutschland-Politik im April 1989, der eineinhalb Jahre später zur Wiedervereinigung Deutschlands führte, ist nicht zuletzt auf diese „Anregungs-Strategie“ einer Handvoll gesamtdeutscher Patrioten, darunter Hellmut Diwald, zurückzuführen.

Ich bin ganz sicher, daß die Verdienste Diwalds eines Tages gewürdigt werden. Mag dem aber sein, wie ihm wolle - es gibt Grenzen des Zumutbaren. Achtung vor dem politischen Gegner angesichts des Todes und Verzicht auf Leichenschändung scheinen mir unabdingbare Voraussetzungen menschlicher Pietät und Kultur.“
Dr. Wolfgang Venohr, Berlin

Hellmut Diwald ist tot

Hellmut Diwald ist tot, in : NZ, 04.06.1993, von ALFRED SCHICKEL:

„Was Vertraute seit einem Jahr bereits wußten, wurde an Pfingsten 1993 wahr: Hellmut Diwald, einer der bekanntesten Historiker Deutschlands, erlag seinem schmerzvollen Krebsleiden. Noch zwei Tage vor seinem Tod rief er seine Freunde zu verstärkter Forschungsarbeit auf und warb um materielle Unterstützung der aufwendigen Archivstudien. Der breiteren Öffentlichkeit wurde Hellmut Diwald in erster Linie als Verfasser
zahlreicher Geschichtswerke bekannt oder ist als Redner auf Tagungen und Kongressen zum persönlichen Erlebnis geworden.

Dabei schien ihn der Lebensweg zunächst in die Berufsrichtung seines Vaters Alois zu weisen und zum Maschinenbau zu führen, legte er doch in Nürnberg sein Abschlußexamen ab, um sich dann freilich gleich an der Universität Erlangen der Religions- und Geistesgeschichte sowie der Literaturgeschichte und Neueren Profangeschichte zuzuwenden. Kein Geringerer als der große jüdische Religionsphilosoph und Preußenkenner Hans-Joachim Schoeps promovierte ihn 1952 zum Dr. phil.

Seit 1965 lehrte der 1958 habilitierte Hellmut Diwald an der Universität Erlangen-Nürnberg Mittlere und Neuere Geschichte. Seine Quellen-Edition des Nachlasses von Ernst Ludwig von Gerlach, einem christlich-konservativen Politiker und Zeitgenossen Bismarcks, in zwei Bänden und eine Dilthey-Monographie sowie Studien über Ernst Moritz Arndt und das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins sowie eine Abhandlung über „Die Entwicklung der Freiheit und Toleranz in der abendländischen Geschichte“ hatten ihn längst als hervorragenden Wissenschaftler qualifiziert.

Daß sich Diwald mit seinen Studenten nicht im elfenbeinernen Turm der Universität verschanzte und die Gegenwart beim Betrachten der Vergangenheit verstreichen ließ, bewies nicht zuletzt sein heißumstrittenes, ressentimentgeladenes Buch über „Die Geschichte der Deutschen“. Kritiker und Professorenkollegen warfen ihm vor, „trotz offener Bibliotheken und Archive in aller Welt den Umfang der nationalsozialistischen Verbrechen zu verharmlosen“, weil er beklagt hatte, daß „trotz umfangreicher Literatur über Auschwitz noch nicht alles geklärt“ sei.

War es die Reaktion des „gebrannten Kindes“ oder die Entdeckung eines neuen Interessenfeldes, daß Hellmut Diwald 1980 seine Leser mit dem Buch „Der Kampf um die Weltmeere“ überraschte und sieben Jahre später das Thema für das 20. Jahrhundert nochmals aufgriff. Zwischen beiden Seegeschichtsbüchern brachte er zum „ Preußenjahr“ die Anthologie „Im Zeichen des Adlers. Porträts berühmter Preußen“ heraus und lieferte seinem Freund Wolfgang Venohr für dessen Sammelband „Die deutsche Einheit kommt bestimmt“ einen Beitrag, in dem er seinen Wunsch nach einer patriotischen Erweckungsbewegung andeutete, was ihm wiederum herbe Kritik eintrug, bis ihm die Menschen von Leipzig und Dresden auf ihren Montagsdemonstrationen die bestätigende Antwort gaben.“
Alfred Schickel

Hellmut Diwald gestorben

Hellmut Diwald gestorben, Deutsche Geschichtsschreibung verliert einen ihrer brillantesten Köpfe, in: Criticón, Nr. 137, München, Mai/Juni 1993, von ALFRED SCHICKEL:

„Was Vertraute seit einem Jahr bereits wußten, wurde an Pfingsten 1993 wahr: Hellmut Diwald, bekanntester Historiker Deutschlands, erlag seinem schmerzvollen Krebsleiden. Noch zwei Tage vor seinem Tod rief er seine Freunde zu verstärkter Forschungsarbeit auf und warb um materielle Unterstützung der aufwendigen Archivstudien.

Der breiteren Öffentlichkeit wurde Hellmut Diwald in erster Linie als Verfasser zahlreicher Geschichtswerke bekannt oder ist als Redner auf Tagungen und Kongressen zum persönlichen Erlebnis geworden. Denn der aus dem südmährischen Schattau stammende Ingenieurssohn war ein brillanter Schreiber wie begnadeter Redner, dem fast jeder Satz zum druckreifen Diktum glückte.

Dabei schien ihn der Lebensweg zunächst in die Berufsrichtung seines Vaters Alois zu weisen und über die Stationen der Real- und Oberschule sowie des Polytechnikums in Nürnberg zum Maschinenbau zu führen, legte er doch in der Frankenmetropole auch sein Abschlußexamen ab, um sich dann freilich gleich an der Universität Erlangen der Religions- und Geistesgeschichte sowie der Literaturgeschichte und Neueren Profangeschichte zuzuwenden. Kein Geringerer als der große jüdische Religionsphilosoph und Preußenkenner Hans-Joachim Schoeps promovierte ihn 1952 zum Dr. phil. - wie überhaupt einmalig prägende Menschen seine Lebensabschnitte begleiteten.

