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Inhalt der Bücher & Texte von Rezensionen Teil 1
Auf den untenstehenden Seiten finden sich umfassende Informationen (Inhalt) sowie Texte bzw. Zitate von Rezensionen zu den folgenden Werken von Hellmut Diwald:
Das Historische Erkennen Untersuchungen zum Geschichtsrealismus im 19. Jahrhundert
Lebendiger Geist Hans Joachim Schoeps zum 50. Geburtstag von seinen Schülern dargebracht
Wilhelm Dilthey Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte
Leopold von Ranke – Geschichte Wallensteins
Wallenstein
Ernst Moritz Arndt Das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins
Die Anerkennung
Ernst Ludwig von Gerlach Von der Revolution zum Norddeutschen Bund
Menschen und Mächte – Geschichte im Blickpunkt
Friedrich Schiller – Wallenstein
Anspruch auf Mündigkeit Propyläen Geschichte Europas Band 1, 1400 – 1555
Das Historische Erkennen Untersuchungen zum Geschichtsrealismus im 19. Jahrhundert
Einleitung I I Romantik und Historische Schule 31 A) Das Geschichtsverhältnis der Romantik 31 B) Die historisch-philologische Kritik 43 II Johann Gustav Droysen 50 A) Die Objektsbestimmungen der Geschichte 50 B) Vergangenheit und Gegenwart 66 C) Analogie der Erlebnisse 69 D) Verstehen und Objektivität 72 III. Leopold von Ranke 77 A) Die Individualität 77 B) Anschauung und Begriff 85 C) Die Ideenlehre 91 D) Die Objektivität 93 Literatur 107
Hellmut Diwald, Das historische Erkennen, in : Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Jg. 65, Heft 4, S. 542, von HANNO HELBIG:
„Mit Recht wird der Historiker sich durch erkenntnistheoretische Überlegungen in seiner Arbeit meist eher gehemmt als gefördert fühlen; denn diese läßt sich als solche nicht auf jene ausrichten und hätte es, wie der Verfasser richtig bemerkt, nicht weit gebracht, wenn sie auf sie hätte warten wollen. Diwalds Schrift verdient es unter anderem deshalb, der wichtigste neuere Beitrag zu ihrem Thema genannt zu werden, weil der spezifisch sekundäre Charakter ihrer Problemstellung an keiner Stelle verwischt wird; weil sie sich mit aller Klarheit gegen die Versuche einer philosophischen «Grundlegung» wendet, die den Geisteswissenschaften oft einen zweifelhaften „ Dienst erwiesen haben.
Als ein Hauptgedanke des kleinen aber dichten Buchs dürfte hervorzuheben sein, daß der Geschichtserkenntnis weder dann Gerechtigkeit widerfährt, wenn man den Unterschied zwischen ihr und der Naturerkenntnis aufzuheben trachtet, noch auch wenn man diesen Unterschied zu einer Gegenpoligkeit verschärft, indem man jeglichen Objektbezug der Geschichtsdisziplin leugnet; diese Bemühung um eine möglichst selbständige methodische Grundlage sieht der Verfasser als unfruchtbar an. Die Betrachtung der Vergangenheit kann nicht wohl anders aufgefaßt werden denn als ein Vorgang, der sich auf ein vorgestelltes Gegenüber, ein Objekt richtet. Den Realismus, welcher sich in der unumwundenen Auswertung dieses Verhältnisses zeigt, kann Diwald an den historischen Bemühungen des 19. Jh. nachweisen, um geglücktesten an Droysen, aber auch schon im Geschichtsverhältnis der Romantik, deren rein idealistischer Charakter mit viel Scharfsinn in Frage gestellt wird; zuletzt auch an Ranke.
Die Subjektivität, der Relativismus, als Folge einer Geschichtsbetrachtung, die dem Subjekt – Objektbezug nicht aus dem Wege zu gehen trachtet, verliert im Nahmen dieses Realismus die Bedeutung durch die Verbindung mit der Relation, die den Prozeß der Geschichtsschreibung konstituiert: der Relation von Gegenwart und Vergangenheit, dem Zeitverhältnis, das den echten Unterschied zum naturwissenschaftlichen Erkennen mit sich bringt. Nicht durch einen Standpunkt des erkennenden Subjekts wird die Erkenntnis in erster Linie bestimmt, sondern durch die gemeinsame Geschichtlichkeit von Subjekt und Objekt; innerhalb dieser unausweichlichen Relation ist dem Streben nach Objektivität die weitestgehende Verwirklichung zugestanden, Die Frage allerdings, was es mit der Zeitrelation auf sich habe und was mit der Aufeinanderfolge und der Zusammengehörigkeit der Individualitäten, steht für Diwald, wie alles Metaphysische, auf einem andern Blatt – gehörte aber insofern mit dazu, als sie für Ranke wohl eine größere Rolle gespielt hat als jedes Erkenntnisproblem.
«So großen Wert auch Ranke auf seine Ideenlehre gelegt hat und ein so zentrales Stück sie auch in seinem geschichtlichen Denken darstellt, so unberührt blieb auch seine eigene Erkenntnisweise von ihr» (S. 92 f.). Das unterscheidet sich wohltuend von dem bis zum Überdruß wiederholten Versuch, Rankes Geschichtsschreibung von einer neuplatonischen Philosophie ableiten zu wollen. Darin liegt ein Ansatz dazu, sein Geschichtsdenken nicht mehr in dem auf die frühen Schriften beschränkten Idealismus zu suchen. Und wo wäre es eher zu finden als in den von Diwald scharfsichtig, nur vielleicht etwas zu bündig auf das Erkenntnisproblem allein bezogenen
Äußerungen? Die Zeitrelation könnte sich da auch als geeignet erweisen, metaphysischen Vorstellungen ihren Sinn zu geben, die sich für Ranke an den Zusammenhang der Geschichte im ganzen knüpfen.“ Hanno Helbig
Hellmut Diwald: Das historische Erkennen, in Philosophischer Literaturanzeiger, Band 9, Heft 7, 1956
„ … Betrachtet man die Abhandlung in ganzen, so stellt sie sich als die Arbeit eines Historikers dar, der in Frontstellung gegen geschichtsmetaphysische Tendenzen in eindringlichen Analysen um die theoretische Grundlegung seiner empirischen Forschung bemüht ist und die transobjektive Wirklichkeit seines Gegenstands, sowie den Wahrheitsanspruch seiner Wissenschaft sich nicht idealistisch relativieren und aufheben lassen will. Seinen Argumenten wird man, sofern es sich um die ethische Forderung einer Erforschung der Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen handelt, durchaus zustimmen können … „
Lebendiger Geist Hans Joachim Schoeps zum 50. Geburtstag von seinen Schülern dargebracht
Was ist der Mensch?, Lebendiger Geist, Hans-Joachim Schoeps zum 50. Geburtstag von Schülern dargebracht, in: Christ und Welt, 24 Jhrg. 30.06.1961, von KARL EPTING:
„ … Als Leo Baeck am 4. Dezember 1945 in New York zum erstenmal wieder amerikanischen Boden betrat, zog er im Hinblick auf das, was geschehen war, das schmerzerfüllte Fazit: „Für uns Juden aus Deutschland ist eine Geschichtsepoche zu Ende gegangen. Eine solche geht zu Ende, wenn immer eine Hoffnung, ein Glaube, eine Zuversicht endgültig zu Grabe getragen werden muß. Unser Glaube war es, daß deutscher und jüdischer Geist auf deutschem Boden sich treffen und durch ihre Vermählung zum Segen werden könnten. Dies war eine Illusion. Die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für allemal vorbei.“
In seinem Buch „Die letzten dreißig Jahre“ überschrieb Hans Joachim Schoeps das Kapitel seiner Rückkehr aus der schwedischen Emigration mit „Heimkehr“ – und wir müssen ihm dankbar sein, daß er gegen den Glauben der meisten Überlebenden und gegen den äußeren Anschein nach 1945 noch einmal in Deutschland anfing, daß für ihn die deutsch-jüdische Symbiose auch nach der Zerstörung eine Möglichkeit geistiger Entfaltung und eine Verpflichtung darstellte, die er von sich aus zu übernehmen bereit war.
In den vierzehn Jahren seines Wirkens an der Erlanger Universität hat er inzwischen mit zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen in die deutsche Diskussion eingegriffen. Die Bibliographie der Publikationen in der von Hellmut Diwald herausgegebenen Freundesgabe zu seinem fünfzigsten Geburtstag „Lebendiger Geist“ führt Werke auf zur jüdischen und christlichen Religionsgeschichte, zur Geistesgeschichte des Judentums, zur Geschichte des Preußentums und des Konservatismus – in jener breiten Streuung der Interessen und des Wissens, die der Autor in dem Buche „Was ist und was will die Geistesgeschichte?“ dann auch kritisch begründet und zum Programm einer neuen wissenschaftlichen Disziplin erhoben hat. Die größte Verbreitung fand in Deutschland die Schrift über „Die Ehre Preußens“, der Vortrag, den Schoeps am 18. Januar 1951 zum 250. Gründungstag des Preußischen Staates vor der Universität Erlangen gehalten hat und mit dem er als erster ein Tabu durchbrach, das sich seit dem Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 über die „Auflösung“ Preußens der Deutschen bemächtigt hatte. Mit dem Erlanger Vortrag hat Schoeps in seinem Teil das konservative Denken in Deutschland von der Lähmung der Niederlage befreit und ihm neue Impulse gegeben.
Der Band „Lebendiger Geist“ enthält entsprechend der Forschungsrichtung von Schoeps Aufsätze seiner Schüler zur Religionsgeschichte und politische Arbeiten, unter denen Hans Lamms „Bemerkungen zur Entwicklung und Wandlung des deutsch-jüdischen Lebensgefühls“, der Beitrag von Hermann Siefert „Politische Vorstellungen und Versuche der Deutschen Freischar“ und die Studie von Joachim H. Knoll über die „Konservative Ideologie und Staatstheorie am Ende der Weimarer Republik“ besonders angemerkt werden müssen. Der Band fügt sich als Ganzes ein in jenes geistespolitische Anliegen, das trotz der pessimistischen Prognosen von Leo Baeck, Adolf Leschnitzer, Hermann Levin Goldschmidt und anderen, so lange bestehen bleibt, wie es Juden gibt, die im vollen Bewußtsein des eigenen jüdischen Schicksals den Willen kundtun, auch in der Zukunft ununterschieden an der Tradition des deutschen Geistes mitzuwirken. … „ Karl Epting
Lebendiger Geist: Hans-Joachim Schoeps zum 50. Geburtstag von Schülern dargebracht, in: Thurgauer Volksfreund, Kreuzlinger Tagblatt, 78. Jg. Nr., 246, 21.10.1960, von O.E.:
„Unter den Beiheften für Religions- und Geistesgeschichte nimmt dieses Buch einen hervorragenden Platz ein. In 13 wissenschaftlichen Beiträgen behandeln einige Schüler Prof. Hans Joachim Schoeps, jenes vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen, aber nicht von allen israelischen Kreisen anerkannten Professors, die Bedeutung der Antike, der auch In Schleitheim (SH) aufgelebten Frage nach der Wiedertäuferforschung, das Verständnis der Geistesgeschichte in der zeitgenössischen evangelischen Theologie, die Problematik des Verhältnisses von Judentum und Christentum, Entwicklung und Wandlung des deutsch-jüdischen Lebensgefühls. Sie setzen sich kritisch mit dem geschichtsphilosophischen Denken Benedetto Croces, dem größten italienischen Historiker wie mit der Weimarer Republik und dem autoritären Staat auseinander. H. J. Schoeps bewegt sich in der Schule Wilhelm Diltheys und „sein ganzes Bemühen zielt darauf hin, seine Schüler das volle geschichtliche Leben verstehen zu lehren, im bewußten Affront gegen die Fächerspezialisierung den Geist vergangener Epochen lebendig zu machen.“ O.E.
Festschrift für H.J. Schoeps, in: Der Tagespiegel, Berlin, 27.11.1959, von KARL KUPISCH:
„Festschriften sind meist literarische Massengräber, ausgebeutet von fleißigen Doktoranden, die ihre junge Gelehrsamkeit mit dem Wissen um verborgene Partikelchen aus akademischen Katakomben schmücken.
Von der vorliegenden Festschrift möchte man wünschen, daß sie von diesem Schicksal nicht betroffen werde. Sie ist ein funkelndes Schatzkästlein. Einmal schon im Blick auf die allgemeinverständliche Sprache, die alle Beiträge gleichmäßig auszeichnet, ohne daß die Akribie der Forschung darunter gelitten hätte. Dann aber durch die behandelten Themen, die den Titel des Buches rechtfertigen. Nur wenige als Beispiele: „Die gegenwärtige Täuferforschung — Fortschritt oder Dilemma?“ (H. Hillerbrand); „Das Verständnis der Geistesgeschichte in der zeitgenössischen evangelischen Theologie“ (G. H. Hunternann); „Das jüdisch-christliche Arbeitsethos und der Wandel der Einstellung zur Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert“ (D. A. Oberndörfer) i „Der autoritäre Staat – Konservative Ideologie und Staatstheorie am Ende der Weimarer Republik“ (J. H. Knoll); „Politische Vorstellungen und Versuche der .Deutschen Freischar'„ (H. Siefert); „Le style c'est l'homme“ (H. Fiebiger).
Alle Beiträge stammen durchweg von Schülern des Erlanger Ordinarius für Religions und Geistesgeschichte. Sie sind ein unmittelbares Zeugnis der Fruchtbarkeit dessen, was der einzelne von Schoeps an Anregung, methodischer Sicherheit und Liebe zur Sache empfangen hat, zugleich ein Beweis für die Universalität des noch jungen Lehrfaches. Eine ausführliche Bibliographie des verehrten Lehrers ist dem wertvollen Buche angefügt.“ Karl Kupisch
Wilhelm Dilthey Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte
Klappentext des Verlages zur Originalausgabe
„Wilhelm Dilthey zählt zu den größten Denkern der modernen Zeit. Er war Geisteshistoriker, Psychologe, Philosoph und Pädagoge; die Grundlagenforschung der Geisteswissenschaften, die „Kritik der historischen Vernunft“, ist untrennbar mit seinem Namen verbunden. In Diwalds Werk wird Diltheys Konzeption von Leben, Geschichte und historischem Erkennen systematisch dargestellt und kritisch diskutiert. Im ersten Kapitel werden zunächst die speziellen Bedingungen des „Gegenstandes Geschichte“ untersucht. Im Unterschied zum Erkennen naturhafter Dinge, bei dem sich Objekt und Subjekt voneinander getrennt gegenüberstehen, wird nach Dilthey beim Erfassen dar geschichtlichen Realität diese Trennung in Erlebnis dem Grundelement des historischen Verhaltens, hinfällig. Die Selbständigkeit des geschichtlichen Zusammenhangs läßt sich allerdings nicht darauf gründen; das Erlebnis bleibt notwendigerweise subjektiv.
Dilthey führt statt dessen den Begriff der „verwirklichten Möglichkeiten“ ein, in welchem er die Bedingung des Menschseins überhaupt sieht, also die geschichtlichen Objektivationen in Kunst, Religion, Staat, Recht etc.
Im zweiten Kapitel kommt vor allem das Problem der geschichtlichen Realität ausführlich zu Wort. In entschiedener Opposition zu allem falsch verstandenen Historismus wird gezeigt, daß sich historische Sachverhalte durchaus angemessen erkennen und beurteilen lassen, eine Tatsache, die auch heute noch die Voraussetzung jeder praktischen geschichtlichen Arbeit ist.
Im Anschluß an eine Darstellung der Psychologie Diltheys wird das Verhältnis von Erleben, Ausdruck und Verstehen analysiert, ferner das Problem der Lebensbezüge, die Theorie des objektiven Geistes, Diltheys Hermeneutik und seine berühmte Typologie der Weltanschauungen.
Bei der abschließenden Interpretation der Kategorienlehre stellt sich heraus, daß man den tatsächlichen Verhältnissen des geschichtlichen Erkennens nicht gerecht wird, wenn man Leben und Geschichte miteinander identifiziert. Die Kategorien des Lebens können deshalb auch nicht die Kategorien des historischen Verstehens sein. Die Arbeit läßt in Problemgehalt und Problemkritik ihre Vorgänger weit hinter sich. Sie ist ein wesentlicher Beitrag zur Geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung, weil sämtliche Fragen der historiographischen und geschichtsphilosophischen Selbstbesinnung erörtert werden, die heute so beängstigend aktuell sind.“
INHALT
Vorwort Einleitung 1. Kapitel: Wirklichkeitsbewußtsein und Geschichtsverhältnis a) Die Ausgangspunkte b) Die Historizität des Bewußtseins c) Die Begründung der geisteswissenschaftlichen Wirklichkeitserkenntnis d) Überzeugungsgefühl, Selbstgewißheit und Erkennen e) Erlebnis und Allgemeingültigkeit 2. Kapitel: Geschichtlichkeit, Individualität und Relativität a) Das historische Subjekt b) Die Person und der historische Zusammenhang c) Geschichtliche Bedingtheit und Wahrheitsanspruch der Erkenntnis Exkurs 3. Kapitel: Geschichtliches Leben und Seele a) Der psychische Strukturzusammenhang b) Diltheys Wendung zur Hermeneutik 4. Kapitel: Das Verstehen des subjektiven und objektiven Geistes a) Das Erlebnis als Grundlage des Verstehens b) Die Gleichheit der Menschennatur c) Der Ausdruck als Mittelglied zwischen Erlebnis und Verständnis d) Das Individuum als Träger und Repräsentant von „Gemeinsamkeiten“ e) Elementares Verstehen und historisches Gebilde f) Subjektivität und geschichtliche Kategorie g) Der hermeneutische Zirkel 5. Kapitel: Die historische Selbstbesinnung a) Die Konzeption der Weltanschauungstypen b) Diltheys Versuche, den Widerstreit der Systeme aufzulösen 6. Kapitel: Der geschichtliche Zusammenhang a) Wirkung und Bedeutung b) Weitere Kategorien Indices
Helmut Diwald, Wilhelm Dilthey, Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte, in: Bulletin on German Questions, 22.07.1963, London.
The author gives, in a profound book, an interpretation of this great thinker which has, perhaps, no parallel. To give an idea of the approach it may be appropriate to refer to the introduction which is simply brilliant. Hegel’s philosophy was succeeded by the Positivists. Dilthey followed neither of them. What Dilthey was aiming at was the history of mind, of spirit, where history and philosophy come together. From this point of view, he wants to penetrate into empirical science. This separates him from the Positivists though he has with them the experience as basis in common. And his reply to Hegel is that the principle of reason turned out as an illusion in nature and history. A chapter which is especially fascinating is research of the question whether it is possible to reach historical truth because every approach is conditioned. Dilthey believes it to be possible, though the condition is to keep free from all ideological bonds. One might argue that this is completely impossible, and, perhaps, in this point we are now more sceptical. It is not recognised that what is right or not right cannot be proved with the same exactness as in mathematics. Quite apart from the historical change, which is no category for Dilthey, there might be new facts which had been unknown before and change the whole assessment. And material is in history sornething inexhaustible. Then there are new aspects, and values have changed. Therefore, one might now rather agree with that man who postulated that history has to be rewritten every 100 years, Dilthey fought against relativism, though he did not ignore its weight. But he did not want to surrender. We could only give some examples to show the standard of this book which also describes Dilthey’s psychology and the categories of ideologies. Students of history and philosophy will need this standard work.