Da gab ihm die tschechische Mutter mit der Geburt am 13. August 1924 gleichsam böhmisch-übernationale Lebens und Denkungsart mit in die Wiege und erweiterte der aus der Wiener Gegend kommende Vater den Gesichtskreis des Sohnes schon beizeiten über die lokalen Grenzen hinaus. Sebastian Haffner, unabhängiger Geist und Historiker aus Passion, stand ihm dann als streitbarer Partner in einer populären Geschichtssendung des Zweiten Deutschen Fernsehens kongenial zur Seite.

Seit 1965 lehrte der 1958 habilitierte Hellmut Diwald an der Universität Erlangen-Nürnberg Mittlere und Neuere Geschichte. Seine Quellen-Edition des Nachlasses von Ernst Ludwig von Gerlach, einem christlich-konservativen Politiker und Zeitgenossen Bismarcks, in zwei Bänden, und eine Dilthey-Monographie sowie Studien über Ernst Moritz Arndt und das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins sowie eine Abhandlung über »Die Entwicklung der Freiheit und Toleranz in der abendländischen Geschichte« hatten ihn längst als hervorragenden Wissenschaftler qualifiziert.

Daß sich Prof. Dr. Hellmut Diwald mit seinen Studenten nicht im elfenbeinernen Turm der Universität verschanzte und die Gegenwart beim Betrachten der Vergangenheit verstreichen ließ, bewies nicht zuletzt sein heißumstrittenes Buch über »Die Geschichte der Deutschen«. Kritiker und Professorenkollegen warfen ihm vor, »trotz offener Bibliotheken und Archive in aller Welt den Umfang der nationalsozialistischen Verbrechen zu verharmlosen«, weil er beklagt hatte, daß »trotz umfangreicher Literatur über Auschwitz noch nicht alles geklärt« sei. Während ihm hierzulande bis in die Nachrufe, hinein diese Zweifel als unverbesserliche deutsch-nationale Gesinnung verargt werden, bemühten sich jüdische und polnische Gelehrte um mehr Klarheit über die Opfer von Auschwitz und bewirkten eine entsprechende Korrektur der verbreiteten Zahlen.

War es die Reaktion des »gebrannten Kindes« oder die Entdeckung eines neuen Interessenfeldes, daß Hellmut Diwald 1980 seine Leser mit dem Buch »Der Kampf um die Weltmeere« überraschte und sieben Jahre später das Thema für das 20. Jahrhundert nochmals aufgriff? Zwischen beiden Seegeschichtsbüchern brachte er zum »Preußenjahr« die Anthologie »Im Zeichen des Adlers. Porträts berühmter Preußen« heraus und lieferte seinem Freund Wolfgang Venohr für dessen Sammelband »Die deutsche Einheit kommt bestimmt« einen Beitrag, in dem er seinen Wunsch nach einer patriotischen Erweckungsbewegung andeutete, was ihm wiederum herbe Kritik eintrug, bis ihm die Menschen von Leipzig und Dresden auf ihren Montagsdemonstrationen die bestätigende Antwort gaben. Wie ihn überhaupt der 9. November 1989 für viel Bitterkeit, die er in den zurückliegenden 10 Jahren hinnehmen mußte, entschädigte. Gleichwohl ist sein 1990 erschienenes Buch »Deutschland einig Vaterland« nicht ein pures Hosianna auf die bundesdeutsche Staatskunst, die endlich die Wiedervereinigung zustandegebracht habe, sondern mehr ein Trotz-Ruf an die Deutschen, sich den Zusammenhalt und die Einigung nicht durch immerwährende Schuldzuweisungen belasten zu lassen.

Die Sorge um Deutschland und die Deutschen trieb diesen Mann in den letzten 15 Jahren um. Da nicht zum Politiker entschlossen, sondern beim Leisten seiner Historiker-Zunft geblieben, suchte er seinem Volk auf seinem Gebiet, der Geschichtsschreibung, beizustehen und ihm den »aufrechten Gang zu seiner Geschichte« wieder zu ermöglichen. Mit Traktaten wie »Mut zur Geschichte« und »Geschichte macht Mut« bemühte er sich, seine deutschen Landsleute wieder aufzurichten und vor der »geschichtlichen Selbstentäußerung« zu bewahren. Große Werke wie »Wallenstein. Eine Biographie« oder »Heinrich der Erste. Die Gründung des Deutschen Reiches« sollten seinen Lesern verdeutlichen, wie ungleich länger und größer die deutsche Geschichte ist als die 12 Jahre Hitler-Herrschaft. Und die beiden Luther-Bücher (Biographie und Lebensbilder) wollten deutlich machen, welchen kirchlich-religiösen Impuls dieses Land Europa und der Welt gegeben hat; sozusagen überzeugender Kontrast zur niederdrückenden Behauptung, »Der Tod« sei »ein Meister aus Deutschland«.

Hellmut Diwald hat nun die Feder für immer aus der Hand gelegt, tapfer bis zur letzten Stunde gegen eine übermächtige Krankheit kämpfend. »Hoffentlich habe ich noch Zeit, meinen Schreibtisch ordentlich aufzuräumen, bevor ich gehen muß« vertraute er einem Freund an, als er von seinem unheilbaren Zustand erfuhr. Dabei hatte er bis vor kurzem noch so viele Pläne und Buchprojekte für die nächsten Jahre in Aussicht genommen. Sein wohlbestellter Schreibtisch bietet der Nachwelt aber auch ohne die geplanten Projekte schon ein Vermächtnis, das seinesgleichen in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung sucht.“
Alfred Schickel

Selbstfindung der Deutschen in ihrer Geschichte

Selbstfindung der Deutschen in ihrer Geschichte, Zum Ableben des Historikers Hellmut Diwald aus Schattau in Mähren, in: Sudetendeutsche Zeitung, 11.06.1993, von RICHARD W. EICHLER:

„Als die geistige Entwurzelung im vom Materialismus überwältigten Westdeutschland ihren Höhepunkt zu erreichen schien, leuchtete unter den Persönlichkeiten, die sich der Verflachung widersetzten, der Name des in Erlangen lehrenden Professors für Mittlere und Neuere Geschichte Hellmut Diwald auf. Allzufrüh noch vor seinem 64. Geburtstag - ist dieser ebenso kenntnisreiche wie charaktervolle Gelehrte verstummt.