Diwald Helmut, Wilhelm Dilthey, Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte, in: Welt und Wort, Heft 12, 1963, von ERICH FRANKE:
„Diltheys Einfluß hält nach wie vor an, und nicht nur auf dem Gebiete der Philosophie. Die Nachlaßausgabe seiner Gesammelten Werke bat dazu wesentlich beigetragen. So eindeutig wirksam Diltheys Begriff des Lebens, die Tatsache des historischen Bewußtseins oder die Kategorie der Bedeutung in der Geistesgeschichte wurden, so offen scheinen sie — erkenntnistheoretisch — immer noch zu sein. Das ist auch der Anlaß des „wissenschaftstheoretischen Gespräch mit Dilthey“, das Diwald hier — wie er es selbst nennt — in einer weitausholenden, tiefgründigen Weise führt. H. J. Schoeps, der Herausgeber dieser Schriftenreihe, sagt einmal an einer anderen Stelle: »Auf dem Felde des geschichtlichen Lebens gibt es keinen Abschluß ... Es wird die Aufgabe von Forschungsgenerationen bleiben, im Geiste Wilhelm Diltheys und — so fügt er hinzu — des Grafen York Von Wartenburg an der Geistesgeschichte der abendländischen Weilt weiterzubauen. In der Unabgeschlossenheit ihres (Diltheys and Yorks) Werks liegt kein wesentlicher Einwand.“
Man könnte pointiert sagen, daß Diwalds „wissenschaftstheoretisches Gespräch mit Dilthey“ genau an dieser Unabgeschlossenheit, oder besser an der begrifflichen Unbestimmtheit und Ungenauigkeit der Linienführung Diltheyschen Denkens ansetzt. Aber das ist nur ein flüchtiger Eindruck, der Diwalds Leistung um so mehr ins rechte Licht setzt, Diltheys Erkenntnistheorie oder Erkenntnismethodik und Philosophie der Geschichte in den Griff zu bekommen.
Ich kann nur verweisen auf solche ausgezeichneten Kapital wie „Die Historizität des Bewußtseins“, „Erlebnis und Allgemeingültigkeit“, „Geschichtliche Bedingtheit und Wahrheitsanspruch der Erkenntnis“, „Diltheys Hermenautik“, „Das Erlebnis als Grundlage des Verstehens“ und auf das Sachregister als m. W. in seiner Art erstmalige Hilfsmittel zur Begriffsfindung und Begriffserklärung für Diltheys Gesamtwerk unter vielfältiger Beziehung auf, die einschlägige Literatur. Selbstverständlich wird Dilthey in einen wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang gestellt und Eingehend auf dessen Wirkung und Bedeutung verwiesen, über die ja nicht mehr zu reden ist.“ Erich Franke
Diwald Helmut, Wilhelm Dilthey, Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte, in: Etz Chayim Nems, Okt. 1963.
„Wenn es zu den Pflichten eines Darstellers eines philosophischen Systems gehört, alle in seinen Ansätzen und Grundlagen ruhenden Denkmotive bis zum letzten denkmöglichen Abschluß herauszuarbeiten, so muß Hellmut Diwald’s „Wilhelm Dilthey“, ERKENNTNISTHEORIE und PHILOSOPHIE der GESCHICHTE (Musterschmidt- Verlag, Goettingen) die Auszeichnung zugesprochen werden, jene Erfordernisse erfüllt zu haben. Dilthey’s Kritik der historischen Vernunft sollte die Lösung einer Aufgabe darstellen, „welche noch nicht voll in den Gesichtskreis der Vernunftkritik Kants gefallen“ war. „Im Mittelpunkt des geschichtlichen Denkens steht bei Dilthey das 'konkrete Ich', „ Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis, daß im „Erleben das 'Leben' als Urgrund erfahren wird. Sucht Dilthey doch das Metaphysische nicht mehr als metaphysische. Substanz außerhalb der Wirklichkeit, sondern als metaphysische Bedeutsamkeit der Wirklichkeit in ihr selber. Wo das Erlebte fehlt, dort ist nach Dilthey überhaupt keine Möglichkeit eines Verstehens vorhanden. Erleben und Verstehen greifen beständig ineinander, ja sind ohne einander nicht möglich, „denn nur Verstehen umfaßt den ganzen Horizont des Seelenlebens und nur Erleben klärt seine Tiefen auf, diese werden auch nur auf Grundlage hiervon dem Verstehen zugänglich“. Aus solcher Grenzfeststeckung (Gleichsetzung von Leben und Geschichte) einerseits, der Dilthey'schen Strukturanalyse (der vorliegenden historischen Gebilde) andrerseits, ergibt sich nach Diwald folgendes: „Leben offenbart sich als der ständige Untergrund, aus dem nicht nur die Bedingungen des geschichtlichen Erkenntnisvorganges erwachen, sondern auch die Seinsprinzipien der Geschichte.
Die Unerschöpflichkeit des Lebens bedingt, daß sich die Zahl der Kategorien nicht abgrenzen lasest, ebenso aber, daß ihr Verhältnis untereinander auf keine logische Form, keine definitive Ordnung gebracht werden kann; weil jede Kategorie von einem anderen Gesichtspunkt her das Ganze des Lebens im Verstehen öffnet, wird ein Subsumptionsverhältnis ausdrücklich abgelehnt“. Hier wird die Unhaltbarkeit des Ausgangspunktes greifbar.
Denn „das Leben, und stellvertretend die Analyse des Einzellebens, ist für die Aufrollung des Problems einer historischen Kategorialanalyse ein zu allgemeiner Ausgangspunkt“. Das Leben Dilthey’s ist ein Übergreifendes, das alles umfaßt, was in der Wirklichkeit besteht, von den anorganischen Dingen bis hin zu den Ausdrücken des objektiven Geistes. Deshalb lasest sich auch die These Dilthey’s, die Lebenskategorien wurden sowohl für jene anorganischen Dinge, wie für den objektiven Geist gelten, nicht durchhalten. Eine Kategorie, die für alles gilt, gilt im Grunde für nichts . . .
Das Reich der Geschichte ist ein in sich geschlossenes Reich, jeweils bestimmt durch komplexere und minder komplexe Gebilde und Formungen, denen ihrerseits wieder entsprechende Kategorien konvenieren. In diesen Fragen allein ruht das ganze Gewicht des historischen Erkenntnisproblems, in dem Aufweis historischer Kategorien und dem Verhältnis, in dem die geschichtlichen Erkenntniskategorien zu ihnen stehen. So ist das Wesen historischen Geschehens trotz aller geschichtsphilosophischen Entwürfe auch heute noch eines der größten Rätsel geistesgeschichtlicher Grundlagenforschung.
Deshalb gilt es, auf dem von Dilthey gewiesenen Weg sich weiter um die Prinzipen der Geschichte zu bemühen, in der Überzeugung, dadurch auch die Fundamente unsres Verständnisses der Geschichte aufzudecken.“ — Gern wird man diese umfassende und lichtvolle Darstellung (wohl die bisher umfassendste über Dilthey) allen, die an jener Fortführung der Diltheyschen Gedankenwelt interessiert sind, zum Studium empfehlen.“
Diwald Helmut: Wilhelm Dilthey, in: Neuer Literaturanzeiger, 20.09.1963, von B.A.:
„Die weitgespannte Untersuchung unternimmt es, das philosophische Gesamtwerk Wilhelm Diltheys systematisch zu durchdrungen. Wer Dilthey kennt, den feinnervigen, aus den letzten Tiefen der Geistigkeit schöpfenden Denker, den der Satz vom Selbstverständnis des Menschen durch die Geschichte zu einem neuen Verständnis der Geschichte führte, weiß, wie schwierig ein solches Unterfangen ist. Und so ist denn auch diese Analyse ein schwieriges Buch geworden, zumal sie sieh nicht damit begnügt, die überquellende Fülle dieser Gedankenwelt, der Anregungen und Impulse zu fassen, sondern immer bemüht ist, geduldig, liebevoll, kritisch in eine Diskussion einzutreten. Das Buch ist. ein Gespräch mit Dilthey, ein echtes, fruchtbares Gespräch auf höchster geistiger Ebene, das weiterführt auf dem Weg der modernen Geschichtsphilosophie und Wissenschaftstheorie, die beide nach wie vor damit befaßt sind, die Gedanken des großen Initiators Wilhelm Dilthey organisch fortzuentwickeln.“ B.A.
Helmut Diwald, Wilhelm Dilthey, Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte, in: Der Convent, Febr. 1964.
„Hier wird Diltheys Konzeption von Leben, Geschichte und historischem Erkennen systematisch dargestellt und kritisch behandelt. Diwald untersucht vor allem die speziellen Bedingungen des „Gegenstandes Geschichte“ bei Dilthey, das Problem der geschichtlichen Realität und die Kategorienlehre. Mit ihrer sauberen und exakten Interpretation ist die Arbeit ein wesentlicher Beitrag zur geistesgeschichtlichen Grundlagenforschung.“
Wilhelm Dilthey, in: Freiheit, 19.07.1963.
„Hellmut Diwald behandelt in seiner Monographie „Wilhelm Dilthey Erkenntnistheorie und Philosophie der Geschichte“ Diltheys Theorie des geschichtlichen Erkennens. Für den Verfasser ergibt sich daraus, daß Leben und Geschichte nicht zusammenfallen, sich nicht decken, weil die Kategorien des Lebens nicht diejenigen des historischen Verstehens sind. Die interessante Arbeit geht in Problemgehalt und Positionskritik über alle ihre Vorgänger hinaus.“
Leopold von Ranke Geschichte Wallensteins
Klappentext des Verlages zur Originalausgabe
„Mit der sensationellen Mordtat des 25. Februar 1634 zu Eger endete die Laufbahn Albrecht von Wallensteins, Herzogs von Friedland, Mecklenburg und Sagan, den Ranke die „außerordentlichste Gestalt der Epoche“ genannt hat. Eine beispiellose Flut von Legenden, Gerüchten, Pamphleten und Traktaten folgte diesem Ereignis, und durch Jahrhunderte hin ist der große Feldherr und Staatsmann eines der beunruhigendsten Rätsel der Weltgeschichte geblieben: War Wallenstein nur ein verräterischer Kondottiere, oder war er ein militärisches und politisches Genie, dessen Rebellion durch das angestrebte Ziel — Herstellung des Reichs- und Religionsfriedens — gerechtfertigt wird?
Wenn man Schiller als Wallensteins Homer bezeichnet hat, so darf Leopold von Ranke als des Friedländers Thukydides gelten: Rankes „Geschichte Wallensteins“ bildet den Höhepunkt der umfangreichen Wallenstein-Literatur und ist bis heute Maß und Prüfstein für alle Forschungsarbeiten zum Thema geblieben. Ranke hat als erster konsequent alle bis dahin offenen Fragen behandelt und Licht in das verwirrende Dunkel der divergierenden Deutungen, Unterstellungen und Mutmaßungen gebracht. Jenseits aller hitzigen Parteinahmen klärt seine großangelegte Darstellung den tatsächlichen Umfang und die Bedeutung der Absichten und Ziele Wallensteins. — Ranke, der schon zu Lebzeiten als Begründer der modernen Geschichtswissenschaft gewürdigt wurde, stand auf der Höhe seines Ruhmes, als er 1869 die „Geschichte Wallensteins“ veröffentlichte. Das Buch — übrigens die einzige Biographie seines Gesamtwerks — verleugnet in keiner Zeile das Genie des größten deutschen Historikers und zieht einen Schlußstrich unter das jahrhundertelange Pro und Kontra in der Wallenstein-Frage.
Der Text dieser Neuausgabe im Rahmen der Reihe „Klassiker der Geschichtsschreibung“ folgt im wesentlichen dem Original Rankes aus dem Jahr 1869. Hellmut Diwald, Professor für mittlere und neuere Geschichte (besonders Geistesgeschichte) an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat das Werk neu durchgesehen und kommentiert. Seine ebenso instruktive wie elegante Einleitung erläutert das Wallenstein-Problem aus heutiger Sicht und deutet feinsinnig die Größe der Rankeschen Geschichtsschreibung.“
Wallenstein
Klappentext des Verlages zur Originalausgabe
„Nicht erst seit Schiller zählt Wallenstein zu den faszinierendsten Gestalten unserer Geschichte. Seinen Aufstieg und sein Ende umranken Rätsel und Glanz, Geheimnis und Zwielicht. Wissenschaftliche Spezialuntersuchungen gibt es viele, packende Lebensbeschreibungen des Herzogs von Friedland kaum.
Die Wallenstein-Biographie des Historikers Hellmut Diwald stützt sich auf ein jahrelanges Quellenstudium und hebt sich markant von allen bisherigen Wallenstein-Bildern ab; der friedländische Herzog wird nicht in das Klischee von Verrat – Nichtverrat eingespannt, er wird den religiösen Alternativen des Dreißigjährigen Krieges entzogen, er wird auch nicht unter die bürgerlichen Beurteilungskategorien gepreßt, die ihn als Emporkömmling und räuberischen Kondottiere einstufen.
Der Autor schildert mitreißend, wie sich der junge Wallenstein zum großen Heeresorganisator, Feldherrn und Staatsmann entwickelt. Er formt vor uns das Leben eines Mannes, der der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges den Stempel aufdrückt. Der Herzog von Friedland ist mehr als ein gewaltiger Soldatenführer und weniger als ein bloßer Rebell gewesen: eine Einheit von General, Wirtschaftsführer und Politiker, und damit nimmt er objektive Signaturen modernerer Epochen vorweg. Dadurch kommt er in scharfen Widerspruch zu seiner eigenen Zeit und ihren Tendenzen. Walleisteins Leben, sein politisches Konzept und sein Untergang sind nur von diesem Gegensatz aus zu verstehen. Man wird dieser facettenreichen Gestalt nur gerecht, wenn man sie mit den Maßstäben unserer Zeit mißt. So entwirft Diwalds Biographie das großartige Bild eines bisher unbekannten Wallenstein, der gerade in unserer Zeit auf neues Verständnis treffen wird, weil neue Perspektiven auch neue Faszination mit sich bringen.“
General – Wirtschaftsprüfer – Politiker, in: Die Rheinpfalz, Nr. 274, von W.E.:
„Seit Ludwig Pfandls „Phillip II von Spanien“ haben wir keine fesselndere historische Biographie in deutscher Sprache mehr gelesen als diese Lebensbeschreibung Wallensteins. Man kennt seinen Schiller, die dramatische Trilogie und die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges samt mancher anderen wissenschaftlichen Spezialuntersuchung. Aber so faszinierend ist eine geheimnisvolle und glänzende Gestalt, die das dritte Dezennium des 17. Jahrhunderts beherrscht, noch nie erschienen wie in dem neuen Buch des Erlanger Ordinarius für Geschichte, Prof. Dr. Hellmut Diwald. Die besondere Zuneigung zu der Gestalt mag mit der Herkunft Diwalds zusammenhängen, der in Südmähren geboren ist und in Prag aufwuchs. Die Heimat Wallensteins ist also auch seine Heimat. Aber die Vertrautheit mit dem Stoff setzt jahrelanges Quellenstudium voraus. Und nicht nur das, denn Diwald beherrscht auch die außerordentlich umfangreiche Wallenstein-Bibliographie. Eine bewundernswerte Leistung, wenn man bedenkt, das der Gelehrte zuerst Maschinenbau studiert und das Ingenierurexamen bestanden hat, bevor er Geschichte studierte, worin er 1952 promovierte, um sich 1958 zu habilitieren.
Man liest den starken Band in einem Zug wie einen spannenden Abenteuerroman. Keine Fußnote, kein wissenschaftlicher Apparat hemmt den Lesefluß. Zitate aus den Originaldokumenten schrecken nicht ab, sondern geben dem Text Lebenstiefe. Nach der Umreißung der Person und des Problems erleben wir Wallenstein als jungen Kavalier und Magnat in Mähren, bevor er eine der merkwürdigsten Karrieren in der habsburgischen Armee beginnt. Diwalds Darstellung hebt sich markant von allen bisherigen Wallensteinbildern ab. Der Herzog von Friedland wird nicht in das Klischee „Verrat oder Nichtverrrat“ eingespannt. Desgleichen wird er obwohl er vom Protestantismus zum Katholizismus wechselte, den religiösen Alternativen de Dreißigjährigen Krieges entzogen. Andererseits hält ihn Diwald außerhalb jener vielgebrauchten und mißbrauchten Beurteilungskategorien, die den selbstlosesten Diener des Hauses Österreich bald als Emporkömmling, bald als räuberischen Kondottiere abgestempelt wissen wollten.
Um so eingehender wird geschildert, wie sich Wallenstein zum genialen Heeresorganisator, Feldherrn von europäischer Geltung und Staatsmann, der von den mächtigsten Fürsten der Zeit anerkannt wurde, entwickelt hat. Für Professor Diwald ist das Problem Wallensteins kein Problem fehlender Dokumente. Es handelt sich bei dem friedländischen Herzog, der mehr als ein gewaltiger Soldatenführer und weniger als ein bloßer Rebell gewesen ist, sondern eine Einheit von General, Wirtschaftsprüfer und Politiker, nicht um die spekulierende Ausdeutung einer Sphinx, die ihr letztes Wissen mit ins Grab genommen hat.
Wir kennen sämtliche Alternativen, zwischen denen Wallenstein hätte wählen können. Man hat sie alle durchgespielt, und es hat sich gezeigt, daß die Fragen, die damit zusammenhängen, deshalb so kompliziert sind, weil sie sich so leicht beantworten lassen. Das Magische an Wallensteins Figur kann man nicht darauf reduzieren, daß wir nichts von seinen eigenen Zielen wissen. Wir kennen genug davon. Die Kunst des Historikers besteht nicht darin, der Vergangenheit nur ihre schlechten Bilder abzuerkennen, sie besteht auch nicht in der Entdeckung und Ausbeutung desjenigen Materials, das offen und hell zutage liegt. So schreibt der Verfasser zusammenfassend am Schluß seines Buches.
Ohne Zweifel ist Hellmut Diwald ein Interpret mit geradezu hellsichtigen Gaben und ein selten guter und starker Schreiber dazu. In dieser Sicht wird die Herausarbeitung der zukunftsweisenden, objektiven Signaturen der modernen Epoche vorwegnehmenden Züge dieser großen Gestalt zum mitreißenden Erlebnis. Man begreift, daß Wallenstein zu seiner eigenen Zeit und ihren Tendenzen unbedingt in Widerspruch geraten mußte. Der Wirtschaftsführer und Feldherr, der aufgeklärte Kenner der Welt mußte mit dem Kaiser und allen ideologisch gesteuerten Kräften in Widerspruch geraten. Wallensteins Leben, sein politisches Konzept und sein Untergang sind nur vor diesem Gegensatz aus zu verstehen. Man wird diesem facettenreichen Charakter nur gerecht, wenn man ihn mit den Maßstäben der Moderne mißt.
So zeigt uns Professor Hellmut Diwald in seinem großartigen Buch einen Wallenstein, der in völlig neuem Licht erscheint.“ W.E.
Lanze für Friedland, in: Die Zeit, 1969, von Wolfgang Venohr
Wallenstein, unkonventionell gesehen
Helden und Heldenverehrung — wer hätte gedacht, daß es dergleichen noch gibt? Die Helden sind nicht nur müde, sie sind verfemt. Und ein Schriftsteller kann sich heutzutage durch nichts lächerlicher machen als durch unverhohlene Begeisterung für einen Helden und dessen Heldentaten.
Aber siehe da: Es geht, es geht. Wenn einer nur Mut hat, geht alles. Ein Buch ist erschienen ein dickes Buch, ein gewichtiges Buch —, hochmodern in seiner wissenschaftlichen Methode. Sehr salopp (manchmal zu salopp!) in Sprache und Stil, aber in seiner Aussage ganz Parteilichkeit, eine Biographie a la Thomas Carlyle: Hellmut Diwald: „Wallenstein", Bechtle- Verlag, München 1969; 555 S., 25,— DM.
Das ist ein Buch, das man noch lesen kann, ohne blasiert zu gähnen, ohne in einem fort über der Gedanken und Gefühle Blässe zu erröten. Der Biograph, Hellmut Diwald, ein deutscher Professor — man kann es kaum glauben — , hat Schluß gemacht mit dem unseligen Erbe des Historismus, mit dem Wenn und Aber, dem Einerseits und Andererseits, der ganzen wissenschaftlichen Scheinobjektivität, die doch nichts ist als fauler Zauber und Impotenz von „Fachidioten": Hier schlägt sich einer für seinen Helden, für seinen Wallenstein, und der Leser — tief entzückt von soviel Engagement, herausgefordert zum geistigen Duell — geht mit oder zieht blank, bejaht oder verneint, stählt schließlich im Feuer dieser aufregenden Lektüre seinen kritischen historisch-politischen Verstand.
Historisch-So/itiscÄ — das ist mit voller Absicht hier hingesetzt. Denn diese Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ist, was Deutschland und Mitteleuropa anbetrifft, von einer beinahe penetranten Aktualität. Dieser Wallenstein kann man Diwald folgen, und man kann es wohl sehr weitgehend — würde heute nicht anders handeln als damals. Was damals Franzosen, Schweden und Spanier waren, das sind heute Sowjets und Amerikaner: Besatzer, Okkupanten in Zentraleuropa, die ihre machtpolitischen Interessen mit ideologischen (damals religiösen) Schlagworten tarnen, um ihre Beute desto ungenierter unter sich teilen und in den Reihen der Unterworfenen noch Proselyten für sich machen zu können.
Albrecht von Wallenstein, der Herzog von Friedland, ein organisatorisches, merkantilistisches und finanzpolitisches Genie ersten Grades man erfährt das alles erst bei Diwald richtig — versuchte ganz ohne Frage, aus seinem Herzogtum (das etwa ein Drittel Böhmens umfaßte) eine Art Vor-Preußen zu machen, einen wirklichen weltlichen Staat, der diesen Namen verdiente, eine Plattform, von der aus er eine Politik der Befriedung und Befreiung Deutschlands und Mitteleuropas inaugurierte. Ein herrliches, ein hoffnungsloses Unterfangen! Die ganze Sache war etwa so, als wenn das kleine schwache Österreich sich heute anschicken würde, energisch dazwischen zu funken, die Mächte des Westens und des Ostens herauszufordern, um endlich im Raum zwischen Rhein und Bug, zwischen Flensburg und der Theiß Friede, Freiheit, Disengagement und eine- neue bessere Ordnung zu begründen. Mit Herz und Hand dabei, aber es könnte nicht glücken, die Ausgangsbasis wäre zu schmal.
Mit anderen Worten also: Wallenstein war ein Narr, ein Hasardeur, ein politischer Träumer? Vielleicht war er es. Wer kann das wirklich wissen? „Der Mensch hat ein Recht, nicht aufzugeben", schreibt Diwald. Ein Satz, den man von dem Augenblick an, da man ihn gelesen hat, nicht mehr vergißt. Im Falle des Herzogs von Friedland eröffnete sich mit den Worten Diwalds folgende historische Perspektive: „Wenn Wallenstein sich durchgesetzt hätte, dann wäre zweifellos der Grundzug seiner großen Idee realisiert worden, daß die Einheit des Reiches über den Einzelfürsten zu stehen hatte, daß ohne innere Konsolidierung keine äußere Stabilität zu erreichen war. In der jahrhundertealten Fehde um die Hoheitsrechte des Staates hatten die ständischen Gewalten gegenüber dem Kaisertum immer mehr an Boden gewonnen. Wallenstein war der einzige, . . . der die kaiserliche Macht über die Reichsfürsten erhob, der einzige, mit dem der Kaiser fähig gewesen wäre, diesen Kampf endgültig zu seinen Gunsten zu entscheiden und eine intakte, kräftige Staatlichkeit des Reiches zu verwirklichen. Der Reichszusammenhalt; wäre nicht auf dem Altar der deutschen Vielstaatenautonomie geopfert worden. An diesem Reich — von Fürstenindividualität und -eigennutz nicht paralysiert — wäre Richelieus Politik steckengeblieben; Frankreichs Vormachtstellung in Europa hätte nicht begründet werden können. Mit einem Wort: In Wallenstein politischem Konzept wäre dem Deutschen Reich sein langsamer Selbstmord bis 1806 erspart geblieben . . ."
Ja, aber Verrat am Kaiser? Diwald gibt sich verzweifelte Mühe, von diesem Vorwurf wegzukommen; die Verhandlungen Wallensteins mit Sachsen und Schweden werden von ihm fleißig entdämonisiert. Wozu nur? Was Kaiser, wenn es um das Reich ging! Warum nicht für Wallenstein die Königskrone von Böhmen oder den Herzogshut von Mecklenburg, -wenn er nur die Okkupanten, die Franzosen, Schweden und Spanier aus dem Lande brachte. Sein persönlicher Ehrgeiz, seine diplomatischen Tricks, seine ganze abgefeimte Schaukelpolitik werden mehr als gerechtfertigt, wenn die Behauptung trifft — und sie scheint nun -wirklich nach der Lektüre dieser Biographie zuzutreffen — , daß Wallenstein zweihundert Jahre vorweg eine Art großdeutscher oder mitteleuropäischer Bismarck war.
So ist für den Rezensenten die Frage gar nicht relevant, ob der Herzog von Friedland ein Träumer oder Realist war. (Er war natürlich beides.) Die Tatsache allein, daß es in jenen unseligen Zeiten, in denen man die Menschen mit Religion verdummte, so wie man sie heute mit Ideologien manipuliert, einen Mann eäD, der sich in seiner Personalität weder von der einen noch von der anderen Seite unterwerfen und disziplinieren ließ, der in den zerstrittenen und zerschnittenen machtpolitischen Raum sein eigenes kühnes Gedankengebäude stellte, eines der Vernunft und der Unabhängigkeit, aus eigener Kraft, macht die Figur Wallensteins so außerordentlich aktuell, stellt sie in einen engen Zusammenhang mit der Lage Deutschlands von heute oder mit dem 21. August 1968 und macht dieses Buch so überaus lesenswert. Denn: „Der Mensch hat ein Recht, nicht aufzugeben", schreibt Diwald. Wolfgang Venohr
Wallenstein – Genie oder Verräter?, in: Österreichisches Kulturwort, Zeitschrift für Kultur und Wissen, Heft 4, April 1970, von F.:
„Die Einschätzung, welche Rolle eine Persönlichkeit in einem bestimmten Zeitabschnitt der Geschichte gespielt hat, ist und bleibt eine Frage des Standortes, von welchem aus der Betrachter das Wirken dieser Persönlichkeit sieht. Es gibt nun einige vielleicht nicht immer zu Recht hervorgehobene Figuren, über deren Leben und Handeln nicht nur der Historiker, sondern viele urteilen. Wenn zum Beispiel ein Mann wie Wallenstein heute noch nicht nur im Geschichtsunterricht eine Pflichtfigur darstellt, sondern auch bei Tausenden Interesse hervorruft, so ist nicht zuletzt dafür Friedrich Schiller verantwortlich, der mit seinem „Wallenstein“ – Drama eine ganz bestimmte Vorstellung von der Handlungsweise, den Ideen und vor allem auch vom angeblichen oder wirklichen Verrat heraufbeschworen hat. Es gibt unzählige Arbeiten über Wallenstein, sie widersprechen einander, entweder weil die Verfasser von entgegengesetzten Standpunkten ausgehen oder weil die einen nur nüchterne Zahlen und dokumentarisches Material, die anderen aber auch menschliche Stärken und Schwächen zur Biographie zusammenbauen.
Hellmut Diwald geht nicht nur den Weg der Ausführlichkeit, das heißt, er bemüht sich, möglichst viele Quellen heranzuziehen, sondern für ihn ist der am 24. September 1583 geborene und ,im Alter von kaum 50 Jahren Ermordete eine faszinierende Gestalt, die Ideen nachhing, für deren Verwirklichung der gesellschaftliche Zustand noch nicht reif war. Die Vorfahren Wallensteins waren erbitterte Verfechter der Selbständigkeit ihres Heimatlandes Böhmen, und sie mußten das auch mit der Beschlagnahme ihrer Güter büßen. Schon der junge Wallenstein — nach einer teils stürmischen und durchaus nicht „braven“ Jugendzeit — entwickelte einen ausgeprägten Sinn für Wirtschaftsfragen, und ihm wurde bald klar, daß der Gutsherr nur dann von seinen „Untergebenen“ das meiste herausholen kann, wenn auch er für sie sorgt. So überrascht es nicht, daß er neben seiner intensiven Beschäftigung mit Handel und Wirtschaft auch in seinem späteren Leben stets bemüht war, durch den Bau von Armenhäusern und Spitälern sein Ansehen und letztlich auch seine Macht zu festigen. Was nun sein Verhältnis zum österreichischen Kaiserhaus betrifft, dürfte Diwald mit seiner Einschätzung, Wallenstein wollte „sich gegen den Kaiser um des Kaisers Willen durchsetzen“, den Kernpunkt ungemein treffend formuliert haben. Wallenstein, selbst unumschränkter Herrscher auf seinen Ländereien, träumte davon — und er opferte viel Geld und Menschen dafür —, ein straff zentralistisches Kaiserreich zu errichten, denn nur so sah er einen Ausweg aus der Vielzahl der Fürstentümer, der rivalisierenden Landesherren, von deren Gnade der Kaiser abhängig war. Grenzen und Schlagbäume hemmten die Wirtschaft. Egoistische Sonderinteressen zerrütteten das Land, und man kann heute die Ziele Wallensteins als „Verrat“ bezeichnen, bei einer näheren Betrachtung aber erkennt man, daß er mit seinen Plänen wahrscheinlich um Jahrhunderte vorauseilte.
Verdienstvoll, daß Diwald auch mit den Märchen von der Sternenabhängigkeit Wallensteins aufräumt. Wallenstein war, wie die meisten Gebildeten seiner Zeit, begeisterter Anhänger der Astrologie, aber sie war für ihn nicht Leitstern, sondern er suchte nur die Bestätigung seiner Taten in ihr. So ist auch die Ermordung des bereits schwer an Gicht erkrankten Feldherrn — Ärzte hätten ihm angeblich nur mehr zwei Jahre gegeben — auf keinerlei katastrophale Konstellation der Sterne zurückzuführen, sondern ein wahrscheinlich unabwendbares Eingreifen jener Kräfte, die den Gründer einer österreichischen Armee, den Schöpfer der Artillerie und den Meister im Aufbringen von Geldmitteln zum Verstummen bringen mußten. Es war übrigens auch viel zu erben — die Schätzungen schwankten zwischen sechs und 30 Millionen Gulden, ganz abgesehen von den Ländereien, die als Beute geteilt wurden.“ F.
Der Feldherr des Kaisers aus Böhmen, in: Kulturpolitische Korrespondenz, Bonn, 25.08.1999, Besprechung der Neuauflage von 1999, von HEINRICH PLETICHA:
„Hellmut Diwalds Wallenstein-Biographie ist in vierter Auflage wieder erschienen. Sie folgt der dritten vom Autor überarbeiteten und erweiterten Auflage von 1984. Eigentlich sollten das Werk und sein Autor so bekannt sein, daß es keines besonderen Hinweises auf sie bedürfte, aber in unserer schnellebigen Zeit ist das keine Selbstverständlichkeit mehr.
Diwald wurde 1929 in Südmähren geboren, wuchs in Prag und Nürnberg auf, studierte zunächst Maschinenbau, später in Erlangen Philosophie und Geschichte, promovierte und habilitierte bei dem bekannten Geisteswissenschaftler Hans-Joachim Schoeps und lehrte dann bis zu seinem viel zu frühen Tod 1993 Mittlere und Neuere Geschichte in Erlangen. Er gehörte zu jenen Professoren, die aus dem vielzitierten Elfenbeinturm ihrer Wissenschaft heraustraten, und schuf eine ganze Reihe wichtiger populärer historischer Werke. Dabei scheute er, wie etwa seine „Deutsche Geschichte“ und die daraus erwachsenen Kontroversen bewiesen, auch eigenwillige Provokationen nicht. Nach Untersuchungen über „Das historische Erkennen“ und „Wilhelm Dilthey“ veröffentlichte er schon als Vierzigjähriger 1969 seinen „Wallenstein“. Das Werk fand rasch Anerkennung und weite Verbreitung, geriet dann aber etwas in den Schatten des nur zwei Jahre später erschienenen Buches „Wallenstein“ von Golo Mann.
Ein Vergleich der beiden Biographien liegt natürlich nahe, wäre aber grundfalsch. Das hat schon Golo Mann selbst indirekt durch seine etwas merkwürdige Bemerkung zu Diwald in der Bibliographie seines eigenen Buches angedeutet. Es muß also letztlich jedem Leser überlassen bleiben, welche der beiden Biographien er bevorzugt.
Diwald beweist ein sehr feines Gespür für historische Zusammenhänge. Er erliegt nie der Versuchung, bei der Charakteristik seines Protagonisten bewußt immer das Gegenteil früherer Biographien zu behaupten. Man kann aber auch nicht sagen, er entwerfe das Bild eines „bisher unbekannten Wallenstein“, wie das der Klappentext des Buches feststellt. Wohl aber hat er alte und vor allem moderne Quellen und Literatur in breitem Umfang sorgfältigst ausgewertet, rückt so manche falsche oder überholte Vorstellung zurecht und zeichnet den Weg Wallensteins mit geradezu minutiöser Genauigkeit von dessen Jugend bis zu seiner Ermordung im Alter von nur 52 Jahren nach. Er sieht ihn in seiner ganzen Vielseitigkeit als Feldherrn, Organisator, Unternehmer und damit als einen durchaus modernen Menschen, der seiner Zeit weit voraus war und wohl gerade deshalb an und in ihr scheitern mußte. Aber er sieht ihn nie isoliert, sondern immer vor dem Hintergrund der politischen und militärischen Ereignisse und im Zusammenhang mit seinen wenigen Weggefährten und vielen Gegnern. So entrollt Diwald ein typisches barockes Welttheater, ergänzt und erweitert durch einfühlende historische und psychologische Analysen und Deutungen.
Das alles wäre Grund genug, von einer höchst beachtenswerten Biographie zu sprechen. Die Bezeichnung „mitreißend“ verdient sie aber wohl in erster Linie dank ihrer stilistischen Gestaltung. Diwald erweist sich als ein wahrer Meister biographischer Geschichtsschreibung. Allein schon die Tatsache, daß er bei dieser episch doch recht breiten und faktenreichen Darstellung von rund 550 Seiten das Präsens als Erzählzeit durchhalten kann, ohne den Leser letztlich doch zu ermüden, ist bemerkenswert und gibt dem Ganzen eine erstaunliche Dynamik. Ohne Übertreibung darf man sagen, daß einige Textstellen zu den besten in der modernen deutschen Geschichtsschreibung gehören und geradezu als exemplarisch angesehen werden können. Die Schilderungen des Prager Fenstersturzes oder des Endes Wallensteins gehören ebenso dazu wie die Beschreibung des Söldner- und Werbesystems, nicht zu vergessen der ebenso knappe wie treffende „Nachruf der Geschichte“, um nur einige zu nennen.“ Heinrich Pleticha
Wallensteins Feldherrentum, in: Hellmut Diwald – Sein Vermächtnis für Deutschland – Sein Mut zur Geschichte, Rolf-Josef Eibicht (Hrsg.), Hohenrain Verlag, Tübingen, 1994, von HANS SCHMIDT
„Hellmut Diwald ist in militärhistorischer Hinsicht weitaus der kundigste und präziseste.“
„Sätze wie: »Zu den größten Eigenschaften des Feldherrn Wallenstein gehört eine Fähigkeit, die bei den zeitgenössischen Soldatenführern kaum zu finden ist: die Gabe, abwarten zu können, den Überblick zu behalten.« oder: »In der Kunst des kampflosen Hinausmanövrierens war Wallenstein der unerreichte Meister der ganzen Epoche. Und diese Epoche, in der es für einen Fürsten nichts Kostspieligeres gab als Soldaten, sah in der Kunst des kampflosen Sieges die Krönung aller strategischen Fähigkeiten.« zeigen, daß Diwald den nötigen Sachverstand und ein nüchternes Urteil besaß“
„Seine Biographie, das muß deutlich gesagt werden, ist die präziseste aller Wallenstein - Biographien und verdient deutlich den Vorzug vor Golo Mann.“ Prof. Dr. phil. Hans Schmidt
Hellmut Diwald – Wallenstein, Buchkritik, in: www.inkultura-online.de/diwald.htm
„Die Geschichte hat das Bestreben, bestimmte Personen mit dem zweifelhaften Attribut „Groß“ zu belegen. Mehr oder weniger sind es bisher Feldherren, bzw. Militärs jeglicher Couleur gewesen. Man denke an Alexander den Großen, an Napoleon, usw. In diese Kategorie wird im allgemeinen auch der bekannteste Heerführer des 30-jährigen Krieges eingeordnet.
Die monumentale Biographie von Hellmut Diwald unternimmt den Versuch, sich dieser schillernden und widersprüchlichen Figur zu nähern. Viele Bücher wurden bisher zum Thema Wallenstein geschrieben. Sie alle gingen in die Falle der Polarisierung. Die Gestalt des Wallenstein ist emotional besetzt wie kaum eine zweite aus dieser Epoche. Seit seinem Tod spaltet sich die Geschichte in zwei Lager. Einerseits in Wallensteinbefürworter, andererseits in Wallensteingegner. Gegen beide - einseitige - Betrachtungsweisen schrieb Diwald sein Werk über Wallenstein.
Um sich dieser Gestalt zu nähern, ist es, wie bei anderen Personen auch, wichtig, sich mit der Quellenlage vertraut zu machen. Gerade hier liegt, so Diwald ein großes Problem. Die wesentlichen Perioden von Wallensteins Leben sind schwach, oder gar nicht dokumentiert. So z. B. ist die Frage, woher das Vermögen Wallensteins stammte, mit dem er Kaiser Ferdinand II. das erste Heer und alle weiteren Heere stellen konnte, bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet.