Hellmut Diwald wurde am 13. August 1929 im südmährischen Schattau geboren. Geprägt von seiner Herkunft und vom Schicksal der sudetendeutschen Volksgruppe besaß der charakteristische Eigenschaften eines Homo sudeticus - am fernsten lag ihm selbstzufriedene Behäbigkeit oder gar Anpasserei; ein Ulrich von Hutten hätte ihn als Gefährten begrüßt. Würdelosigkeit war ihm verhaßt, das hat ihm Gegnerschaften eingetragen, die noch aus Nachrufen in den Medien herausklingen.

Unser Landsmann studierte zunächst Maschinenbau. Es war keineswegs Effekthascherei eines Intellektuellen, wenn er später bekannt hat: „Das Ingenieurwesen war mir zu unrealistisch; ich wollte das, was die Wirklichkeit bestimmt.“ So wandte sich Diwald dem Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik zu. Das technische Wissen kam ihm trotzdem zugute, denn wie wenige Fachgenossen hat er bei der Geschichtsbetrachtung auch der Entwicklung der Naturwissenschaften Beachtung geschenkt. Trotz des scheinbaren Umwegs promoviert er mit 24 und habilitiert sich mit 29 Jahren. Er nennt es eine „normale Ochsentour: Ich habe allerdings intensiv gearbeitet, mein Studium quasi im vorschriftsmäßigen Tempo hinter mich gebracht.“ Sein Doktorvater war der verdienstvolle deutschjüdische Anwalt Preußens, Hans-Joachim Schoeps.

Aus persönlichem Gespräch weiß ich, daß Diwald bei aller Achtung für das „Handwerkliche“ an der Geschichtsschreibung und bei allem erstaunlichen Fleiß, im Historikersein nicht nur eine fachliche Spezialität sah, sondern etwas Grundlegendes: Wie die „Mutter“ Philosophie sei die Geschichte „nach oben und unten offen“, das heißt, sie hat Bezüge zum Transzendenten wie zum Alltäglich-Persönlichen, denn der Lebenslauf des Einzelnen und das Schicksal einer Familie sind schließlich Bestandteile der Stammes-, Volks- und Weltgeschichte,

Die frühen Arbeiten Hellmut Diwalds gelten dem 19. Jahrhundert: „Das historische Erkennen - Untersuchungen zum Geschichtsrealismus im 19. Jahrhundert“ (Leiden 1955); es folgen Untersuchungen über Ernst Ludwig von Gerlach und Wilhelm Dilthey (Göttingen 1963). Meine erste Begegnung mit einer Diwald – Schrift was das Bändchen „Ernst Moritz Arndt - Das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins“ (München 1970), das sich im idealisierenden -konservativen Stil unterschied. Ein breites Lesepublikum gewann „Wallenstein — Eine Biographie“ (München 1969).

Spätestens hier wurde die herausragende Darstellungs- und Sprachkraft des Schriftstellers Diwald erkannt. Ihm ist es gegeben, das in strenger Quellenforschung Erfahrene in eine Form zu bringen, die den Leser zum Miterleben befähigt. Selbst ein so wenig wohlwollender Nachrufschreiber wie Gustav Seibt muß ihm in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung „unleugbares schriftstellerisches Talent“ bescheinigen. Das ist gewiß ein weiterer Grund für die im Wind des Zeitgeistes segelnden Kollegen, Distanz zu halten, nach dem treffenden Wort von Oscar Blumenthal: „Du willst bei Fachgenossen gelten? / Das ist verlorne Liebesmüh. / Was dir mißglückt, verzeihn sie selten - /Was dir gelingt, verzeihn sie nie!“

.Großes Ansehen in der Fachwissenschaft trug ihm der Band „Anspruch auf Mündigkeit (1450 - 1550)“ in der Propyläen – Reihe „Geschichte Europas“ ein. Aufregung verursachte Diwald mit der vom Heute zum Ursprung hin erzählten „Geschichte der Deutschen“; gegen eine vom Verlag gebilligte Textstelle mit Binsenwahrheiten kam Zensorprotest - eine Art Gegenstück zum schüchternen Versuch des seinerzeitigen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger, der in einer Gedenkrede nicht die üblichen Pauschalierungen ausbreitete, sondern sich um Differenzierung, also Wahrheitsfindung, bemühte. Unnötig zu sagen, daß für einen Geschichtsbetrachter von der Souveränität Diwalds nicht nur die Holsteiner und Balten, Preußen und Tiroler, sondern auch die Liechtensteiner und die Sudetendeutschen in einer deutschen Geschichte ihren Platz finden. Nicht nur Mozart und Beethoven stehen über den Stammesgrenzen, Schiller und Conrad Ferdinand Meyer ebenso wie die Hohenzollern und Hitler.

Um den Blick der zum Provinzialismus gedrängten Deutschen auf größere Zusammenhänge zu lenken, schrieb Diwald ein zweibändiges Werk über den Kampf um die -Weltmeere (München 1980). Voll lebendiger Kraft ist die Lebensgeschichte Luthers (1980). Die Schlüsselgestalt am Beginn der deutschen Reichsgeschichte - Heinrich den Ersten — stellt er, ungeachtet des vergleichsweise geringen Quellenmaterials, in überzeugender Weise vor unser geistiges Auge. Dem Verfasser wird zum Beispiel in Erinnerung bleiben, wie der Wald jener Epoche unseres Vaterlandes geschildert wird, mit einem ganz seltenen Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen. — Eine monumentale Auftragsarbeit ist die kostbar ausgestattete Reihe „Die großen Ereignisse - Fünf Jahrtausende Weltgeschichte in Darstellungen und Dokumenten“ (Lachen am Zürichsee 1990, 6 Bände), ein eindrucksvolles Zeugnis für die universelle Bildung des Autors.