Ebenso entzieht es sich jeder Kenntnis, weshalb Wallenstein gerade 1625 den Oberbefehl über die Truppen der Liga bekam. Er, der sich bis dato durch keine herausragenden militärischen Leistungen ausgezeichnet hatte. Vieles von der Person Wallensteins liegt, nach Meinung des Autors, im Dunkeln und viele Fragen werden auch niemals geklärt werden können. Gerade hierin liegt die Stärke dieser Biographie. Diwald gibt unumwunden zu, das in den historischen Quellen selber Lücken auftreten, deren Vorhandensein auf keinen Fall mit Spekulationen aufgefüllt werden dürfen.
Gerade bei einer so umstrittenen Person wie Wallenstein ist die Forschung schnell dazu bereit, eine fehlende Quelle durch eine Spekulation zu ersetzen. Fest steht, da? Wallensteins nachweisbarer Reichtum einerseits aus seinen Ländereien in Böhmen und andererseits durch eine damals durchaus übliche Heirat mit einer älteren, aber vermögenden Frau stammte. Doch auch diese Tatsachen erklären nicht hinreichend seine immensen Aufwendungen im weiteren Verlauf des Krieges.
Seine Vision ist es, ein befriedetes Reich zu schaffen. Damit steht er öfter im Konflikt mit Ferdinand II. und seinen einflußreichen Beratern. Für sie stand die Rekatholisierung Mitteleuropas im Vordergrund. Dies lehnte Wallenstein, obwohl Heerführer der katholischen Liga, ab. Daraus wurde einer der Gründe, weshalb er zuerst abberufen und dann, nach seiner Wiedereinsetzung ermordet wurde.
Diwald sieht in Wallenstein eine moderne Persönlichkeit, mit allem ihrem Widersprechen und verschieden Facetten. Wallenstein ist deshalb ein so guter Heerführer, weil es nicht ausschließlich militärisch, sondern politisch denkt. Er steht dem vordergründig religiös motivierten Kampf indifferent gegenüber.
Es ist immer ein heikles Unterfangen, einem Menschen nach seinem Tod Motive für seine Handlungen zu unterstellen. Diwald sieht in Wallenstein einen Visionär, der die Vorstellung von einem geeinten, wirtschaftlich starken Mitteleuropa, welches zugleich die Ostsee beherrschte, hatte. Diwald drückt es folgendermaßen aus: „Wallenstein ist einer der ersten in der Moderne, der den gelenkartigen Zusammenhang der Dinge untereinander begreift, das wesensmäßig notwendige Ineinanderspiel von Landwirtschaft, Gewerbe, Handel, Finanzen, Politik und Krieg“. Die Frage, ob dies unter Habsburgischer oder seiner eigenen Führung geschehen sollte, läßt Diwald offen. Tatsache ist, daß sich Wallenstein, zuerst Kaiser Ferdinand II. loyal gegenüber, im Verlauf des Krieges immer mehr seinen eigenen, von der Politik der Liga differierenden, Positionen näherte.
Wie alle geschichtlich-hypothetischen Fragen nach dem „Was wäre wenn...?“, bleibt Diwald auch hier seiner Maxime des nicht-spekulativen treu. Nur manchmal klingt so etwas wie Bedauern an, das es Wallenstein nicht gelungen sei, seine Pläne zu verwirklichen. Für die politische Führung unter Ferdinand II. zeigt der Autor nur Verachtung. Immer schwankend zwischen den Manipulationen seiner Berater und dem Können seines Feldherren, befahl er letztendlich die gewaltsame Ablösung Wallensteins.
Der Krieg, bis dahin schrecklich wie alle Kriege, eskalierte noch mehr zu einem wahrhaft europäischen Krieg auf deutschem Boden. Aus religiöse und vermehrt aus politischen Gründe geführt, verwüstet er auf lange Zeit das Kriegsgebiet. Die deutschen Länder brauchten Jahrzehnte, um sich von dieser Katastrophe zu erholen.
Hellmut Diwald schreibt äußerst kenntnisreich und mit viel subtilem Humor über das Leben von Wallenstein. Es bereitet etwas Mühe, sich an die manchmal etwas „barocke“ Art seines Schreibstils zu gewöhnen, aber wem das gelungen ist, der hat eine Lektüre vor sich, die ihn fesseln wird.
Die Frage, ob Europa anders aussehen würde, wenn die Ziele Wallensteins realisiert worden wären, muß jeder Leser selber entscheiden. Diwald jedenfalls ist dieser Meinung.“
Ernst Moritz Arndt Das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins
Anmerkungen zu Diwald Werk „Ernst Moritz Arndt – Das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins“, in: Hellmut Diwald – Sein Vermächtnis für Deutschland – Sein Mut zur Geschichte, Rolf-Josef Eibicht (Hrsg.), Hohenrain Verlag, Tübingen, 1994, von GERHARD FRÖHLICH.
„Arndts 100. Todestag (1960) und 200. Geburtstag boten Anlaß zu den unterschiedlichsten Urteilen. Letzteres (1969) kann als zweites Anklopfen verstan- den werden, an einen Ungeliebten erinnert zu werden. Immerhin entledigte sich die Bundespost mit einer Gedenkmarke ihrer Pflicht. Auch erschienen in Greifswald und Bonn zwei voluminöse, aber notwendigerweise wenig publikumswirksame Bibliographien. Doch schon ein Blick in die Mikrofitsch-Datei der größten Münchner Bibliothek zeigt einen Autor, der nur noch ein Reiseschriftsteller oder Märchenerzähler sein kann. Oben genannte Datei läuft seit 1981. Seit Armin Mohlers kleiner Bibliographie (Criticön78/1983) über Diwalds Autorenporträt E. M. Arndtist das Rinnsal scheinbar ganz versiegt. Im Buchhandel entdeckten wir mit Glück die oben angedeuteten marginalen Schriften.
Nennenswert für die erste Hälfte der siebziger Jahre bleibt eine dreibändige Brief Sammlung, herausgeben von A. Dühr (Darmstadt 1972-76), und ebenfalls für den näheren Sachkenner gedacht die SpezialUntersuchung von K. H. Schäfer E. M. Arndt als politischer Publizist (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Bd. 13,1974). Ersteres Werk bedurfte einer Bezuschussung durch die deutsche Forschungsgemeinschaft. Wo bleibt, fragen wir uns, der eigentliche Arndt?
Im RIAS-Berlin hielt Walter Bußmann am 24. 1. 1960 einen Vortrag über Arndt anläßlich des 100. Todestages1. Er umriß die »Eigentümlichkeit und Problematik des deutschen Nationalgefühls« und betonte Arndts »Wunsch nach Einheit und Freiheit«. Herausfordernd war die Zwischenüberschrift: »Kurzer Katechismus für deutsche Soldaten - auch heute noch lebendig«. Mit dieser Thematik hatte er aber schon schärfste Kritik herausgefordert. Schon am 18. Mai 1960 fuhr Ernst Weymar mit einer Unmenge trefflich ausgesuchter Zitate schweres Geschütz auf.2
Auch in der bekannten Reihe des Musterschmidt-Verlages »Persönlichkeit und Geschichte« beginnt der Biograph Johannes Paul3 vorsichtig tastend in einem Vorwort: »Gerecht werden kann ihm nur, wer sich bemüht, ihn ganz aus seiner Zeit heraus zu verstehen und wer seinen schweren inneren Kämpfen um den richtigen politischen Standpunkt folgt.« Etwas entschuldigend begründet Loh sein an sich gründlich gearbeitetes Buch mit den »treffsicheren Formulierungen« Arndts, die »in den deutschen Sprachschatz übergegangen«. Viele seiner Lieder würden »heute noch bei festlichen Anlässen auch im Gottesdienst gesungen«. Diwald4 geht in seinem Vortrag von 1970 von einer persönlichen Bemerkung Arndts aus: »Als Deutschland durch seine Zwietracht nichts mehr war, umfaßte mein Herz seine Einheit und Einigkeit«, und bezeichnet- nach insgesamt dreimaliger Zitierung - diesen Satz als das Schlüsselwort. Nach den Schlachten von Austerlitz und Jena wandelte sich Arndt vom schwedischen zum deutschen Patrioten, und Arndt-Forscher haben schon nach jenem Brief oder Tag gesucht, wo dieser Wandel sich andeutet.
Diwald muß 1970 vom Stacheldraht sprechen, der von der Lübecker Bucht bis zum Fichtelgebirge Deutschland trennt, und fragt in seiner genialen und bilderreichen Art, ob Arndt der richtige Mann ist, unser Lob zu empfangen, wo wir anfangen, zwei deutsche Staaten endgültig anzuerkennen. Nationalbewußtsein gebe es nur noch zwischen »Großmütterchens Märchen und rechtsradikalen Prügelknaben« (S. 8). Mehr als ein »Briefwechsel zwischen hüben und drüben« sei für den Großteil der Bundesrepublik ohnehin nicht möglich. Diwald vergleicht die Rolle des Pantheon mit der Walhalla und kommt zu dem Ergebnis, daß es nicht mit geographischen Schwierigkeiten allein zu tun haben kann, wenn ersteres in Paris öfter besucht wird als letzteres auf dem Hochufer bei Donaustauf. Wir haben es vielmehr mit »Komplikationen des nationalen Innenlebens« zu tun, die den Deutschen seit »vielen Jahrzehnten« zu schaffen machen. Noch schlimmer sieht es um die Befreiungshalle bei Kelheim aus, die zur Erinnerung an ein »massives Politikum« errichtet worden ist.
Da Kleist einen traurigen Tod im Wannsee gestorben ist, sind wir mit seinen Versen in der Hermannsschlacht nachsichtig, auch mit Fichtes Reden an die deutsche Nation sind wir nachsichtig, da sie »ideal gemeint« sind, doch für Arndt soll das nicht gelten, meint Diwald weiter. Doch auch Arndt habe unter den »Voraussetzungen und Zwängen seiner Zeit« geschrieben. K.H. Schäfer5 spricht von »nationaler Frömmigkeit« (S. 141) als Charakteristikum der Arndtschen Kriegspublizistik, und viele Arndtinterpreten hätten nur den »deutschen Geist« als Arndts Vermächtnis gelten lassen und damit eine »Überspitzung Arndts nochmals überspitzt«. Schäfer meint, daß die christlichen Emeuerungsversuche, die uns bei Arndt begegnen, meist unterschlagen werden. Schäfer zitiert den Arndt-Forscher Günther Ort6, daß Arndt in religiösen Fragen zeitweise »viele religiöse Seitenwege« beschriften habe, die oft »unkontrollierbar und anerkanntermaßen Irrwege gewesen sind« (S. 138).
Man muß Arndts Lebensweg erzählen, um ihn verstehen zu können. Auf der Insel Rügen 1769 geboren, war sein Großvater noch leibeigener Schäfer, und erst sein Vater hatte sich im Laufe seines Lebens mit großem Fleiß emporgearbeitet und vom schwedischen Grafen Malte-Putbus die Freiheit erlangt. Vorpommern mit Rügen gehörte seit dem Westfälischen Frieden zu Schweden. Ernst Moritz konnte das Gymnasium in Stralsund und dann 1791 als Student der Theologie die Universität Greifswald besuchen und wechselte 1793 nach Jena. Mit 20 Jahren hatte er einen regelrechten Ausbruchsversuch von zu Hause unternommen, war durch Zufall erkannt und zurückgebracht worden. 1796 legte er in Greifswald sein Examen ab. Im Frühjahr 1798 begann Arndt eine Fußtour respektablen Ausmaßes, die ihn durch ganz Deutschland, Österreich, Ungarn, Norditalien, Frankreich und Belgien führte. Dabei sah er in Norditalien Napoleon nach der siegreichen Schlacht von Marengo und war von ihm aufs höchste beeindruckt. Noch folgte Arndt seinem »naturhistorischen Trieb« und einem »Einfall von Gott«. Er lernte die Menschen und Völker kennen, aber nicht nur in der damals üblichen Kavalierstour.
1800 sehen wir Arndt als Professor der Geschichte in Greifswald. Sein Erstlingswerk prägt ihn zeitlebens: Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen nebst einer Einleitung in die alte deutsche Leibeigenschaft. Die schöne Frucht seiner Schrift war die Aufhebung der Leibeigenschaft in seiner Heimat. Von allen seinen Schriften war dies die historisch exakteste, doch die Maßstäbe eines Niebuhr und Ranke galten auch für sie nicht so recht. Aus dem Aufstieg seiner eigenen Familie sah Arndt, daß dies noch die Ausnahme war, aber es war für ihn der Staat dazu da, glückliche Menschen zu machen und den Menschen in der Gemeinschaft zu veredeln. Der damals 33jährige Amdt unterschied sich von den Romantikern seiner Zeit mit ihrer weltbürgerlichen Stimmung. Auch Arndt war vorübergehend in diese Stimmung eingetaucht, und er verehrte sogar, wie wir wissen, Rousseau. Bußmann weist darauf hin, daß Individuum und Menschheit bei Arndt immer ihren Wert behielten. Aber Arndts Ausgangspunkt war von Praxis und Erfahrung so gesättigt, daß bei ihm die volksnahe Gesinnung obsiegte und eine abstrakte Staatsvergötterung wie bei Treitschke nie eintrat. Der Ausspruch Treitschkes, daß Millionen sich plagen müssen, damit einige Tausend Kultur schaffen und genießen können, können wir uns bei Arndt nicht vorstellen. Arndt bleibt in der Nähe des Bodens, ohne ihn zu mystifizieren.
Inzwischen hatte der Frieden von Luneville Frankreich die Rheingrenze gebracht, und das europäische Staatensystem begann, überall durcheinander zu geraten. Aus Arndts Vorlesungen heraus entstand so das Buch Germanien und Europa, dessen Manuskript am 22. November 1802 abgeschlossen war. Das Buch will zeigen, wie die europäische Kultur und vor allem die jetzige Weltlage entstanden sind. Zugleich zeigt Arndt die Möglichkeiten, die Verzweiflung zu überwinden. Die Griechen traten ohne Kummer und Klage als spielende Kinder von der Weltbühne ab. Roms Herrschaft bedeutete eine Niederdrückung des anmutigen und beschwingten Menschentums. Die Römer beherrschte die Idee der Unsterblichkeit der ewigen Stadt. Entgötterung der Natur und Entmenschung des Menschen waren die äußersten Pole einer zuchtlosen Zeit. Da trat das Christentum in die Welt. Sein Stifter war ein Gegner religiöser Formeln, und er knüpfte, um sich verständlich zu machen, an die alten Begriffe hebräischen Gottesdienstes an. Als das Christentum Staatsreligion wurde, begann die »Klüngelei und Wortklauberei«. Die Germanen empfingen das Christentum als verknöcherten Orientalismus. Not getan hätte ihnen die veredelnde Schönheit des Hellenismus, denn sie waren Kinder einer rohen Vorgeschichte und einer unfreundlichen Natur. Die Scholastik bezeichnet Arndt als einen »Zuchtmeister«7 (Müsebeck, S. 103) nicht auf die von Christus gewollte Freiheit, sondern auf die sklavische Knechtschaft des Menschenherzens. In diesem teilweise sicherlich eigenwilligen Weg beurteilt Arndt Renaissance, Reformation und zuletzt das 18. Jahrhundert. Dieses aber hatte Arndt selbst, wie er sagt, 30 Jahre durchlebt. Durch die zerstückelnde Arbeit der Kritik verlor der Bürger das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu einem untrennbaren Volksganzen. Der Siebenjährige Krieg besiegelte das deutsche Elend, die »Vielherrschaft«.
Arndt nähert sich in seinen Betrachtungen der Gegenwart. Daß er in Frankreich Ordnung schaffte, dafür gebührt Napoleon Lob. Frankreich hat aber wieder seinen alten Despotismus. An der Außenpolitik bemängelt Arndt den Versuch, einen Strom und ein Gebirge zu einer Grenze zu machen. Die erste Naturgrenze sei, daß jedes Land sein Meer bekomme und die zweite die Sprache. Schon erörtert Arndt die Unmöglichkeit des Rheins als Grenze. Napoleon ist für ihn ein Emporgekommener. Er ist eine gewaltige Naturkraft, die selbst Widerstrebende zum Gehorsam zügelt. Plötzlich lesen wir Mein altes Vaterland - es ist zertreten.
Arndt beschreibt nun, wie er sich sein Vaterland in seinen Naturgrenzen vorstellt. Im Süden sind das die Alpen und die Nordecke des adriatischen Meeres mit dem größten Teil der Schweiz. Im Norden ist das die Eider und die Ostsee. Im Osten nennt er die jetzige politische Grenze, weil dies die Sprachgrenze meist darstellt. Dieses Land aber ist zerrissen durch die Vielherrschaft. Deutschland ist durch die Kriege der letzten Jahre zum Spott Europas geworden (Müsebeck, S. 114). Durch die Schwäche Deutschlands wird der ganze Kontinent an den Rand des Verderbens geführt. Wörtlich schreibt er: »Nur wenn wir ein Vaterland, wenn wir die hochmenschlichen und hochpolitischen Ideen eines eigenen, einigen, kräftigen Volkes hätten, würden wir stehende Sitten, festen Charakter und Kunstgestalt gewinnen; dann nur könnte das Höchste und Herrlichste der Menschheit aus solchen irdischen Wurzeln zu schimmernden Sonnenwipfeln erwachsen.« (Müsebeck, S. 114) Ein zeitgenössischer Rezensent stellt in Arndts Buch »kühne Unbefangenheit«7 fest. Das Buch sei eine einzige Rede, die in einem Atem und in einem Feuer gesprochen wurde. Arndt selbst urteilte später im Rückblick: »Ich bin so geboren, daß ich reden und sprechen muß, damit meine Gefühle und Gedanken sich ordnen.« (Müsebeck, S. 115) Arndt empfand die Not der Zeit als eigene Not. Aus dieser Not heraus erhielten seine Gedanken über Mensch und Staat eine schärfere Ausprägung.
1803 und 1804 unternahm Arndt Reisen nach Schweden, die er in zwei Bänden beschrieb und die die bis heute modische Nordlandsehnsucht der Deutschen förderten. Der schwedische König Gustav IV. Adolf war mit einer badischen Prinzessin verheiratet, und als dieser im Februar 1805 von einer Deutschlandreise nach Stockholm zurückkehrte, war eine Entfremdung zwischen Monarch und Volk eingetreten. Wegen der Opposition zu Napoleon geriet das Haus Wasa allmählich ins Wanken. Arndt verließ Schweden und kehrte in seine Heimat zurück.