Nicht vergessen werden darf jene Reihe von engagierten Stellungnahmen zum Zeitgeschehen, die bei aller Kritik stets begründet und sachlich sind: „Mut zur Geschichte“ (Bergisch Gladbach 1983), „Geschichte macht Mut“ (Erlangen 1989), „Deutschland einig Vaterland“ (Frankfurt/M. 1990), „Ein Querkopf braucht kein Alibi“ (Frankfurt/ M. 1991). Stets klingt Hölderlins „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ mit, und damit durchbricht Diwald die uns verordnete und so verhängnisvoll wirkende Depressivität. Kein anderer hat so viel zur Überwindung der Geschichtsverdrossenheit in Deutschland beigetragen.

Wiederholt hat sich Diwald der selbstlosen Aufgabe der Herausgeberschaft unterzogen: „Lebendiger Geist“ (Leiden 1959), „Leopold von Ranke - Geschichte Wallensteins“ (Düsseldorf 1967), „Im Zeichen des Adlers - Porträts berühmter Preußen“ (Berg. Gladbach 1981), „Warum so bedrückt? Deutschland hat Zukunft“ (Tübingen 1992). Keinesfalls kann hier eine vollständige Bibliographie eines so schöpferischen Mannes Platz finden.

Daß Hellmut Diwald nicht zu den Hätschelkindern bundesdeutscher Meinungsmacher zählte, hat mehrere und sehr respektable Gründe. So hatte er den Titel „Warum so bedrückt? Deutschland hat Zukunft“ für meine Festschrift absichtsvoll gewählt, ganz im Sinne Goethes, der an den Historiker Heinrich Luden schrieb! „In derselben Weise tröstet auch nur der Glaube an Deutschlands Zukunft; ich halte ihn so fest als Sie, diesen Glauben; ja, das deutsche Volk verspricht eine Zukunft und hat eine Zukunft. Das Schicksal der Deutschen ist, um mit Napoleon zu reden, noch nicht erfüllt.“

Zum anderen war Diwald kein biederer „Altnationaler“, den die Kollegen und Politiker Vielleicht noch mit Herablassung hingenommen hätten; er war in kerne der Schubladen einzuordnen. Das erklärt die Zuwendung vieler junger Menschen zum Hochschullehrer und zum Autor Hellmut Diwald. Er hatte sich nicht selbstgenügsam auf seinen C4-Status und ins Gelehrtenstübchen zurückgezogen, er ließ die Zeitgenossen teilhaben an den Ergebnissen seiner Forschung und seiner Gedankenwelt. Was in jedem anderen Lande als hohe Tugend gepriesen würde — im Nachkriegsdeutschland mit seiner Patriotenverfolgung wurde es verübelt. Es bleibt unbegreiflich: Viele unserer Politiker wollen keinen Anwalt für gerechte Anliegen ihres Volkes. Dabei steckt im Begriff Professor nicht nur die Profession, sondern auch profiteri, sich bekennen.

Wenn jener genannte Nachruf Hellmut Diwald zum „Außenseiter“ erklären will und behauptet, „Ein Teil von Diwalds Thesen wurde durch die Ereignisse von 1989 widerlegt“, dann richtet er sich selbst. Diwald hatte Verständnis für notwendige Kompromisse der Tagespolitik, er warb indes dafür, die nationalen Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren. Bezeichnenderweise kam der Anstoß zur Wiedervereinigung von den Mitteldeutschen (wie auch die Ost – und Sudetendeutschen sie aufrichtig erstrebt haben); wenn es nach Paris, Lohdon, Straßburg - und leider auch nicht wenigen Bonner Politikern - gegangen wäre, hätten wir bis zum Sanktnimmerleinstag Wiedervereinigungsrhetorik anhören dürfen.

Aus persönlicher Kenntnis weiß ich, daß sich mein Freund Diwald mehrfach über Verfälschungen seiner Aussagen durch die Medien beklagt hat. Es ist leider nicht weit her mit dem Ethos mancher Inhaber der Vierten Gewalt. Sie handeln nach dem Grundsatz: Jagt ihn, ein Widersetzlicher! Versöhnt hat Diwald der Zuspruch jener Menschen, auf die es letztlich ankommt – die Selbstdenker. Wer das Glück hatte, ihn persönlich zu kennen, der wurde eingenommen von der Liebenswürdigkeit im Umgang mit Freund wie Gegner. So duldsam er gegenüber Andersdenkenden war, so tief Verletzten ihn die Ehrabschneider,

Über der letzten Zeitspanne seines zu kurzen Lebens lag der Schmerz, den ihm das Leiden und der Tod seiner Gattin, Orientalistin an der Universität Würzburg bereitete. Die menschliche Größe und männliche Kraft, die Diwald seine Berufung zu erfüllen erlaubte, wird nur einer ermessen können, dem er sein Herz öffnete. Für ihn galt der Grundsatz, eine selbstgewählte Sache um ihrer selbst willen zu tun.

Heute, da uns der verdienstvolle Landsmann verlassen hat, dürfen sich jene mitgeehrt fühlen, die seine Leistungen und seinen Mut durch öffentliche Anerkennung gewürdigt haben: die Sudetendeutsche Landsmannschaft durch die Verleihung des Kulturpreises für Wissenschaft, die Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste durch die Berufung zu ihrem Gründungsmitglied, die Deutsche Akademie für Bildung und Kultur durch Zuerkennung der Kantplakette, das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes durch Verleihung des Schillerpreises - um nur die mir bekanntgewordenen Auszeichnungen zu nennen.

Über den herben Verlust tröstet uns einmal mehr der Weise von Weimar, der uns in „Künstlers Apotheose“ verspricht:

Es wirkt mit Macht der edle Mann
Jahrhunderte auf seinesgleichen;
Denn, was ein guter Mensch erreichen kann,
Ist nicht im engen Raum des Lebens zu erreichen.
Drum lebt er auch nach seinem Tode fort,
Und ist so wirksam, als er lebte;
Die gute Tat, das schöne Wort
Es strebt unsterblich, wie er sterblich strebte.“
Richard W. Eichler

Ein Historiker der Deutschland liebte

Ein Historiker der Deutschland liebte. Zum Tode des Historikers Hellmut Diwald, in: Junge Freiheit, Juli/August 1993, von WOLFGANG VENOHR:

„Als der nationalkonservative Historiker tot war, überschüttete ihn die liberal – kapitalistische FAZ mit einer Suada von Verdächtigungen (siehe Seibt „Heilsverlangen“ in FAZ vom 2. Juni 1993). Diwald wurde in das Umfeld von Neofaschisten und Rechtsextremisten gerückt, ja am Ende des Nachrufs indirekt sogar in die Nähe von „Mördern und Brandschatzern“.