Mit Beginn des Winters 1804/05 nahm Arndt seine Vorlesungen wieder auf. Am 11. April 1805 schlössen Alexander! von Rußland und Englands leitender Minister William Pitt ein Kriegsbündnis. Gustav IV. Adolf war dieser Koalition schon bei den Vorverhandlungen beigetreten. Frankreich sollte gezwungen werden, den Rhein und die Mosel anzuerkennen und seine Besitzungen in Italien aufgeben. Preußen stand abseits. Es hoffte, ein Vermittler zwischen l dem Westen und dem Osten zu bleiben. Bei der Leitung der auswärtigen preußischen Angelegenheiten wurde Graf Haugwitz durch Hardenberg ersetzt.“ …
…“ Als Mitarbeiter des Freiherrn vom Stein umfaßt die Publizistik Arndts von St Petersburg aus eine schier unglaubliche Fülle und Wirksamkeit. Am testen wurde wohl der Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann.
Amdt verstand es, die politischen Gegenstände volkstümlich zu formulieren Diwald nennt Arndt in seinem Vortrag einen »penetrant einseitigen homo politicus «(S. 32). Er hätte anders keine Wirkung gehabt. Wie kein anderer habe Nerv politischen Handelns in seiner Zeit begriffen. Zugeben muß man daß Arndt so manche treffende Formulierung gefunden hat, wie »Der der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte«, »Das ganze Deutsch soll es sein« oder sein Lied »Was ist des Deutschen Vaterland?«, das lange Nationallied der Deutschen gelten konnte. Daß Arndt wenige Jahre nach des äußeren Kampfes Opfer der Metternichschen Demagogenverfolgung wurde, darf als bekannt vorausgesetzt werden
Vorausgegangen war Sands Attentat auf Kotzebue am 23. März 1819. Arndt verliert seine Professur in Bonn, und der Prozeß gegen ihn zieht sich jahrelang hin. Eine große Genugtuung war für ihn die Rehabilitierung durch König Wilhelm IV. im Jahre 1840. 1848 zieht der fast 80jährige für den Wahlkreis Solingen in die Paulskirche ein. Er gehört jener Delegation an, die im Juni 1848 den Reichsverweser Erzherzog Johann empfängt, und auch jener Delegation die Ende März 1849 König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anträgt. 1842 hatte er den preußischen Roten-Adler-Orden erhalten. Sein 90. Geburtstag, den er in geistiger Frische feiert, beweist, daß er nie in Vergessenheit geriet, obwohl er schon seit seiner Professur von 1818 als der »alte Arndt« galt.“ Gerhard Fröhlich
Die Anerkennung Bericht zur Klage der Nation
Inhaltsangabe:
Wie die teutsche Nation als Spielmarke konfessionellen Haders entstand – Ein Reich von 234 Staaten – Große Ereignisse werfen ihre Schlachten voraus – Ein Preußen, das sich Deutschland nennt – Wenn Du Die Nation willst, bereite den Krieg vor – Götterdämmerung und Begriffsverwirrung ohne Ende – Eiserner Status quo – Macht die Weltgeschichte um Westdeutschland einen Bogen? – Das evangelische Dynamit – „Die Gegenwart ist nun, dank Deiner väterlichen Fürsorge, eine schönere denn jemals“ – Antithesen: Kommunistisches Gewaltregime, revanchistischer Separatstaat – Allianz, Mesalliance – Das Fell des Bären – Der Mauerbau als „humanitärer Akt“ – Die Westdeutschen sind nur teilweise unsere Brüder und Schwestern – Einheit der Nation? – Botschafteraustausch ohne Anerkennung? – Abschied von Deutschland
Die Anerkennung ist eine Realität. Des Professors Diwald Bericht zur Klage der Nation in: Frankfurter Rundschau, 13.06.1970, von HEINZ BRÜDIGAM.
„Das Buch „Die Anerkennung — Bericht zur Klage der Nation“ von Hellmut Diwald, Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Erlangen und Autor einer Wallenstein-Biographie, verdient deshalb besonderes Interesse, weil Diwald offensichtlich nicht zu den Anhängern der sogenannten „Anerkennungspartei“ gehört. Durch seine Interpretation der deutschen Geschichte kommt er zu dem Schluß: „Wir müssen den Konkurs einer Epoche anmelden, die am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses begann, und wir merken es nicht einmal. Oder wir wollen es nicht merken; das ist weit schlimmer.“
Auch wer sich mit den historischen Ausflügen Diwalds, die von der traditionellen bürgerlichen Geschichtsschreibung geprägt sind, nicht anfreunden kann, wird sich seinen Konsequenzen anschließen müssen. Sein historischer Rückblick beginnt bei Luther in Erfurt 1521, und es ist davon die Rede, daß seit dem Protestantismus die verhängnisvolle Zertrennung des deutschen Reiches begann: „Mit Luther beginnt die Zweigleisigkeit der deutschen Geschichte, zweierlei Glaube, zweierlei Territorien, zweierlei Kultur.“
Zu den Konsequenzen des Historikers Diwald aus der deutschen Geschichte gehört: „Was bei den Gesprächen zwischen den Regierungschefs der Bundesrepublik und der DDR zur Debatte steht, ist und bleibt das simple, das ungeheuer simple Faktum der Anerkennung. Der Anerkennung des mitteldeutschen Staates als einer autonomen, völkerrechtlichen Größe. Welche Windungen auf dem Weg dorthin noch vollzogen, welche gegenläufigen Bewegungen durchgestanden, welche Barrieren fortgeräumt werden müssen, wieviel Monate oder Jahre bis dahin noch verstreichen: die Anerkennung ist seit der Gründung des zweiten Deutschen Reiches durch Bismarck das einschneidendste, das folgenschwerste Ereignis unserer Geschichte. Diese Anerkennung ist schon heute eine Realität.“
Diwald verhehlt nicht, daß er kein Freund der DDR und ein Gegner des Sozialismus ist. Doch konstatiert er nüchtern, daß „es im jetzigen Stadium nicht mehr von Bonn abhängt, ob die DDR sich selbst als ein solches Völkerrechtssubjekt versteht oder nicht“. Realistisch ist auch die Feststellung: „Jeder, der heute noch in einem konkreten Sinn von der .Einheit der Nation' spricht, weiß nicht, wovon er spricht; oder er spricht wider bessere Einsicht.“
Obwohl Diwald Adenauers Politik im Prinzip gutheißt, stellt er im Zusammenhang mit der sowjetischen Friedensvertragsnote vom 10. März 1952 folgende Fragen: „An dieser Note ist nicht der Ernst oder die Unverbindlichkeit des Angebots wichtig. Wichtig allein ist die Frage, ob für Bundeskanzler Adenauer diese Trumpf karte, die es ihm ermöglicht hätte, seine Politik ein für allemal durch einen direkten Beweis zu rechtfertigen, wirklich so gleichgültig war, daß er gar nicht erst prüfte, ob sie gezinkt war oder nicht? War er aus Überzeugung, aus Selbstbewußtsein oder aus Selbstherrlichkeit so gleichgültig? Oder fürchtete er etwa, daß Stalin es mit diesem Angebot ernst meinte?“
Diwald führt eine Reihe von Argumenten dafür an, wie von der Bundesrepublik aus die deutsche Einheit verspielt wurde. In zusammenfassenden Sätzen liest sich das so: „Die Vokabel vom Alleinvertretungsanspruch wurde um so fahler, je weniger politisch in Richtung Wiedervereinigung etwas geschah und je feierlicher die Offiziellen, davon sprachen. Heute steht fest: Dadurch, daß seit 1949. nichts für die Einheit geschehen ist, ist alles gegen die Einheit geschehen.“ Oder: „Wir in der Bundesrepublik haben auf dem Altar des spätkapitalistischen Geschäfts das Herz und die Seele unseres Nationalbewußtseins ohne großes Bedauern in Rauch aufgehen lassen.“
In seinen Konsequenzen aus der deutschen Entwicklung nach 1945 führt Diwald auch das historische Beispiel Österreich an: „Der Österreicher zählt nicht zum deutschen Volk, bestenfalls zählt er sich zu der großen allgemeinen — wie man früher sagte: Kulturgermeinschaft der Deutschen. Da gibt es keine Reibungen. BRD, DDR und Österreich werden in Zukunft Staaten sein, die nur ihre Sprache und ihre Geschichte als Gemeinsamkeit haben und deren Bevölkerung deutschstämmig ist. Alles andere strotzt von Differenzen und Widersprüchen. Um der Klarheit willen sollte die .Bundesrepublik Deutschland' auch in der Titulatur mit der Tradition .Deutschland' brechen, sie sollte sich von der Bezeichnung trennen.“ Diwald schreibt weiter, daß nach der Anerkennung weder Grund noch Berechtigung zur Ausstattung mit diesem Wort bestehe. Als legitime Bezeichnung nennt er „Deutsche Bundesrepublik“.
Diwalds Überlegungen werden dazu beitragen, die deutschen Realitäten nüchterner einzuschätzen.“ Heinz Brüdigam
Trauer um Deutschland, in: DIE ZEIT, 26.06.1970, von KARL-HEINZ JANSSEN.
„Ein Historiker aus Erlangen verkündet den Tod der deutschen Nation. Seine schockierende Analyse der neuen Bonner Ostpolitik: Wer die DDR anerkennt, verzichtet endgültig aus das Selbstbestimmungsrecht. Muß die Bundesrepublik auf das Beiwort „deutsch“ verzichten? Braucht sie eine andere Nationalhymne?
Da kommt einer daher, der mit allem aufräumt, was den Deutschen in zwanzig Jahren lieb und teuer war, einer, der ausspricht, was nicht einmal Gustav Heinemann oder Herbert Wehner zu sagen wagen, einer der sich kein Brandsches X für ein Barzelsches U vormachen läßt, der Phrase Phrase nennt, alle Taschenspielertricks deutscher Ostpolitik durchschaut, kurzum, die Dinge bei ihrem Namen nennt.
Seine einzige Legimitation ist die eines Historikers, der die Courage hat, Objektivität mit Engagement zu verbinden und der Tagespolitik seine Erkenntnisse anzubieten. „Wenn es der Politiker nicht kann, der Staatsmann nicht will, der Parteichef nicht sieht, dann muß es der Historiker tun“, schreibt der Erlanger Professor und Wallenstein-Biograph in seinem brillianten „Bericht zur Klage der Nation“. Und so befindet er unumwunden: „Wir sind jetzt am Ende unserer Reichs- und Nationalgeschichte angekommen“ Wir müssen den Konkurs einer Epoche anmelden, die am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schloß begann, und wir merken es nicht einmal. Oder wollen es nicht merken; das ist weit schlimmer.“
Sein Traktat liest sich seitenweise wie ein Kommentar zur Bundestagsdebatte am 17. Juni. Oder auch zur letzten Deutschlandrede von Walter Ulbrichts.
Der Historiker Diwald setzt ein Beispiel. Er bekennt sich zur ganzen deutschen Geschichte dieser hundert Jahre, ohne salvatorische Klausel. Für ihn gehören sie alle dazu, die Säbelrassler und die Kriegsfreiwilligen, die Sozialdemokraten, und die Spartakisten, Rathenau so gut wie sein Mörder, Hitler so gut wie Stauffenberg. …
… Er predigt den „Mut zur Illusionslosigkeit vor allem dort wo die Illusion schon zur Ironie ihrer selbst geworden ist“ – nämlich in der Deutschland- und Ostpolitik aller Bundesregierungen seit 1949. Er zergliedert den Tabubegriff der „Wiedervereinigung“ und wirft den Westmächten vor, sie hätten im Deutschlandvertrag für etwas gestimmt, was sie unmöglich erreichen und auch gar nicht wollen können. „Nach Möglichkeit und Faktizität ist „Wiedervereinigung“ etwas vollständig irreales“
Diwald mag die Anerkennung keineswegs. Was sie bedeutet, hat so klar und eindringlich wie er noch nicht einmal die Opposition in Bundestag formuliert (wahrscheinlich, weil sie ebenso wenig einen Ausweg sieht wie die Regierung): Diese Anerkennung der Teilung Deutschlands ist
- „schon heute eine Realität“,
- „das folgenschwerste Ereignis unserer Geschichte“,
- der erklärte, kodifizierte Verzicht aus die Selbstbestimmung,
- ein kompletter Bruch mit der deutschen Geschichte (den die DDR schon 1945 vollzogen hat),
- ein Etikett schlechten Gewissens.
- „Wenn unsere Regierung die DDR völkerrechtlich anerkennt, dann muß sie wissen und es öffentlich aussprechen, daß sie sich damit von allen Prinzipien trennt, die seit den ersten Menschenrechtserklärungen in Europa und Amerika erkämpft worden sind.“
Es ist an Ironie nicht zu überbieten wenn der Autor fast im gleichen Atemzuge dem Bundeskanzler empfiehlt, er solle die Urkunde zur Anerkennung der Teilung am Reichsgründertag, also am 18. Januar 1971, unterzeichnen. Spätestens hier wird sich der schockierte Leser fragen, was Diwald mit seiner Streitschrift bezweckt. Will er die Bundesregierung noch im letzten Moment bremsen, ehe sie die Anerkennung sanktioniert? Oder will er die Bundesrepublik und das Volk der Bundesrepublik brutal auf den Weg stoßen, den schon Golo Mann im Winter aufgezeigt hatte: den Weg der Selbstanerkennung? Jedenfalls stellt er anheim, künftig die Formel „deutsch“ zu streichen und unserem Staate eine neue Bezeichnung zu geben, etwa Bundesrepublik West. Konsequent weitergedacht, muß sich Bonn dann auch ein neues Grundgesetz geben, das Deutschlandlied abschaffen, eine neue Fahne suchen.“ Karl – Heinz Janssen
Die Anerkennung, Bericht zur Klage der Nation, Katholisches Jugendwerk Österreichs, Studien – und Beratungsstelle für Kinder – und Jugendschrifttum, Gutachten Nr. 4689, 01.12.1970.
„Dieses Buch verdient größte Beachtung. Schon die Ausführungen über den Wert der Geschichte für die Gegenwart sollten für jeden Historiker, Soziologen und Politologen zur Pflichtlektüre gemachte werden“
„Gehalt: Das Buch ist ausgezeichnet gearbeitet, weist zahlreiche Zitate auf, die sehr geschickt gewählt wurden und besticht durch die Klarheit der Gedankenführung. Trotz kritischer Haltung Adenauer und Brandt gegenüber wird Diwald nie ungerecht.“
Deutsche und Politik, Die Anerkennung, in: Student, Nr. 17, Jan 1971.
„Anlaß war ein Disput mit dem Verleger, geschrieben und verlegt wurde das Buch in einem Tempo atemberaubender Besessenheit, als die „Neue Ostpolitik“ gerade sichtbare Gestalt annahm und der Kanzler nach Erfurt reiste. Die Rede ist von Hellmut Diwalds Band „Die Anerkennung“, der auch heute nichts von seinem Glanz und seiner Aussagekraft verloren hat, da sein Gegenstand, die Einheit der Nation oder das Deutsche Reich für immer zwischen Oder und Moskwa verscharrt zu sein scheint. Diwald holt weit aus, um zu zeigen, wie es zum „Konkurs unserer Epoche“ kam. Seine Darstellung beginnt mit Luther in Erfurt und den Folgen des konfessionellen Haders. Die wesentlichen Linien der deutschen Geschichte werden verfolgt und brillant abgehandelt. Die Nation, ihre Einheit und ihr Hader werden beschrieben bis zum Schlußpunkt, den die nach Diwalds Meinung de facto bereits vollzogene Anerkennung der Teilung bedeutet. Selten zuvor wurde die deutsche Politik der Nachkriegszeit, die der gegenwärtigen Regierung und ihrer gedanklichen und publizistischen Väter und Wegbereiter so beeindruckend kritisiert. Selbst die eindrucksvollsten Argumente der Opposition, die ebensowenig geschont wird, wirken ärmlich neben Diwalds Argumentationen, er dreht und wendet alle Ausflüchte, um sie als unsinnig zu verwerfen, nebenbei unterzieht er noch die innere Verfassung der Bundesrepublik und ihrer Bewohner einer ätzenden Kritik, die wenig übrigläßt. Für Diwald ist die Anerkennung vollzogen, die Einheit für immer verscharrt. Dieses Buch zu lesen bringt unwägbaren Gewinn, wegen der Fülle der Argumente, und besticht durch die Sprache, die Kunst der Darstellung und Gedankenschärfe. Zu hoffen wäre allerdings, daß Diwald sich in seiner abschließenden Diagnose irrte, er würde das selbst wohl am wenigsten bedauern.“
Bericht zur Klage der Nation, reißerisch oder gekonnt, in: „Literaturspiegel, 3/1970, von Re.
„Bismarck schreibt Anfang 1869 an den preußischen Gesandten in München „Hinter der wortreichen Unruhe, mit der Leute außerhalb der Geschäfte nach dem Stein der Weisen suchen, der sofort die deutsche Einheit herstellen könne, verbirgt sich in der Regel eine flache und jedenfalls impotente Unbekanntschaft mit den Realitäten und ihren Wirkungen. Wir können die Uhren vorstellen, die Zeit geht aber deshalb nicht rascher und die Fähigkeit zu warten, während die Verhältnisse sich entwickeln, ist eine Vorbedingung praktischer Politik.“ (S. 55)
Wie zeitlos aktuell dieser mehr als hundert Jahre alte Satz ist, wird eindringlich klar, wenn man Diwalds Essay gelesen hat. Luther, Bismarck und Adenauer sind die Schaltfiguren der deutschen Trennung geworden. In bissiger und nichts verschleiernder Sprache durcheilt der Verfasser die Geschichte der deutschen Einheit und Spaltung, dieser zwei Seiten derselben Münze, von 1521 bis zum Erfurter Treffen zwischen Brandt und Stoph. Die Flut von Zitaten (großartigen, z. T. wenig bekannten) hätte eines wissenschaftlichen Apparats bedurft, auch wenig geübte Leser wären nicht verwirrt worden. In jedem Falle hat Diwald für Utopisten und Realisten auf dem Felde der verlorenen Einheit einige Stammbuchsprüche, die bis unter die Haut gehen. Eine glasklare Analyse des im Augenblick der Drucklegung erst geplanten Gewaltverzichtabkommens mit der Sowjetunion im Schlußkapitel darf als meisterlich angesprochen werden. Die Zwischentitel sind nicht weniger reißerisch als der Buchtitel, aber gekonnt, Treitschke, Ranke und Co. würden sich im Grabe umdrehen!“ Re
Bericht zur Klage der Nation, in: Bremer Nachrichten, 16.02.1971, von HILMAR BÖRSING.
„Man muß das Buch gelesen haben. Viele werden es begrüße, noch mehr möglicherweise ablehnen. Alle aber dürften es mit Gewinn aus der Hand legen, denn sie werden die beklagenswerte Lage der Nation nüchterner sehen als zuvor.“ Hilmar Börsing
Ernst Ludwig von Gerlach Von der Revolution zum Norddeutschen Bund
Klappentext des Verlages zur Originalausgabe
„In jüngster Zeit hat das Phänomen „Preußen“ zunehmend größere Aufmerksamkeit geweckt: teils wegen des neu einsetzenden Interesses an der Geschichte des letzten Jahrhunderts, teils weil Preußen selbst — auf Grund der Ergebnisse eindringlicher, differenzierter Untersuchungen — nicht mehr in den Rahmen der früheren Klischeevorstellungen paßt. — Die beiden vorliegenden Bände setzen diese jüngste Tradition einer nüchtern abwägenden Sicht unserer Geschichte fort.