Die bürgerlich-gepflegte FAZ betrieb Leichenschändung. Abgesehen von den Goebbelsschen Hetzartikeln gegen den Berliner Vize-Polizeipräsidenten „Isidor“ Weiß habe ich in meinem ganzen Leben nichts derart Infames gelesen. Die Toleranz, zu der die Medien täglich das Volk aufrufen, erweist sich als Schwindelparole. Wenn es nicht einmal angesichts des Todes Achtung vor dem politisch Andersdenkenden gibt, dann ist die menschliche Kultur im Eimer, dann ist der Rückfall in die Barbarei sicher, dann ist das Aufklärungs-Postulat Voltaires „Ich mißbillige jedes Wort, das Sie sagen; aber bis zu meinem Tode werde ich dafür kämpfen, daß Sie es sagen dürfen“ für die Menschheit verloren.

Hellmut Diwald wurde bis 1978 von den demokratischen Medien geradezu vergöttert. Nach seiner brillanten „Wallenstein“ – Biographie, nach dem Propyläen – Beitrag „Anspruch auf Mündigkeit“ und seinen engagierten Geschichts – Disputationen mit Sebastian Haffner in meiner Fernsehserie „Dokumente Deutschen Daseins“ galt Diwald als „shooting star“, als der kommende große deutsche Historiker. Bundeskanzler Hellmut Schmidt lud ihn zum Festvortrag nach Bonn. Dann erschien sein Buch „Geschichte der Deutschen“. Wolf Jobst Siedler, damals Ullstein-Verlag, beglückwünschte seinen Autor in einem Telegramm überschwenglich zum Erscheinen des Bandes. Kurz darauf eröffnete ein enger Mitarbeiter Augsteins im Spiegel, ausgerechnet ein ehemaliger SD-Obersturmführer, die Hatz auf Diwald. Und von einem Tag auf den anderen war der Mann für die BRD-Medien als „neofaschistisch“ gebrandmarkt, war er erledigt.

Über den Historiker Diwald mag man streiten. Ich persönlich habe immer für den „Wallenstein“ geschwärmt, konnte aber mit der „Geschichte der Deutschen“ und dem sog. gegenchronologischen Verfahren nichts anfangen. Seine Einstellung zur NS – Politik hat er ganz deutlich gemacht, als er in meiner Fernsehserie vor einem Millionenpublikum erklärte: „Dazu ist noch der ganz brutale Rassenantisemitismus gekommen! Es ist dies ein Phänomen, das es weder in Deutschland noch in der gesamten politischen Geschichte vorher in dieser Prägnanz und Entschiedenheit gegeben hat.“ (Diese Texte sind jedermann, also auch Herrn Seibt, leicht zugänglich in dem Ullstein – Taschenbuch „Dokumente Deutschen Daseins“ Nr. 34141.)

Über jeden Zweifel erhaben sind die Verdienste des Patrioten Diwald. Er gehörte zu jener Handvoll Männer, die in den Jahren 1982 bis 1989, vor allem ab 1985, hinter den Kulissen für die Einheit Deutschlands gearbeitet haben. Mit einer Fülle von Gesprächen, Ratschlägen, Denkschriften, Vorschlägen, Schriftsätzen und Modellen zur „deutschen Frage“ beeinflußten sie die Deutschlandexperten und Abgesandten des Kreml, die permanent durch die BRD reisten, und bereiteten so maßgeblich den dramatischen Wandel in der Deutschland - Politik der Sowjets vor. (Selbstverständlich gingen Kopien dieser Vorschläge auch an den Bundespräsidenten und an das Bundeskanzleramt.) Als dann im April 1989 im Kreml eine neue Deutschland-Politik beschlossen wurde, die ein Jahr später zur Wiedervereinigung führte, hatte sich das stete Bemühen dieser Handvoll gesamtdeutscher Patrioten, darunter nicht zuletzt Hellmut Diwald, voll bezahlt gemacht.

Zwischen Hellmut Diwald und mir lagen eigentlich Welten: Er war kein Preuße (wie ich); er war kein Sozialist (wie ich); er war kein Nationalrevolutionär (wie ich). Eines aber verband uns: die Liebe zur Geschichte, die Liebe zu Deutschland.“
Wolfgang Venohr

 

Der große Hellmut Diwald ist nicht mehr

Der große Hellmut Diwald ist nicht mehr, Sein Vermächtnis verpflichtet zum Handeln, in: Europa vorn, Nr. 52 – 54, Sommer 1993, von ROLF-JOSEF EIBICHT:

„ Am 26. Mai 1993 starb in Würzburg Prof. Dr. Hellmut Diwald, Ordinarius an der Universität Erlangen für Mittlere und Neuere Geschichte. Deutschland verlor mit ihm einen Historiker, der sich durch seine Forschungen und Publikationen unermeßliche Verdienste zur historischen Selbstbewahrung und Selbstbehauptung, zum historischen Selbstverständnis der Deutschen erworben hat.

Mit einer einzigartigen Unbestechlichkeit im Dienst an der historischen Wahrheit, Klarheit, Gerechtigkeit, Objektivität und Faktentreue, den Lebens- und Überlebensrechten auch des deutschen Volkes, führte dieser Gelehrte einen Kampf gegen Umerziehung, Vergangenheitsbewältigung und Zeitgeist, der ihn heute schon als einen ganz großen Bekenner und meines Erachtens als den größten deutschen Historiker in diesem Jahrhundert auszeichnet. Daß Diwald umstritten war, kann dieses Urteil nur umso mehr bekräftigen. Zumal er in seinem unbeirrbaren Glauben und in der Liebe zu Deutschland durch den Triumph der Wiedervereinigung von West- und Mitteldeutschland in seinen Auffassungen von den unabdingbaren nationalen Notwendigkeiten nachdrücklichst und zutiefst bestätigt wurde.