Es handelt sich um eine Quellenedition aus einem der größten deutschen Privatarchive, dem Nachlaß Ernst Ludwig von Gerlachs, der trotz der Gefährdung des Zweiten Weltkriegs gerettet werden konnte. Gerlach war als Schöpfer und Leiter der Konservativen Partei Preußens im 19. Jahrhundert, als Gründer der berühmten „Kreuzzeitung“ einer der markantesten politischen Köpfe und zusammen mit seinem Bruder Leopold von Gerlach treibende Kraft der sogenannten „Kamarilla“ König Friedrich Wilhelms IV.
Im ersten Band wird das Originaltagebuch E. L. v. Gerlachs aus der Zeit von 1848 bis 1866 veröffentlicht und damit ein Material zugänglich gemacht, das von höchstem historischen Interesse ist, da sich in ihm alle Tendenzen und politisch-geistigen Kräfte der restaurativen Ära nach der 48er-Revolution und der ersten politischen Etappe Bismarcks bis zum Bruderkrieg mit Österreich 1866 widerspiegeln. Der zweite Band enthält die wichtigsten, bisher ebenfalls unbekannten Briefe der preußischen Hochkonservativen aus dem gleichen Zeitraum, vor allem die Briefe Leopold von Gerlachs, des Generaladjutanten und Intimus’ Friedrich Wilhelms IV., an seinen Bruder Ludwig. Ferner werden in diesem zweiten Band zahlreiche Denkschriften, Aufsätze, Gutachten, Memoranden usw. veröffentlicht.
Das ganze Werk ist seit 1945 die umfangreichste Publikation der „Historischen Kommission“ an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. — Erst auf Grund dieser Edition wird ein unvoreingenommenes Urteil über eine der wesentlichsten Parteien Preußens, aus der auch Bismarck hervorgegangen ist, möglich. Mit ihr wird deshalb ein gewichtiger Beitrag zum Verständnis unserer jüngsten Vergangenheit geleistet.“
Von der Revolution zum Norddeutschen Bund, in: Deutsche Literaturzeitung für Kritik der internationalen Wissenschaft (Herausgegeben im Auftrage der Akademie der Wissenschaften der DDR), Jahrgang 96, Heft 3 — März 1975, von HELMUT BLEIBER, Berlin:
„Ernst Ludwig von Gerlach war in der Mitte des 19. Jh. zweifellos eine der markantesten Erscheinungen im Lager der preußischen Konservativen. Für jeden, der sich mit dem Kräftespiel der Klassen in Preußen und insbesondere mit den politischen Bestrebungen der reaktionärsten Repräsentanten des preußischen Adels in den Jahren 1848 bis 1866 beschäftigen will, bietet die vorliegende Veröffentlichung eine Fülle bemerkenswerten und aufschlußreichen Materials.
Die politische Geschichte Deutschlands in den 50er und 60er Jahren des 19. Jh., in denen der Klassenkompromiß zwischen Adel und Bourgeoisie verwirklicht wurde, ist über viele Jahrzehnte hin ein bevorzugter Gegenstand der bürgerlichen deutschen Geschichtsschreibung gewesen. Im Mittelpunkt des Interesses stand eben die Realisierung des Klassenkompromisses zwischen Adel und Bourgeoisie, standen jene Kräfte, die dieses Bündnis der alten und der neuen Ausbeuterklasse aushandelten. Weitgehend unbeachtet blieben dagegen jene politischen Gruppen, die dieser Politik, welche vornehmlich mit dem Namen Bismarck verknüpft ist, entschiedenen Widerstand entgegensetzten. Das gilt vor allem für die Arbeiterbewegung und die kleinbürgerliche Demokratie. Es gilt bis zu einem gewissen Grade auch für die preußischen Konservativen, denen Bismarcks „Revolution von oben“ ein Greuel war.
Die veröffentlichten Quellen stammen vor allem aus dem Nachlaß E. L. v. Gerlachs. Der erste Band der Publikation (484 S.) enthält Tagebuchaufzeichnungen von Anfang März 1848 bis zum Jahresende 1866. In den zweiten Band wurden aus dem gleichen Zeitraum Briefe aufgenommen, die teils von E. L. v. Gerlach geschrieben, zum größeren Teil an ihn gerichtet wurden. Die letzteren stammen durchweg aus der Feder gleich- oder ähnlich gesinnter namhafter Konservativer. Darüber hinaus enthält der zweite Band Schriftstücke verschiedenen Charakters wie Memoranden, Aufsätze und Gutachten. Die große Mehrheit der Dokumente wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Der Hrsg. H. D i w a l d weist überzeugend nach, daß die im Jahre 1903 erschienenen „Aufzeichnungen“ aus dem Leben E. L. v. Gerlachs1) eine mehrfach retuschierte und insgesamt in wissenschaftlicher und editorischer Hinsicht unzulängliche Publikation sind. Dessen ungeachtet wurden in den „Aufzeichnungen“ bereits publizierte Auszüge aus dem Tagebuch in die neue Ausgabe in der Regel nicht aufgenommen. Die veröffentlichten Dokumente sind eine Auswahl aus dem umfangreichen Nachlaß E. L. v. Gerlachs. Von rund 4500 Briefen aus den Jahren 1848 bis 1866 wurden zum Beispiel etwa 700 in die Publikation aufgenommen. Bei der Auswahl aus dem Tagebuch, aus den Briefen und den anderen Dokumenten ließ sich der Hrsg. davon leiten, vorrangig Äußerungen zu politischen Fragen aufzunehmen, Kirchliches, Religiöses und Privates dagegen weitgehend auszulassen.
Die veröffentlichten Quellen enthalten bemerkenswertes Material zu einer Vielzahl von Fragen und Problemen. Als Beispiel für die teilweise neue Beleuchtung, die auf nicht wenige Sachkomplexe fällt, sei auf die Tagebucheintragungen und Briefe aus den ersten Wochen nach dem Sieg der Märzrevolution 1848 verwiesen. Bisher war in der Literatur nicht selten die Auffassung anzutreffen, die adlig-konservativen Kräfte hätten durch die Märzrevolution einen so nachhaltigen Schock erlitten, daß sie sich Monate hindurch aus einem Zustand politischer Lähmung nicht hätten befreien können. Erst die Niederschlagung des Juniaufstandes der Pariser Arbeiter hätte die aristokratisch-monarchische Reaktion auch in Deutschland eigentlich erst in Gang gesetzt. Als erster sichtbarer Beweis für die Sammlung und das Erstarken der Reaktion gilt dieser Ansicht das sog. Junkerparlament in Berlin am 18. und 19. August 1848. Demgegenüber haben bereits verschiedene Studien der letzten Jahre nachgewiesen, daß die Aktivität der aristokratisch-monarchischen Reaktion schon in den ersten Wochen nach der Märzrevolution einsetzte.2) Durch die Papiere E. L. v. Gerlachs wird das in eindrucksvoller Weise bestätigt. Gegen Mutlosigkeit und Resignation Front machend, begann dieser noch im März mit der Sammlung der Konservativen und speziell mit den Vorbereitungen zur Gründung einer konservativen Tageszeitung, die dann ab 1. Juli 1848 als „Neue Preußische Zeitung“ (Kreuzzeitung) zu erscheinen begann.
Den Quellen ist eine Einleitung (71 S.) des Hrsgs vorangestellt, in der E. L. v. Gerlachs Persönlichkeit, sein Weltbild, seine Rolle während der Revolution 1848, vor allem als Mitglied der Kamarilla, seine Tätigkeit als Führer der Konservativen in der zweiten preußischen Kammer in den 50er Jahren, der Konflikt mit Bismarck und seine zunehmende politische Isolierung in den 60er Jahren skizziert werden.
Hans-Joachim Schoeps und Gerhard Ritter werden als Initiatoren der Edition und Ratgeber genannt. Der Hrsg. bekennt sich ausdrücklich zum Anliegen von Schoeps. Seinen Arbeiten zur preußischen Geschichte falle „das nicht nur wissenschaftliche Verdienst zu, daß sie sich in einem entscheidenden Punkt gegen die Unsicherheit der Deutschen ihrer eigenen Geschichte gegenüber gerichtet, eine Ehrenrettung Preußens versucht und sich damit gegen den einfachen Abbruch einer großen Tradition ausgesprochen haben“ (S. 11).
Das Anliegen des Hrsgs besteht nicht gerade in einer Ehrenrettung E. L. v. Gerlachs, wohl aber in seiner Aufwertung. Er räumt zwar ein, „daß Ludwig v. Gerlachs christlich-konservatives Staatskonzept historisch nicht verwirklicht werden konnte“ (S. 70). Da die demokratische Alternative der Zuendeführung der bürgerlichen Umwälzung in seinem Blickfeld überhaupt nicht existiert, erklärt der Hrsg. die Bismarcksche Lösung als den einzig möglichen Weg zur Herstellung des bürgerlichen deutschen Nationalstaates. Jedoch: „Wer aber heute seine (Gerlachs; der Rez.) Konzeption noch einmal durchdenkt, wird sich nicht mehr ohne weiteres mit den Urteilen einer Epoche begnügen dürfen, in der Bismarcks Politik schlechthin als kanonisch galt. Er wird vielmehr den christlich-konservativen Protest Gerlachs gegen den Zeitgeist ernst zu nehmen und als historisch wirksame Potenz von geistigem Rang zu verstehen allen Anlaß finden.“ (S 70)
Hier wird auf eine unhistorische und logisch kurzschlüssige Art die historische Erfahrung von der Fragwürdigkeit der Bismarckschen Reichsgründung bemüht, um die konservativen Kritiker Bismarcks in günstigeres Licht zu rücken. Dieses Verfahren übersieht — wie Gerlach und sein Kreis — die Kleinigkeit, daß Bismarcks Politik des Aufgreifens bourgeois-liberaler Forderungen die einzige Möglichkeit war, den Adel und viele seiner politischen und ökonomischen Positionen ins bürgerliche Zeitalter hinüberzuretten. Es übersieht, daß die Belastung, die der von Bismarck wesentlich mit gezimmerte Klassenkompromiß zwischen Adel und Bourgeoisie für die weitere deutsche Geschichte darstellte, nicht in einem Manko an Konservativismus und Reaktion, sondern in einem Zuwenig an Demokratie bestand.
*) Ernst Ludwig von Gerlach, Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken 1795 bis 1877, hrsg. v. Jakob von Gerlach, 2 Bde, Schwerin 1903.
2) Konrad Canis, Leopold von Gerlach, in: Männer der Revolution von 1848, Berlin 1970, S. 463 ff.; ders., Der preußische Militarismus in der Revolution von 1848, phil. Diss., Rostock 1965; Manfred Kliem, Die Rolle der feudal junkerlichen Reaktion in der Revolution von 1848/49, in: Ztschr. f. Geschichtswiss. 17, 1969, S. 310 ff.; ders., Genesis der Führungskräfte der feudal-militaristischen Konterrevolution 1848 in Preußen, phil. Diss., Berlin 1966; Helmut Bleiber, Die Haltung der Parteien gegenüber der Landbevölkerung in der Wahlbewegung im Frühjahr 1848 in Schlesien, in: Jahrb. f. Geschichte 7, 1972, S. 407 ff.“ Helmut Bleiber
Politische Betrachtungen zu Diwalds Werk „Von der Revolution zum Norddeutschen Bund“, in: Hellmut Diwald – Sein Vermächtnis für Deutschland – Sein Mut zur Geschichte, Rolf-Josef Eibicht (Hrsg.), Hohenrain Verlag, Tübingen, 1994, von EUGEN HOFFMANN.
„Zu den Werken, die Hellmut Diwalds wissenschaftlichen Ruhm begründeten, zählen zwei in der Reihe »Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts« erschienene Dokumentarbände, die im Auftrag der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1970 erschienen. Wie so oft läßt das schlichte Äußere der Bände 46/1-11 kaum ahnen, welcher Arbeitsaufwand, über elf Jahre verteilt in ihnen steckt. Das knappe im Januar 1969 geschriebene Vorwort Hellmut Diwalds setzte den Schlußpunkt in einer wissenschaftlichen Angelegenheit, die, genau genommen, bereits im Jahre 1955 begonnen hatte. In jenem Jahre nämlich überantwortete der Kgl. Preußische Landrat a. D. Nikolaus von Gerlach, ein Enkel Wilhelm von Gerlachs, dem Direktor des »Seminars für Religions- und Geistesgeschichte« in Erlangen, Hans Joachim Schoeps, als kostbares Vermächtnis das Gerlachsche Familienarchiv zu treuen Händen. Es war kein Zufall, wenn damit eines der größten deutschen Privatarchive für das 19. Jahrhundert an den Erlangener Ordinarius ging; denn HJ. Schoeps war 1952 in seinem Buch Das andere Preußen. Konservative Gestalten und Probleme im Zeitalter Friedrich Wilhelms IV. mit einer bedeutenden Abhandlung über Ernst Ludwig von Gerlach und seine Brüder hervorgetreten. So stapelten sich in der Universität Erlangen die Bestände eines privaten Archivs, dessen Dokumente bis ins 15. Jahrhundert zurückreichten und das vor allem die Tagebücher Ludwig von Gerlachs sowie die Unmenge von über 15 000 Briefen von und an die Brüder Gerlach enthielt. Später wurde der Fundus durch sechs weitere Aktenpakete des »Parsower Zusatzarchivs« aus dem Besitz des Herrn Tessen von Gerlach mit weiteren wichtigen Materialien zum 19. Jahrhundert vervollständigt. Unverzüglich ging Professor Schoeps mit seinem Mitarbeiterstab an die Sortierung und Inventarisierung. Nach diesen Vorarbeiten konnte man mit der Auswertung beginnen. Wegen der Menge des Vorhandenen mußte eine Auswahl getroffen werden. Für sich selbst reservierte HJ. Schoeps die geistesgeschichtlich interessante Zeit der Jugend der vier Gerlachbrüder. Aus noch erhaltenen Dokumenten und späteren schriftlichen Lebensrückblicken formte er sein 1963 erschienenes Werk: Aus den Jahren preußischer Not und Erneuerung. Tagebücher und Briefe der Gebrüder Gerlach und ihres Kreises 1805-1820. Den Zeitraum des stärksten politischen Einflusses der beiden bedeutendsten Brüder - des Generals und des Präsidenten -, die Jahre 1818-1866, übernahm der Erlangener Privatdozent Dr. Hellmut Diwald. Das rechtsgeschichtlich bedeutsame Material aus der Zeit Ludwig von Gerlachs im Gesetzgebungsministerium Sa vignys wurde von H. Liermann und HJ. Schoeps in den Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Kl., Jg 1961, Nr. 14 unter dem Titel Materialien zur preußischen Eherechtsform im Vormärz. Aus dem Briefwechsel Savigny, Puchta und Bethmann Hollweg mit Ludwig von Gerlach publiziert. Ansonsten blieb die Zeitepoche vor 1848 ebenso weitgehend unbehandelt wie die letzten Lebensjahre Ludwigs von 1866 bis zu seinem Todesjahr 1877. Den Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an Diwald hatte Schoeps vermittelt, der mit seinen Anregungen bei Gerhard Ritter in der dafür zuständigen Historischen Kommission der Akademie auf offene Ohren gestoßen war. Auch Professor Gerhard Ritter war in Sachen Gerlach und der preußischen Hochkonservativen kein Unbekannter, da er 1911 in der Deutschen Revue die Altersbriefe Ludwig von Gerlachs an Adolf von Thadden und Moritz von Blanckenburg ediert und 1913 ein Buch über Bismarck und die preußischen Konservativen 1858-1876 veröffentlicht hatte. So fügte sich das eine zum anderen, und Diwald begann 1958, von den beiden erfahrenen Professoren fürsorglich beraten und unterstützt, mit der editorischen Arbeit, die immer wieder durch andere Arbeiten, Vorlesungstätigkeit und Buchprojekte unterbrochen wurde.
Bevor ich zu den Mühen Hellmut Diwalds zurückkehre, sind einige Erläuterungen angebracht. Selbst historisch Gebildeten sind mitunter die Brüder Gerlach und der um sie herumgescharte hochkonservative Kreis kein Begriff mehr. Die vier Gerlachbrüder Wilhelm (10.5.1789-20.8.1834), Leopold (17.9.1790-10.1.1861), Ernst Ludwig (7.3.1795-18.2.1877) und Otto (12.4.1801-24.10.1849) waren die Söhne des Chefpräsidenten der Kurmärkischen Kriegsund Domänenkammer, Karl Friedrich Leopold von Gerlach (25.8.1757-8.6.1813), der, von Hardenberg bei der Ernennung der neuen Oberpräsidenten übergangen, 1809 einstimmig zum ersten Oberbürgermeister Berlins gewählt worden war. Das Elternhaus wurde mehr vom Geist des höheren Beamten- und Gelehrtenrums geprägt als von dem des preußischen Landadels. Alle vier Brüder studierten Jura: Wilhelm in Halle, Göttingen, Heidelberg, seine Brüder in Göttingen, Heidelberg und Berlin. Mit Ausnahme des Jüngsten wurde ihnen die Hochromantik ebenso zu einem prägenden geistigen Erlebnis wie nachher die persönliche Teilnahme an den Befreiungskriegen. Geistig führte der Weg der Brüder über die »Christlich-Deutsche Tischgesellschaft« Achim von Arnims und die »Maikäferei« (benannt nach dem Wirt Mai des ersten Vereinslokals) mit Clemens Brentano schließlich in die pietistische Erweckungsbewegung und zuletzt in die lutheranische kirchliche Orthodoxie.
Wilhelm, der älteste, wurde 1830 Vizepräsident des Oberlandesgerichts in Frankfurt/Oder, einen Posten, den er bis zu seinem frühen Tod innehatte. Seinem persönlichen Eingreifen verdankte Turnvater Jahn den Freispruch in zweiter Instanz wegen demagogischer Umtriebe vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Otto, der jüngste, wandte sich, einem Jugendwunsch folgend, von der Juristerei der Theologie zu und bewarb sich 1834 beim König um die »beschwerlichste« der neugegründeten Berliner Pfarrstellen. Als »sozialer« Pfarrer der Elisabethkirche in einer Berliner Arbeitergegend entfaltete er eine aufopfernde »innere Mission« mit damals ganz neuartigen Methoden der kirchlichen Wohlfahrt- und Jugendpflege. Im Jahre 1847 wurde Otto, der zu den wichtigsten Autoren theologischer Lehrbücher seiner Zeit zählte, Hofprediger am Dom; starb aber bald darauf zu einer Zeit, als seine überlebenden Brüder eben auf dem Höhepunk ihrer Tätigkeit und ihres Einflusses standen. Leopold, der spätere General, besuchte ab 1803 die Academie Militaire, wurde aber als Fähnrich 1806 aus seinem Beruf gerissen. So sattelte er auf die zivile Laufbahn um und brachte es bereits zum Regierungsreferendar in Potsdam, als der Befreiungskrieg ihn in den militärischen Dienst zurückbrachte, dem er von nun an treu blieb. Er war ein liebenswürdiger Gesellschafter mit viel persönlichem Charme. Eine enge lebenslange Freundschaft mit tiefer gegenseitiger Zuneigung verband ihn mit dem Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV., in dessen Umgebung wir ihn 1826 als persönlichen Adjutanten erstmals in offizieller Funktion finden. Seit 1830 nahm er erneut an der täglichen Abendgesellschaft des Kronprinzen teil, während er seine militärische Laufbahn in verschiedenen Ämtern fortsetzte. Im Jahr 1850 wurde er zum Generallieutenant befördert und auch offiziell zum Generaladjutanten des Königs ernannt. Sein täglicher Kaffeevortrag beim König brachte ihm mehr Einfluß auf diesen, als mancher Ministerpräsident ihn besaß. Das Verhältnis des Königs zu seinem »Herzenspolte« war von vollem Vertrauen, das des Adjutanten von unbeirrbarer Treue zu seinem »wunderlichen Herrn« geprägt. Während der Revolution von 1848 kamen Leopold und Ludwig unverzüglich dem König mit einer Initiative zur Wiederherstellung der Stellung des Königtums zu Hilfe. Sie organisierten für ihren König einen handlungsfähigen zuverlässigen Beraterstab, eine Kamarilla, heute würden wir Küchenkabinett dazu sagen, mit dem sie die preußische Politik weitgehend beeinflußten und in ihre Hand nahmen. Auf ihre Initiative geht die Berufung des »Staatsstreich-Ministeriums« Brandenburg im Oktober 1848 ebenso zurück wie die historisch noch bedeutsamere Ernennung Bismarcks zum Bundesgesandten in Frankfurt. Das Ideal der beiden Brüder war die Aufrechterhaltung des deutschen Bundes und der Ausgleich mit Österreich.