Die historischen Ereignisse und Notwendigkeiten gaben ihm Recht und Genugtuung für seine Beharrlichkeit, Standfestigkeit und Unbeugsamkeit im Dienst an Volk und Vaterland … „

… „Geschichte und Kenntnis der Geschichte, so Hellmut Diwald, ist „das, was die Wirklichkeit bestimmt“. Weil „die elementar historischen Bedürfnisse zu den Lebensnotwendigkeiten des einzelnen genauso wie zu der Großgruppe eines Volkes“ unabdingbar gehören. „Unsere Existenz, unsere persönlichen und sozialen Bedingungen tragen den Stempel derjenigen historischen Etappen, die dahin geführt haben.“ Klar ist, „daß es ohne Geschichtsbewußtsein weder eine soziokulturelle noch politische Selbstbehauptung gibt. So wie es ohne Einblick in die Geschichte keine begründbaren Standpunktbezogenheiten gibt, so gibt es ohne diese keine kritische Prüfung unserer Werte und Verbindlichkeiten.“ Und an anderer Stelle: „Jeder, ob er will oder nicht, steht in einem direkten Kontakt mit der Vergangenheit, er erlebt und erleidet ihre Wirkungen.“ …

 

… „Diwalds größtes Erfolgswerk war die 1978 in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren erschienene und in einem gegenchronologischen Verfahren dargestellte „Geschichte der Deutschen“ (Propyläen-Verlag, 760 Seiten). Von keinem anderen Fachhistoriker war es bis dahin unternommen worden, eine nüchterne, sachliche und leidenschaftslose Betrachtung der tausendjährigen Geschichte der Deutschen zu verfassen. Diwald unterbreitete einen Identitätsbeweis der Deutschen von überragender Größe und Stichhaltigkeit. Und dies ohne Ausflüchte, ohne Beschönigungen und ohne politikwillfähriges Taktieren. Auf das überaus treffende Zitat von Helmut Schmidt wurde bereits hingewiesen. Bundeskanzler Helmut Schmidt, der als einer der ersten die Publikation in der Urfassung erhielt, bestätigte Diwald schriftlich ein überaus gutes und höchst interessantes Werk über die Geschichte der Deutschen verfaßt zu haben.

Erstmals nach Kriegsende wurde hier die deutsche Geschichte nicht mehr nur als „eine Einbahnstraße ins Verhängnis“ dargestellt. … „

 

… „Und kurz vor seinem Tod sagte er uns noch: „Die Mauer ist weg. Welch ein Triumph. Der Umsturz aber kann nur dann gesichert werden, wenn auch die inneren Mauern in Deutschland und in den Deutschen zerschlagen werden. Die Mauern, die unsere Selbstachtung blockieren, unsere Selbstfindung verhindern und unsere neurotische Verfassung über die Generationen hinweg aufrechterhalten sollen.“

Wir werden sein Vermächtnis erfüllen, komme was da wolle.

Möge es einige wenige geben, die unsere Trauer, Ehrfurcht und Liebe in aller Abgrundtiefe zu ermessen vermögen.

Hellmut Diwald - wir danken Dir!“
Rolf-Josef Eibicht

Mut zur Geschichte

Mut zur Geschichte, In memoriam Hellmut Diwald, in: Sudetendeutscher Kalender 1995, Aufstieg – Verlag, Landshut, 1994, von OTFRIED PREUSSLER:

„Hellmut Diwald ist tot. Unter dem Eindruck der Trauernachricht habe ich mir seinen »Wallenstein« aus dem Regal geholt, ich habe mich - wieder einmal - darin festgelesen. Was für ein großartiges, was für ein hinreißend geschriebenes Buch! Knapp und präzise in der Diktion, durch umfassende Kenntnis der historischen Quellen abgesichert und belegt, dabei von atemberaubender Dichte und Anschaulichkeit. Für mich, der ich mit der Gestalt des großen Friedländers aufgewachsen bin, ist es das Wallensteinbuch schlechthin. So konnte nur einer

schreiben, der selbst vom böhmischen Schicksal geprägt war, wenngleich er aus Mähren stammte: immerhin hat er entscheidende Jahre der Kindheit und Jugend in Prag verbracht. Nach einem Studium des Maschinenbaus hat er auf Religions- und Geistesgeschichte umgesattelt. In Erlangen ist er promoviert worden, in Erlangen hat er sich habilitiert, an der Universität zu Erlangen war er bis 1985 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte.

Mit »Wallenstein« (1969) und der Luther-Biographie von 1982 hat Diwald seinen Ruf begründet, als exakter Historiker zugleich ein sprach- und bildmächtiger Erzähler bedeutenden Ranges zu sein — eine Doppelbegabung, wie sie zumal unter deutschen Gelehrten nicht eben häufig ist. Entsprechend groß und zustimmend war die Resonanz beim Publikum.

Erst öffentliche Schelte, vor allem in den Medien, hat er sich mit dem 1978 in der Propyläen – Reihe des Ullstein-Verlages erschienenen Werk »Geschichte der Deutschen« zugezogen. Die Methode, seinen Gegenstand im gegenchronologischen Verfahren abzuhandeln, also die Historie des deutschen Volkes quasi im Rückwärtsgang darzustellen, wurde als Versuch des Autors gedeutet, von der fluchbeladenen Gegenwart abzulenken, indem er die Verbrechen des Dritten Reiches eben nicht als die zwangsläufige Folge der deutschen Geschichte mißverstanden sehen wollte. Zugegeben: Hellmut Diwald ist hier und anderwärts der These von der untilgbaren Kollektivschuld aller Deutschen an den Untaten Hitlers und seiner Spießgesellen entgegengetreten; indes hat er keinen Zweifel daran gelassen, wie entschieden er diese Untaten verabscheue, seien sie doch »von einer Nichtswürdigkeit, die alle überlieferten Sittlichkeitsnormen sprengt«.

Was den Erlanger Historiker zunehmend unbequem machte, weshalb er schließlich von der veröffentlichten Meinung fast einhellig als nationalistischer Finsterling hingestellt wurde, läßt sich aus der schlichten Tatsache erklären, daß Diwald kein Talent zur politischen Anpassung hatte. Daß er auf dem Recht bestand, zu den Lebensfragen der Nation seine eigene Meinung zu haben und dafür einzutreten. Etwa gegen die ausschließliche Bindung der alten Bundesrepublik an den Westen. Etwa gegen die Einfallslosigkeit und die nationale Indifferenz der Bonner Politik. Etwa, und dies vor allem, gegen die Verdrängung der deutschen Geschichte aus dem Bewußtsein unserer Wohlstandsgesellschaft, besonders der Jugend.

»Mut zur Geschichte« (so der Titel eines seiner späteren Bücher) war Diwalds Parole, mit der er die Deutschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts dazu ermuntern wollte, sich ihrer Herkunft wieder bewußt zu werden, ihre Stellung in Europa und in der Welt von Grund auf zu überdenken, sie notfalls neu zu bestimmen. Daß er sich in diesem Bestreben angefeindet, sich immer rigoroser in die äußerste rechte Ecke gedrängt sah, hat ihn zum Querkopf werden lassen — wie er sich während der letzten Jahre nicht ohne Stolz verstanden hat.

Hellmut Diwald ist tot! Man braucht mit seinen Ansichten durchaus nicht pauschal übereinzustimmen, um zu ermessen, wie sehr uns die Stimme dieses furchtlosen und unabhängigen Mannes in Zukunft fehlen wird.“
Otfried Preußler

Historiker der Deutschen

Historiker der Deutschen, vor zehn Jahren starb Hellmut Diwald, in: Nation Europa, Heft 6/2003, Coburg, von hn:

 „Als er vor zehn Jahren in Würzburg die Augen schloß, war Hellmut Diwald eine große Genugtuung noch widerfahren: die - wenigstens teilweise - deutsche Wiedervereinigung. Er hatte stets an sie geglaubt, hatte jenen energisch widersprochen, die in der nationalen Teilung eine unabänderliche Realität erblicken wollten. Hellmut Diwald, 1924 in Südmähren geboren, war Professor dem lateinischen Wortstamm nach: ein „Bekenner“. Ihm bot die Geschichtswissenschaft zugleich auch patriotische Selbstvergewisserung: Woher kommen wir? Welches Schicksal prägt uns? Was ist deutsch?

Diwald lehrte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Was ihn aber berühmt machte, waren seine Biographien - über Heinrich den Ersten, Martin Luther, Wallenstein, Ernst Moritz Arndt. Allesamt schriftstellerische Meisterwerke. 1978 die Krönung: Diwalds „Geschichte der Deutschen“. Dem Ullstein-Verlag sei es „hoch anzurechnen, daß er ein solches Buch herausgebracht hat, das bei aller Nüchternheit den Mut hat, unbequem zu sein“, jubelte zunächst „Die Welt“. Dann entdeckte man allzu Unbequemes in dem Text: Wahrheiten über das Dritte Reich, Wahrheiten über Geschichtsfälschungen der Sieger. Die anstößigen Stellen wurden bei der Neuauflage wegzensiert - ein Wissenschaftsskandal erster Güte.

An der Reputation des Autors vermochte gleichwohl niemand zu rütteln. Diwald trat weiter in Rundfunk und Fernsehen auf, erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Er forderte „Mut zur Geschichte“ (so der Titel einer Aufsatzsammlung) und plädierte für eine offensive Wiedervereinigungspolitik („Deutschland, einig Vaterland“). Als Mitglied des „Deutschlandrats“, einer Runde patriotischer Wissenschaftler und Publizisten, bekannte er sich 1983 zur „Entkriminalisierung unserer Geschichte als Voraussetzung für ein selbstverständliches Nationalbewußtsein“. Da auch Franz Schönhuber dem Kreis angehörte, ergab es sich fast von selbst, daß Diwald bald darauf an der Formulierung des REP-Programms mitwirkte.

Ein Wissenschaftler, der nicht im Elfenbeinturm saß. Ein wortgewaltiger Diskutant. Ein Historiker, den man getrost mit Leopold von Ranke in einem Atemzug nennen darf. Das war er, bevor ihn am 26. Mai 1993 eine schwere Krankheit zu früh aus dem Leben riß. Aber auch an das bescheidene Auftreten, den Charme und die Herzlichkeit des Hellmut Diwald erinnern wir uns gern. Persönlichkeiten seines Formats sind rar geworden. Um so länger hält der Dank.“
hn

Ein verzehrendes Feuer brannte in ihm

Ein verzehrendes Feuer brannte in ihm, Chronist der deutschen Geschichte: Vor zehn Jahren starb der Historiker Hellmut Diwald, von Günther Deschner, in: Junge Freiheit, Nr. 23, 30.Mai 2003, von: GÜNTHER DESCHNER:

„Ob Wehrmachtsausstellung oder Globalisierungsdebatte, Denkmalkultur oder Geschichtspolitik, das deutsch-amerikanische Verhältnis oder Kanzler Schröders „deutscher Weg“: es gab so viele Themen und Anlässe in den letzten zehn Jahren, bei denen man seine leidenschaftliche Stimme, seinen ungewöhnlichen Kommentar, seinen mutigen Auftritt vermißte. Ein wahrer Polyhistor, mit der ganzen Spannweite seines Fachs, der Geistesgeschichte, alles andere als professoral, belesener und gebildeter, als es ein Professor für Mittlere und Neuere Geschichte jemals sein mußte, mutig auch schon vor der Pensionierung, war Hellmut Diwald eine außergewöhnliche Erscheinung. Seine Bücher wurden Bestseller, auch weil sie anders, blutvoller und lebendiger, feinnerviger und spannender geschrieben waren als die fast aller seiner Kollegen.

In seinem Wesen schwangen die Herzlichkeit und scheinbare Leichtigkeit der süddeutsch-österreichisch-böhmischen Lebenswelt, der er entstammte. Geboren 1924 im mährischen Schattau, aufgewachsen im tschechisch-deutschen Prag und in Nürnberg, machte er als Soldat in Frankreich das Kriegsabitur, studierte danach Maschinenbau und wurde Ingenieur. Doch die Technik war ihm nicht realistisch genug, er begann ein neues Studium: Geschichte und Philosophie - weil er von der Geschichte Antwort auf Fragen erwartete, die ihm für sich und für die Deutschen dringlich wurden. 1952 promovierte er bei dem deutschnationalen Juden Hans-Joachim Schoeps, entschloß sich, bei der Universität zu bleiben, habilitierte sich und wurde an der Universität Erlangen Dozent.