Deshalb wirkten beide stark auf den König ein, die vom Frankfurter Parlament angebotene Kaiserkrone abzulehnen. In den Jahren 1849-1850 kämpften sie gegen Radowitz und seine Unionspolitik und trugen zur Abwicklung der Unionsverfassung, von ihnen spottisch »Charte Quasi-Gagern« genannt, bei. Die gänzliche Aufgabe der Unionspläne, als Österreich in Olmütz ultimativ die Wiederherstellung des alten Zustandes im Deutschen Bunde erzwang, wurde von Leopold und Ludwig nicht nur wegen der Vermeidung des Bruderkrieges begrüßt. Während des Krimkrieges setzten beide als Führer der »Kreuzzeitungspartei« gegen die »Wochenblattpartei« die strikte Neutralität Preußens im Konflikt durch. Das Bündnis der »Heiligen Allianz« gegen Revolution und »Bonapartismus« schien ihnen neben der Freundschaft mit England der passende außenpolitische Rahmen für eine konservative Ideenpolitik nach christlichen Grundsätzen zu sein. Zum Leben erwecken ließ sich die Heilige Allianz, wie beide sehr wohl einsahen, nach dem Krimkrieg jedoch nicht mehr. Leopold war als Militär und Diplomat eine ungewöhnliche Erscheinung. Geistvoll und hochgebildet, war er gleich seinen Brüdern ein völlig integerer und uneigennütziger Charakter. Die unstete Art seines Königs und der nur schwach ausgesprägte Durchsetzungswille Leopolds ihm gegenüber verhinderten jedoch einen gleichmäßig und dauerhaften Einfluß. Mit der Regierungsunfähigkeit Friedrich Wilhelms IV. 1857 endete die faktische Zugriffsmöglichkeit der Gerlachbrüder auf die preußische Politik. Leopold von Gerlach starb im Januar 1861 an den Folgen einer Erkältung, die er sich bei der Beerdigung seines Königs zuzog, als er stundenlang bei eisiger Kälte und heftigem Wind barhäuptig dem Trauerzug folgte.
Ernst Ludwig von Gerlachs Werdegang gleicht weitgehend dem seiner Brüder. Neben Jura studiert er noch klassische und neuere Literatur. Als Nachfolger seines Bruders wird er 1834 Oberlandesgerichtspräsident in Frankfurt/Oder. Wegen seiner Berufung in die Savignysche Gesetzgebungskommission erhält er 1842 seine Ernennung zum Staatsrat. Im Jahr 1844 wird er zum Präsidenten des Oberlandes- und Appellationsgerichtes in Magdeburg befördert, ein Amt, das er bis 1874 innehaben sollte, als er um seinen Abschied einreichte, weil er wegen Beleidigung Bismarcks in seiner letzten politischen Streitschrift zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Objektivität und unbeugsamer Gerechtigkeitssinn zeichneten den Juristen Gerlach aus. Beim Ausbruch der Revolution begann er mit organisatorischem Talent die Sammlung der konservativen Kräfte und gründete als ihr Sprachrohr 1848 die Neue Preußische Zeitung, die meist nur Kreuzzeitung genannt wurde. Als Haupt der äußersten Rechten wirkte Ludwig von Gerlach lange Jahre als Fraktionsführer der Konservativen Partei Preußens für seine »kleine, aber mächtige Partei«. Allerdings sollte man die Begriffe »Fraktion« und »Partei« nicht im heutigen Sinne geschlossener Organisationen verstehen, dergleichen gab es damals in den Parlamenten noch nicht. Ludwig war 1849 in der Ersten Kammer, 1850 im Unionsparlament und, historisch am bedeutsamsten, 1851- 1858 im Abgeordnetenhaus für die konservative Sache tätig. Bei Regierungsumbildungen wurde Ludwig von Gerlach mehrmals als Minister, einmal sogar als Ministerpräsident vorgeschlagen, aber es kam zu keiner Ernennung durch den König. Zwar wäre Ludwig der Verantwortung für solche Ämter nicht ausgewichen, aber er drängte sich nicht vor. Er sah seine eigentliche Aufgabe als Organisator und Vordenker der Konservativen im Landtag und hätte damals mit der Übernahme eines Staatsamtes auf diese Rolle verzichten müssen. Der Verlust seines Abgeordnetenmandats bei der Wahl von 1858 bedeutete praktisch sein Ausscheiden aus der aktiven Politik. Aber durch seine ausgedehnte publizistische Tätigkeit blieb er weiterhin einflußreich und der große alte Mann der preußischen Hochkonservativen. Bismarck unterstützte er während der Konfliktzeit mit dem Parlament durch ein juristisches Gutachten, das den Streit mit den Liberalen verschärfte. Zur »großen Gewissenserprobung« wurde für ihn der Verzicht Bismarcks auf eine wirkliche Rechtslösung während des Krieges gegen Dänemark. Zum endgültigen Bruch Gerlachs mit Bismarck kam es 1866 wegen dessen Kriegspolitik gegen Österreich. Der Krieg schien Gerlach gegen den Sinn der deutschen Geschichte geführt. Als Verrat aller bisherigen Grundsätze konservativer legitimistischer Politik verurteilte er die Annexionen Hannovers, Kurhessens, Nassaus und der freien Stadt Frankfurt durch Preußen. Zwar gelang es Bismarck rasch, seinen gefährlichen Kritiker zu isolieren, indem seine Anhänger ihm weitere Veröffentlichungen in der Kreuzzeitung und der evangelischen Kirchenzeitung unmöglich machten, aber der beginnende Kulturkampf führte Gerlach, der in vielem mehr ein Mann der Kirche als des Staates war, in die politische Arena zurück. Als aufrichtiger Freund der katholischen Kirche schloß sich der politisch heimatlos gewordene Lutheraner im Kampf für die gemeinsame Sache aller Konfessionen gegen den Omnipotenzanspruch des Staates als Hospitant dem Zentrum an. Der Unermüdliche erkämpfte sich im hohen Alter noch 1873 ein Mandat im preußischen Landtag und 1877 sogar ein solches im Reichstag. Am 18. Februar 1877 erlag Ludwig einem Schlaganfall, nachdem er wenige Tage zuvor bei einem Unfall von einem Postwagen überrollt worden war. Mit seinem für die Zeitgenossen überraschenden Tod endete das Leben eines Mannes, der zu den bedeutendsten Politikergestalten aus der Frühzeit des Parteiwesens zählt und schon damals als das lebende Denkmal seiner selbst, als unverwüstliches Überbleibsel einer schon längst abgelaufenen Epoche betrachtet wurde.
Eine Veröffentlichung aus den Originaltagebüchern Ludwig von Gerlachs mußte für die innere Geschichte der preußischen Hochkonservativen reichlichen Aufschluß liefern. Zwar hatte Jakob von Gerlach, ein Neffe Ludwigs, über seinen Onkel 1903 die zweibändigen Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken 1795-1877 veröffentlicht, allein er benutzte dazu, wie sich herausstellen sollte, nicht die Originaltagebücher. Auf Drängen seiner Neffen und Nichten führte Ludwig von 1867 an die von Leopold begonnene »Familiengeschichte« weiter. Als Unterlagen dazu zog er neben Briefen, Zeitungsausschnitten, Broschüren, Kammerreden seine eigenen Tagebücher und die seines Bruders Leopold heran. Ausschließlich aus dieser für den privaten Gebrauch gedachten Familiengeschichte filterte nun Jakob seine Aufzeichnungen heraus. Dabei nahm er verständlicherweise taktvoll Rücksicht auf Empfindlichkeiten seiner Zeitgenossen in der Auswahl und gelegentlichen Überarbeitung des Veröffentlichten. Heraus kam ein mehrfach gefiltertes und gebrochenes Endprodukt, welches vom Charakter und Tenor der Originaltagebücher nicht unerheblich abweicht. Noch viel schlimmer steht es in dieser Beziehung um die von Leopolds Tochter Agnes l891-1892 veröffentlichten Denkwürdigkeiten aus dem Lebendes Generals Leopold von Gerlach. Sie benützte z war Briefe und Tagebücher ihres Vater, glättete aber den Inhalt in solcher Weise, daß sie Leopolds ursprüngliche Diktion bis zur Dürre milderte. Vor allem ein Vergleich der im Gerlacharchiv noch vorhandenen Teile des Briefwechsels zwischen Ludwig und Leopold, die jetzt das Kernstück von Diwalds »Dokumentenband« ausmachen, mit den Parallelstellen der Denkwürdigkeiten zeigt dies unmißverständlich deutlich. Die Originaltagebücher Leopolds gingen während des 2:"" Q~ Weltkriegs verloren. Der historische Wert der Tagebücher Ludwigs für die Z. Aufklärung vieler geschichtlicher Vorgänge ist dadurch nur um so größer geworden. Ludwig führte von Juni 1815 bis zu seinem Tod im Februar 1877 ununterbrochen Tagebuch. Davon blieben bis heute neun Bände erhalten. Die einzige größere Lücke von Oktober 1819 bis Juli 1825 wurde wahrscheinlich durch den Verlust eines Bandes verursacht. Für sein Tagebuch benutzte Ludwig buchmäßig ausgestattete Hefte im Oktavformat mit vorzüglichem Papier im Umfang von 200 bis 300 Blatt, die er beidseitig mit engzeiliger Schrift beschrieb. Über die Lesbarkeit der Handschrift Ludwigs schreibt Diwald andeutend: »Die Handschrift Ludwigs ist sehr eng, wirkt auf den ersten Blick klar, ist aber deshalb doch nicht leicht lesbar; in späteren Jahren gewinnt sie an Deutlichkeit.«1 Die Entzifferung der Tagebücher wird zusätzlich durch ihre abgekürzte, stichwortartige, verschlüsselte Redeweise erschwert, sowie durch ihre nur für den Verfasser selbst bestimmten Abkürzungen und obendrein durch die vielen fremdsprachigen Zitate ausländischer Tageszeitungen. Für die Tagebuchausgabe in seinem ersten Band mußte Diwald 1435 beschwerliche Tagebuchseiten durcharbeiten, für den anschließenden Dokumentenband neben unveröffentlichten Denkschriften und Aufzeichnungen 4500 Briefe zum fraglichen Zeitraum, von denen Diwald zum Schluß 776 zur Publikation auswählte. Der kurze Stoßseufzer, der Hellmut Diwald in seinem Vorwort entschlüpfte, hält die Beschwerlichkeit des ganzen Unterfangens fest: »Nur wer die Fülle der Gerlachschen Nachlaßpapiere und die Nöte ihrer Entzifferung kennt, kann ermessen, welch mühsame Kleinarbeit mit einer derartigen Edition verbunden ist. «2 In langen Diskussionen mit Hans Joachim Schoeps und Gerhard Ritter ließ sich Hellmut Diwald darauf festlegen, nur eine Jakob von Gerlachs Aufzeichnungen ergänzende Auswahl aus den Tagebüchern Ludwig von Gerlachs zu treffen. Diwald hätte es jedoch vorgezogen, sämtliche politischen Einträge für den Zeitraum 1848-1866 geschlossen zu veröffentlichen. Für den wissenschaftlichen Gebrauchswert von Diwalds Edition wäre die umfangreichere Fassung besser gewesen, da Jakob von Gerlachs Aufzeichnungen in vielen Universitätsbibliotheken fehlen.
Durch seine intensive Beschäftigung mit Ludwig von Gerlach gelangte Hellmut Diwald zu einer geschichtlichen Neueinschätzung der Gerlachbrüder und ihres Kreises. Das Bild des Doktrinärs und verbohrten Theoretikers Ludwig wird von ihm in seiner ausführlichen Einleitung als liberales Klischeebild zurückgewiesen. Auch die übliche Vorstellung, Ludwig von Gerlach wäre im eigentlichen Sinne gar kein politischer Kopf gewesen, findet bei Diwald keine Gnade. Das außerordentliche politische Gespür Gerlachs wird durch seine Leistungen bewiesen. Dazu zählt vor allem sein Sinn für die Notwendigkeit des Aufbaus eines konservativen Pressewesens. Das von seinem Bruder Wilhelm 1831 mitbegründete Berliner Politische Wochenblatt war schon zehn Jahre später wieder zum Erliegen gekommen. Ein von Ludwig mit < Bismarck zusammen 1847 unternommener Versuch, ein eigenes Presseorgan zu schaffen, endete erfolglos. So stand man bei der Revolution 1848 ohne ein eigenes politisches Blatt da. Allein der Hartnäckigkeit Ludwig von Gerlachs war es zu verdanken, daß schon im Frühjahr dieses Jahres die Kreuzzeitung erscheinen konnte. Der als Geldgeber unentbehrliche Graf Voß glaubte anfangs nur an die Marktchance eines Wochenblatts im Umfang von gerade einem Bogen, aber Ludwig setzte sich mit einer großzügigen Planung durch. In den folgenden Jahren wurde Ludwig von Gerlach zum »Rundschauer«, da er von 1848 bis 1853 monatlich, bis 1857 vierteljährlich und bis 1866 zum Jahresbeginn in der Kreuzzeitung eine »Rundschau« als politische Leitlinie für die Konservativen veröffentlichte. Daneben wandte er sich noch mit separaten Broschüren an das Volk, die später die einzige ihm noch verbliebene publizistische Waffe werden sollten. Die Rolle der Gerlachs in der »Kamerilla« war um so geheimnisumwitterter gewesen, je weniger man davon tatsächlich wußte. Die Tagebücher Ludwigs sind das getreue Journal der Kamarilla, in denen alle internen Ereignisse festgehalten wurden. Auf sie gestützt, kann Diwald das selbst von angesehenen Experten für Verfassungsgeschichte behauptete ständige Drängen der Gerlachbrüder zum Staatsstreich in das Reich der Legenden verweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Unentwegt warnte Ludwig von Gerlach auch während der Konfliktzeit alle Anhänger absolutistischer Lösungen vor einem Bruch der einmal beschworenen Verfassung. Die eigentliche Arbeit der Kamarilla endete bereits mit der Einsetzung des Ministeriums Brandenburg und kam daraufhin allmählich zum Erliegen. Von unverantwortlicher Tätigkeit oder gar Kontrolle der Regierung über Jahre hinweg darf deshalb unter keinen Umständen geredet werden. Das Bild eines schwachen Friedrich Wilhelm IV. korrigiert Diwald ebenfalls. Sicherlich war Friedrich Wilhelm IV. kein besonders entscheidungsfreudiger Monarch. Er beriet sich mit vielen unterschiedlich denkenden Ratgebern, bevor er seine eigenen Entscheidungen traf. An diesen hielt er dann allerdings hartnäckig fest, ohne sich noch viel hineinreden zu lassen. Ein leichtes Opfer für die Einflüsterung einer Kamarilla war der König jedenfalls nicht.
Die politische Haltung Ludwig von Gerlachs ist für den heutigen Menschen nicht leicht zu verstehen. Sie wurzelt in einem manchmal befremdlich intensiven christlichen Glauben. Das Reich Gottes war für Gerlach nichts Transzendentes, sondern die greifbare Wirklichkeit von Gott gesetzter Ordnungen auf Erden. Diese Idee der Realität des Königreiches Gottes läßt ihn auch den Staat nicht außerhalb der göttlichen Sphäre denken. Der christliche Staat soll mit der Kirche zusammen an der Formung des Gottesreiches wirken. Die Bekanntschaft mit der Staatslehre von Haller war für Ludwig und seine Brüder zwar das entscheidende Bildungserlebnis auf politischem Gebiet, mischte sich aber mit dem Christentum zu etwas eigenständig Neuem. Der organisch gegliederte ständische Staat und die gottgewollte christliche Monarchie waren das staatliche Ideal der Gerlachs. Sie versuchten, ein ständisch gedachtes Repräsentativsystem mit dem Konstitutionsprinzip zu verbinden. Absolutismus und Pressezensur lehnten sie ab, wie sie überhaupt manchem liberalen Gedankengut aufgeschlossener gegenüberstanden, als man bisher dachte. Der Vereinigte Landtag von 1847 entsprach ihrem Geschmack, die Verfassung von 1850 weniger. Doch sollte man nicht übersehen, daß Ludwig im Alter einen Antrag der Zentrumsfraktion im preußischen Landtag auf Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts unterstützte, mit dem er sich nie recht hatte anfreunden können.“ … Dipl. Soziologe, M.A. Eugen Hoffmann
Menschen und Mächte – Geschichte im Blickpunkt
Band 1: Werner Richter, Ludwig II – König von Bayern
»Über König Ludwig II. sind schon viele Bücher geschrieben worden, aber kaum eines so fesselnd wie das von Werner Richter. Es ist ein ausgezeichnetes Buch – ausgezeichnet durch umfassende Belesenheit in der einschlägigen Literatur, durch kritische Besonnenheit und nicht zuletzt durch seine vorzügliche Darstellung. Was Richter hier bringt, ist vielleicht der Schlüssel zum Verständnis dieses rätselhaften Menschen und Herrschers. « BAYERISCHER RUNDFUNK
Band 2: Pierre Gaxotte, Die französische Revolution
»Dem französischen Historiker Pierre Gaxotte ist gelungen, was den meisten Gelehrten schwer fällt: über wissenschaftliche Forschungsergebnisse so zu schreiben, daß sie auch ein größeres Publikum fesseln. Er gliedert einfach und übersichtlich die Ereignisse der großen Revolution, ohne auf die Einflechtung von tausend interessanten Einzelheiten zu verzichten. Sein Stil ist stets klar, nicht selten von hinreißender Brillanz und Ironie. «
Band 3: Joseph Vogt, Constantin der Große und sein Jahrhundert
»Vogt hat mit dem ganzen Gewicht einer umfassenden Kenntnis der Quellen und der Ergebnisse der modernen Forschung ein Buch geschrieben, das an Gehalt und Überzeugungskraft eine solide wissenschaftliche Leistung ist. Die gepflegte Sprache, die einprägsame, wohldurchdachte Disposition und die geschickte Hervorhebung der Hauptakzente lassen das Buch als ein Glanzstück der Geschichtsschreibung unserer Tage erscheinen. « GNOMON
Band 4: Philip Longsworth, Die Kosaken – Legende und Geschichte
»Anfangs Freibeuter der südrussischen Steppen, später Beschützer der Grenzen vor Türken und Tatareneinfällen, die besten, tapfersten Reiter der zaristischen Armee - das waren die Kosaken. Dieser Band faßt ihre politische und soziale Geschichte in einem übersichtlichen, farbigen und in jeder Einzelheit getreuen Bericht zusammen. «
Band 5: Matthias Gelzer, Pompeius
»In der klaren, eingehenden Darstellung Geizers, die alle Quellen ausschöpft, werden die Gestalt des Pompeius, die politische Atmosphäre Roms und die Zeit der Bürgerkriege sichtbar und fühlbar. Dieses Buch füllt eine Lücke aus. « TELEGRAF
Band 6: Rudolph Stadelmann, Soziale und politische Geschichte der Revolution von 1848
»Das Buch von Stadelmann gehört längst zu meinen Lieblingsbüchern über 1848... Von bedeutenden, die Perspektiven ernsthaft verändernden Neuerscheinungen über den Gegenstand in den letzten zwanzig Jahren wüßte ich nichts. « PROF. GOLO MANN
Band 7: Karl Brandi, Kaiser KarlsV. - Der Kaiser und sein Weltreich
»Eine große Biographie, die wohl noch auf lange Zeit das Standardwerk über Karl V. bleiben wird.« SUDDEUTSCHE ZEITUNG, München
Band 8: Aziz S. Atiya, Kreuzfahrer und Kaufleute – Die Begegnung von Christentum und Islam
»Atiyas Feststellungen basieren auf einem breiten Studium der Quellen und einer umfassenden Kenntnis der Literatur über die Kreuzzüge. Sein Buch darf mit einem Mosaik aus einer Vielzahl kleinster Steine verglichen werden, die in der Zusammenschau ein neues und aufregendes Bild ergeben. « ORIENTALISCHE LITERATURZEITUNG, Leipzig
Friedrich Schiller Wallenstein
INHALT
HELLMUT DIWALD: Wallenstein - Geschichte und Legende
Die historische Person Fakten, Rechtfertigungen, Überlieferungen, Mythos Der Historiker Schiller Schillers »Geschichte des Dreißigjährigen Krieges« und Wallenstein Die Quellen Das Wallenstein-Sujet als Drama Die Entstehungsgeschichte Das Werk Dichtung und historische Wirklichkeit
FRIEDRICH SCHILLER: Wallensteins Tod DOKUMENTATION
Briefe aus der Entstehungszeit Würdigungen und Analysen G. W. F. Hegel W. v. Humboldt Fr. Nietzsche G. Freytag O. Ludwig W. Dilthey H. A. Korff Th. Mann A. Abusch C. J. Burckhardt B. v. Wiese Aufführungsberichte und Theaterkritiken Ch. Schiller L. Tieck Chr. Grabbe Fr. Hebbel Th. Fontane H. Schwab-Felisch
BIBLIOGRAPHISCHE HINWEISE QUELLENNACHWEIS
Anspruch auf Mündigkeit Propyläen Geschichte Europas Band 1, 1400 – 1555
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INHALTSVERZEICHNIS Europa: Abendland und Morgenland Kirche in der Welt Der Hundertjährige Krieg Der Schwarze Tod »Als Adam grub und Eva spann . . . « Der Bastard von Frankreich Weiße Rose, Rote Rose Die Mauer um das Königreich Reform an Haupt und Gliedern Der Kongreß Europas Das Habsburger Spiel Die Hussiten Anno domini 1440 Jahrhundert des Faustrechts Die Mirakel des Hauses Habsburg Hochzeit in Burgund Ein Fürstenhof Ferraras Goldene Jahre Der Bauherr Ferraras Mailand und Rom: Herrschaft und Usurpation Der Mohr Poker als Politik Die Katalanen in Rom Liberalität und Majestät Herzog Valentinus Die Medici Vater des Vaterlandes Figlio del Sole Die Pazzi – Verschwörung Fortuna Die Wiedergeburt der Antike: Mäzene und Manuskripte Aktivität — das neue Dasein Die falsch verstandene Antike Die befragte Welt Humanitas und skeptische Vernunft Das osmanisch-europäische Reich Die Geburt einer Dynastie Das Ende von Byzanz Der Schatten Gottes auf Erden Rom in Rußland Expansion und dreimal Rom Der mächtigste Herr unter der Sonne Der geliebte Zar des Schreckens Kapital und Krieg Der erste Finanzier des Krieges »Bargeld ist Macht« Der goldene Stuhl Petri Die Republik Christi Handelswege, Entdeckungen, Expansion Tierra, Tierra! Die Sprengung der Grenzen Der weltliche und verweltlichte Staat Die spanische Idee »Das italienische Abenteuer« Politik als Kunst des Unmöglichen: Machiavelli und Maximilian I. Geheimbibel der Staatskunst Last und Lust der Reichspolitik Hoffnungen, Katastrophen, Triumphe Der große Protest »Sohn des Satans« - »Wittenbergisch Nachtigall« Die deutsche Hypothek Das Reich der Ewigen Sonne Der Weg nach Pavia Das Weltimperium San Yuste - Zäsur des Jahrhunderts Dokumentation Karten, Diagramme, Tabellen Anhang Bibliographie Personen- und Sachregister Quellennachweise der Abbildungen
Text des Verlages:
Mit der »Propyläen Geschichte Europas« legt der Verlag der »Propyläen Weltgeschichte« und »Propyläen Kunstgeschichte« jetzt ein neues mehrbändiges Geschichtswerk vor, das gleicherweise neuartig in der Fragestellung wie in der Stoffausbreitung ist.
Zum ersten Mal nach einer Ära geschichtsphilosophischer, soziologischer und ideologischer Aufbereitung des Gewesenen wird hier wieder einmal Geschichte erzählt, als habe der Leser noch nie von Kolumbus oder Wallenstein, Napoleon oder Einstein gehört. Sechs Historiker der jüngeren und mittleren Generation haben sich zusammengetan, um alles, was sie an Quellenkenntnis und Methodenwissen parat haben, in die Erzählung vom Ablauf der Dinge einfließen zu lassen. Geschichtsschreibung wird auf diese Weise - auf der Höhe des Forschungsstandes und ohne Verzicht auf Reflexionsniveau - noch einmal eine spannende Folge von Ereignissen, Ideen, Personen.
Ebenso ungewohnt ist aber auch der gedankliche Ansatz dieses Werkes. Mit großer Entschiedenheit beharrt die »Propyläen Geschichte Europas« darauf, die Geschichte des letzten halben Jahrtausends aus europäischer Perspektive zu sehen, wobei allerdings die russischen oder islamischen Entwicklungen immer mitgemeint sind, da sie Partner und Gegenspieler des Abendländischen gewesen sind. Jener universalhistorische Anspruch aber, dem für das westliche Selbstverständnis das China der Han-Dynastie ebenso wichtig ist wie das Rom Cäsars und dem das Indien des Königs Ashoka so nahe steht wie das Reich Karls V., wird aufgegeben. Die außereuropäischen Abläufe treten in dem Maße in das Blickfeld des Werkes, als sie die Entwicklungen im Abendland tangieren, im Austausch oder Konflikt. »Außerhalb Europas gibt es Weltgeschichte gar nicht«, wie der frühverstorbene Waldemar Besson, einer der geistigen Väter des Gesamtwerkes, formuliert hat.
Auf jeweils andere Weise wollen die einzelnen Bände, die - ebenfalls eine Neuerung - kein Gemeinschaftswerk von Arbeitsgruppen oder Forschungsteams, sondern gedankliche Entwürfe und literarische Würfe eines Temperaments sind, das unverwechselbar Europäische der einzelnen Epochen zu fassen suchen, wobei sie die Geschichte der Staaten und Nationen ebenso meinen wie die Geschichte der Wissenschaften und Künste und die der Wirtschaft und Gesellschaft.
Während Europa als bestimmendes Zentrum von der Weltbühne abtritt, die Welt sich aber anschickt, europäische Züge anzunehmen, fragen sechs der führenden Historiker dieser Zeit nach dem, was Europa war und was seine große, dramatische und tragische Geschichte einer unbekannten Zukunft hinterläßt.
Eröffnet wird das Unternehmen mit dem Bericht des Erlanger Historikers Hellmut Diwald über die Geburt Europas zwischen 1400 und 1550, dem Zeitalter also, das mit Renaissance und Reformation, Erfindungen und Entdeckungen jene gewaltsamen, sozialen, religiösen, wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen hervorbrachte, in denen die Welt des Mittelalters unterging. Die Fülle des beigefügten Informations-Materials, von Landkarten und Statistiken bis zu Stammtafeln, macht die Epoche, deren Stürme und Konvulsionen oft an unser eigenes Jahrhundert denken lassen, anschaulich und greifbar.
Hellmut Diwald, geboren 1929, ist Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Erlangen. Nach Veröffentlichungen über „Die Entstehung des Nationalbewußtseins“ und „Die Entwicklung der Freiheit und Toleranz in der abendländischen Geschichte“ publizierte er 1969 die große Wallenstein-Biographie, deren internationaler Erfolg ihn mit einem Schlage in die erste Reihe der jüngeren Historikergeneration gerückt hat. Propyläen Verlag
Text des Verlages:
„Der Titel des ersten Bandes der sechs Bände konzipierten Geschichte des neuzeitlichen Europa, einer Geschichte des Abendlandes und des Morgenlandes unter Einschluß des russischen Raumes, beschwört die Veränderungen, die sich im 14. Jahrhundert anbahnten, als sich der Universalismus der Kirche an seiner Abendstimmung berauschte und Staaten, Mächte, Stände sich gleich/eilig individualisierten. Auf nahezu allen Gebieten wurde Souveränität erlangt, weil der Einzelne seine Befähigung zur Souveränität entdeckt und Anspruch auf Mündigkeit erhoben hatte.
Die Epoche, in der solches Bewußtsein und eine starke Selbstsicherheit sich allmählich durchsetzten, reicht etwa von der Seeschlacht auf dem Amselfeld im Jahr 1389, vom Sieg der Osmanen, bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts: zum Augsburger Religionsfrieden, zur Abdankung Karls V. zu einem ersten Höhepunkt im Schiffsverkehr zwischen Spanien und Amerika, das Kolumbus 1492 entdeckt hatte, jener Zeitraum, in dem das moderne Europa sich herausschälte, dehnt sich also vom Großen Schisma bis weit über die erste Phase der Reformation. Die Rückkehr des Papstes aus Avignon nach Rom gehört genauso dazu wie die breite Entfaltung der Reformation und der Renaissance. In sechs Generationen profilierte sich eine Vielzahl von herausragenden Persönlichkeiten, welche die Geschichtsszenen bestimmten: in Innen- und Außenpolitik, in Handel, Wirtschaft und Finanzwesen, im kulturellen und im religiösen Bereich – in wechselseitiger Abhängigkeit über Europa hinweg. Damals wurde die Geschichte der transeuropäischen Kontinente von den europäischen Entwicklungen und Entscheidungen abhängig. Diese Abhängigkeit behielt Vorrang über fünf Jahrhunderte hinweg. Der Verfasser spürt die Konstitutionen und Strukturen auf, die in Europa zwischen dem ausgehenden 14. Jahrhundert und der Mitte des 16. Jahrhunderts ausgebildet worden sind; er schreibt Ereignisgeschichte, untersucht die Phänomene und stellt die wirkenden Persönlichkeiten dar, so daß die Wirklichkeit dessen, was gewesen ist, voll anschaulich wird.“ Propyläen Verlag
Pressestimmen zu dem ersten Band der Reihe von Hellmut Diwald
»Aber Geschichte ist für ihn keine Sonntagsschule, auch kein Exerzitium in rückwärtsgewandter Moralität und schon gar kein Strafgericht der Urenkel über die längst verstorbenen Vorfahren. Nur wer ihre Gesetzmäßigkeiten erfaßt, unbeeinflußt durch ein wie immer geartetes positives und negatives Dogma, kann das Gewordene begreifen, kann kundig mitreden über gangbare Wege in eine Zukunft, die ihre Konturen gerade durch das Abgehobensein vom Vergangenen gewinnt.« Friedrich Weigend/Deutsche Zeitung
»Diese Detailfreude - Europa hin, Europa her - ist zu loben, weil sie sich auf souverän gemeisterte Gesamtperspektive stützen kann. Auch die bizarrsten Erzähl-Aussagen sind wohldokumentiert, vor allem was Wirtschafts-, Gesellschafts-, Kulturgeschichte betrifft. Der wahre Ahne Diwalds ist Jacob Burckhardt, der ja ebenso gern Miniaturen pinselte wie Perspektiven auszog. Mit Burckhardt verbindet Diwald auch, was man als »Weltanschauung« aus seiner Darstellung ablesen kann: eine ausgeprägte Abneigung gegen alle Ideologie, verbunden mit einem ebenso kräftigen wie kritischen Realismus, der kein Hühnchen ungerupft läßt. « Werner Ross/Süddeutsche Zeitung
»Daß der Verlag für des Abenteuers ersten Streich Hellmut Diwald gewinnen konnte, ist ohne Wenn und Aber als Glücksfall anzusehen. Diwald verfügt über alle Eigenschaften und Fertigkeiten, deren es zu einem solchen Auftakt bedurfte: Er ist nicht nur ein Kenner der frühen Neuzeit - erinnert sei hier an seine >Wallenstein< -Biographie -, sondern das, was der Rezensent einen Breitband-Historiker nennen möchte. « Peter Berglar/Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Ich habe großen Gewinn aus der Lektüre dieses Buches gezogen. Es liest sich auch dort leicht, wo es gilt, Verwickeltes zu entwirren und die verborgenen Ursachen und Hintergründe der Dramen der Geschichte sichtbar zu machen und ihren Zusammenhang mit dem Geschehen auf der Bühne zu beweisen. Besonders gefiel mir, daß der Verfasser offenbar nicht fürchtet, es könne den Ruf des Gelehrten mindern, daß er Geschichte zu >erzählen< vermag. « Carlo Schmid/Die Zeit
»Diwald erzählt. Er beschreibt ein gewaltiges, ein dynamisches Kapitel der Geschichte - das Zeitalter der Renaissance, der Entdeckungen, Erfindungen und der Reformation -, und er erweist sich dabei als philosophischer Kopf, nur daß er nie der Versuchung erliegt, geschichtliche Vorgänge und Hintergründe lediglich als Material für Geschichtsphilosophie oder -ideologie zu mißbrauchen. « Thilo Koch/Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt
»Dieses Werk sollte zum Geschichtsunterricht in den Schulen herangezogen werden. Es stellt eine hervorragende Information für Diskussionen dar. « Die Woche
» Zu den Vorzügen des Werkes gehört, daß die Autoren ihre Leser — und das sind keineswegs nur sogenannte Fachgenossen mit völlig verschiedenen Ansätzen von Forschung und Geschichtsschreibung bekannt gemacht haben. Da gibt es die ästhetisch brillierende Porträt-Kunst Hellmut Diwalds. « Rudolf Ringguth/ Der Spiegel
»Vorweggenommen sei das Urteil, daß es Hellmut Diwald im ersten Band der Reihe vorzüglich gelungen ist, eine solche Synthese aus Faktenvermittlung und geistiger Durchdringung zu schaffen, und zwar mit erzählerischen Mitteln von hohem Rang. . . Ein stattliches historisches Lesebuch, geglückter Auftakt zu einem Geschichtswerk, dessen Weiterführung man mit Interesse entgegensieht.« Klaus Klöckner/Hessischer Rundfunk
Pressestimmen zu den 6 Bänden der Gesamtausgabe
Propyläen Geschichte Europas in sechs Bänden:
Hellmut Diwald »Anspruch auf Mündigkeit« um 1400-1555
Ernst Walter Zeeden »Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe« 1556-1648
Robert Mandrou »Staatsräson und Vernunft« 1649-1775
Eberhard Weis »Der Durchbruch des Bürgertums« 1776-1847
Theodor Schieder »Staatensystem als Vormacht der Welt« 1848-1918
Karl Dietrich Bracher »Die Krise Europas « 1917-1975
»Man weiß nicht, was man mehr rühmen soll: die streng logische Gedankenführung, die überraschenden Ideenverbindungen, die neuen Blickrichtungen, den ebenmäßig ruhigen Fluß des Vortrags, den präzisen, ungesuchten und den Kunstgriffen bloßer Geschicklichkeit abholden Stil... Der Bildschmuck läßt sich kaum überbieten. « Edgar Bonjour, Neue Zürcher Zeitung
» Zu den Vorzügen des Werkes gehört, daß die Autoren ihre Leser — und das sind keineswegs nur sogenannte Fachgenossen mit völlig verschiedenen Ansätzen von Forschung und Geschichtsschreibung bekannt gemacht haben. Da gibt es die ästhetisch brillierende Porträt-Kunst Hellmut Diwalds. Da meldet sich mit Robert Mandrou die strukturelle Methode der französischen Sozialhistorie zu Wort. Da offenbart Bracher das leidenschaftliche Engagement der Zeitgeschichte. Da beeindruckt die Distanz des Katholiken Zeeden, der mit sensibler Sachlichkeit, ohne konfessionelle Polemik, schreibt. Und da erscheint gleichsam ein Dioskuren-Paar, das die verborgene Einheit von klassisch-politischer und modern-sozialer Geschichtsschreibung an den Tag bringt: Theodor Schieder und Eberhard Weis. « Rudolf Ringguth, Der Spiegel
» Interessiert ohnehin an Geschichten, auch an Geschichte, fand ich: Das ist spannende Lektüre, erhellend bis in die Gegenwart hinein… Zu erwähnen sind noch die sorgfältig ausgewählten zeitgenössischen Illustrationen und Bildtafeln, die Stammbäume und Register. Sie lockern nicht nur auf, sie zeigen, wie eine Zeit sich selber sah. « Heinrich Böll
» Da kommt die erzählte Geschichte wieder zu ihrem Recht: da wird mithin nicht ge- sondern berichtet; und da wird auch das volle Spektrum von Kunst, Literatur, Musik, Gesellschaft, Religion, Philosophie, Naturwissenschaft, Wirtschaft, Handel und Verkehr erkennbar. « Welt am Sonntag
»Was ist faszinierender? Der geschlossene Zusammenhang, das Gesamtbild, die breite Dokumentation von Kunst und Literatur bis zur Naturwissenschaft? Wenn es in wenigen Sätzen erlaubt ist, ein Geschichtswerk dieser Größe und Schönheit dem Interessenten nahezubringen, dann vielleicht die schlichte Aussage: Lesen und erleben! « H.K. Öffentlicher Anzeiger, 08.12.1978
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