Zwei Jahre später begegnete ich ihm zum ersten Mal - als Student. Er las über „Die linken Bewegungen. Teil 1. Der Nationalsozialismus“ - oder so ähnlich. Der Nationalsozialismus links? Deswegen war ich dort. Das ließ einiges erwarten. Mit offenem Mund hörten wir zu. Da waren Geist, Kühnheit, Idee, Leben. Schwingungen gingen von ihm aus, das Moment des Ungewöhnlichen. Ein Feuerkopf faszinierte uns, ein verzehrendes Feuer brannte in ihm. Ein Romantiker? Ein neuer Kleist-Eichendorff-Byron-Keats? Und ein Idealist, ein Arndt? Der Kontrast konnte nicht schärfer sein zu all der entgeisteten „Demokratischen Staatsbürger-Bildungsarbeit“, die wir als „DSBBA“ verhöhnten, und die in Politik und Zeitgeschichte der verbreitete universitäre Standard war.

Doch als Historiker begab er sich zunächst in die harte und stille Zucht der Quellenedition, edierte in zwei Bänden den Extrakt aus dem Nachlaß des christlich-konservativen Politikers von Gerlach, der Bismarck bis zum Bruch im Jahr 1866 nahegestanden hatte. Die Edition etablierte ihn in der Zunft, doch blieb er ihr fremd, blieb immer Einzelgänger, auch als er 1965 zum Professor für Mittlere und Neuere Geschichte berufen worden war.

Jetzt setzte Hellmut Diwald zu großen Schritten an. 1969 die Biographie „Wallenstein“, zwei Jahre vor dem Buch Golo Manns, und auf Anhieb ein großer Erfolg. Der beleidigte Mann hat ihm das in bizarrer Ranküne später heimgezahlt. 1975 der Eröffnungsband der „Propyläen-Geschichte Europas“, „Anspruch auf Mündigkeit“ (1400 bis 1555), für mich das gelungenste Buch Hellmut Diwalds, und auch von der Kritik verzückt gepriesen. Allen war klar, daß ein neuer strahlender Stern am Historikerhimmel aufgegangen war.

Durch seine häufige TV-Präsenz wurde er auch dem breiten Publikum bekannt, zum Beispiel durch den ZDF-Geschichts-Siebenteiler „Dokumente deutschen Daseins“ von Wolfgang Venohr und mit Sebastian Haffner. Die Semidokumentation machte deutsche Geschichte ohne politische Indoktrination (Guido Knopp hatte damals noch nichts zu melden!) und ohne Effekthascherei lebendig.

Mit seiner 1978 im Springer – eigenen Propyläen-Verlag erschienenen „Geschichte der Deutschen“ lernte er schmerzhaft kennen, wie sich in der Bundesrepublik der Globus dreht. Das Buch war ein großer Wurf, die erste deutsche Gesamtgeschichte aus der Feder eines Zunfthistorikers nach Veit Valentins in der Emigration geschriebenem Werk von 1946. Diwalds Herangehensweise war ungewohnt. Er schrieb „gegenchronologisch“ und aus einer „deutschen Position“ heraus. Er setzte nicht im 10. Jahrhundert ein, sondern im geteilten Deutschland der 1970er Jahre. Und er wollte dem Pessimismus der gängigen Geschichtsauffassung entgegentreten, die Zwangsvorstellung korrigieren, die deutsche Geschichte erkläre sich von „Auschwitz“ her.

Das Buch wurde ein riesiger Verkaufserfolg, lange auf der Bestsellerliste des Spiegel. Im gleichen Blatt wurde er in perfekter Abgefeimtheit demontiert. Einige Absätze seines Buches, die sich vorsichtig-kritisch mit dem Thema der deutschen Konzentrationslager und der sogenannten „Endlösung“ befaßten, machten Diwalds Gegner zum Casus belli.

Ausgerechnet Spiegel-Kulturchef Georg Wolf, einst Offizier im SD des Reichsführers SS, markierte mit dem ersten Schuß das Ziel. Intimfeind Golo Mann legte gerne nach. Die „Stellen“ in Diwalds Werk, so lamentierte er, seien „das ungeheuerlichste“, was er „seit 1945 in einem deutschen Buch“ habe lesen müssen. Auch der Stuttgarter Professor Jäckel, der 20 Jahre später die deutsche Ausgabe von Finkelsteins „Holocaustindustrie“ verhindern und die deutschen Historiker zur Selbstzensur veranlassen wollte, verlangte damals von Diwalds Verlag, das Buch vom Markt zu nehmen. Springers bester Mann, Welt-Chef und brillanter Geschichtsdenker Peter Boenisch, distanzierte sich mit einem 20-Zeiler von dem bis vorgestern geschätzten Interviewpartner und Autor.

Der Eklat war da, und der Star Diwald war in ein irritierendes Licht getaucht, das Kulturestablishment der BRD schnitt ihn sofort, so als hätte es ein neuer Joseph Goebbels in der „Reichspressekonferenz“ befohlen. Diwald, der sich zu einer „Korrektur“ der „Mißverständnisse“ nötigen ließ, setzte sich später in „Mut zur Geschichte“ mit diesen Praktiken der Zensur auseinander und warf vielen seiner Zunftkollegen zu Recht Einseitigkeit, Opportunismus und Feigheit vor.

Auch was „danach“ aus Diwalds Feder kam, ist außergewöhnlich und hat Bestand, seine Biographien über Martin Luther und sein beinahe szenischer „Heinrich I“. Doch das von ihm durchaus geschichtspolitisch intendierte Fortschreiten auf dem Weg, der mit der „Geschichte der Deutschen“ begonnen worden war, blieb ihm verwehrt.“

DR. GÜNTHER DESCHNER, Historiker und Publizist, arbeitete zehn Jahre lang als Journalist bei der Tageszeitung „Die Welt“. Später verlegte er als Verlagsgeschäftsführer mehrere Werke von Hellmut Diwald.

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