Texte 2

Inhalt der Bücher & Texte von Rezensionen Teil 2

Auf den untenstehenden Seiten finden sich umfassende Informationen (Inhalt) sowie Texte bzw. Zitate von Rezensionen zu den folgenden Werken von Hellmut Diwald:

Geschichte der Deutschen

Der Kampf um die Weltmeere

Luther

Lebensbilder Martin Luthers

Im Zeichen des Adlers – Porträts berühmter Preußen

Die Erben Poseidons
Seemachtspolitik im 20. Jahrhundert

Mut zur Geschichte

Heinrich der Erste
Die Gründung des Deutschen Reiches

 

Geschichte der Deutschen

Klappentext des Verlages zur Originalausgabe

„Aus der Situation dreier deutscher Republiken, die nach 1945 westlich der Elbe, östlich von ihr und im Alpenland geschaffen worden sind, und aus dem mittlerweile verfestigten Gegeneinander zweier deutscher Sozialordnungen ergibt sich der Wunsch, die geschichtliche Kontinuität Deutschlands vor dem großen Bruch aufzuspüren und die historische Vergangenheit der Deutschen aufs neue zu untersuchen und aufleben zu lassen: von der Gegenwart aus Schritt für Schritt zurück - bis ins Jahr 919, als der Sachsenherzog Heinrich I. zum König des ersten Deutschen Reiches gewählt wurde.

Die Wahl des Sachsenherzogs Heinrich I. zum König im Jahr 919 bedeutet die Geburtsstunde des ersten Deutschen Reiches. Das deutsche Volk hat seitdem die beschwerlichsten Hindernisse überwinden müssen, um seine wesensmäßige Zusammengehörigkeit zu erkennen. Weite Strecken der Geschichte sind erfüllt von Kämpfen zwischen Deutschen, die oft leidenschaftlicher geführt worden sind als die Kriege gegen fremde Völker. Von dieser bedrückenden Problematik der Deutschen spiegelt sich viel in der gegenwärtigen Situation der drei deutschen Republiken, die nach 1945 - aus zwei Dritteln des alten Reiches - westlich der Elbe, östlich von ihr und im Alpenland geschaffen worden sind.

Von der Geschichte wird jeder am stärksten im eigenen Leben getroffen. Deshalb entspricht es einem elementaren Empfinden, von der Gegenwart aus die früheren Ereignisse zu betrachten. In der Politik von Bonn und Berlin-Pankow können wir die historischen Wirkungen als unmittelbare Realität spüren; das führt uns zur Gründung der deutschen Rumpf Staaten 1949, durch die beiden Weltkriege ins Kaiserreich Bismarcks und weiter Schritt für Schritt zurück durch die Etappen unserer Vergangenheit. Das gegenchronologische Verfahren, das hier zum ersten Mal einer Geschichtsdarstellung zugrunde gelegt worden ist, weckt besonders eindringlich das Bewußtsein für die Unentbehrlichkeit und suggestive Kraft der Geschichte, für unsere Gemeinsamkeiten und die Einheit der Deutschen, für den Reichtum unserer Vergangenheit und die Opfer, die dazu gehören.“

 

Zum Thema “Geschichte der Deutschen” beachten Sie bitte auch den folgenden Artikel:
“Die grauenhaftesten Verbrechen unserer Geschichte”, in: Die Welt, 18.12.1978. Auch erschienen als Sonderdruck des Propyläen – Verlags unter dem Titel: „Geschichte im Widerstreit – Hellmut Diwald antwortet seinen Kritikern“

 

Text des Verlages zur Neuauflage im Bechtle-Verlag 1999 mit Fortschreibung durch Karlheinz Weißmann

„Hellmut Diwald sah die Lage der Deutschen unlösbar verkettet mit der Jahreszahl 1945, weil damals die historische Kontinuität des Volkes, der Nation einen Riß erfuhr. Die Fremdbestimmung durch die Siegermächte setzte neue Akzente, die im Phänomen der Vergangenheitsbewältigung ihre Fokussierung fand. Daran hat sich am Ende der Ära Adenauer und angesichts der ersten Krisenerscheinungen unter Ludwig Erhard, beim Bau der Berliner Mauer und der großen Koalition kaum etwas geändert.

Die Fortschreibung des Werkes von Hellmut Diwald durch Karlheinz Weißmann schildert eine Phase, die in einer Stimmung des Aufbruchs begann, sich aber nicht halten konnte. Zwar wurde der Weltfriede nach und nach sicherer, aber die alte innere Ordnung bekam Risse. Daß sich am Ende die größte aller Hoffnungen der Deutschen erfüllte, die Vereinigung, kann kaum als das Ergebnis deutscher Politik reklamiert werden. Das alte Reichsgebiet wurde damit zwar nicht wiederhergestellt, die lange Zeit der Trennung nicht ungeschehen gemacht, aber doch eine Perspektive für die deutsche Nation gewonnen.“

 

»Diwald erzählt die 150 Jahre der Auflösung seit Bonifaz VIII., des Zerfalls der abendländischen Welt, in welchem Prozeß sich zugleich die Ankunft einer neuen vorbereitete, in einer so anschaulichen, einmal auf die großen Zusammenhänge ausgehenden, dann wieder in Miniaturen erhellenden Schreibweise, daß das Lesen ein Vergnügen wird. Man geht durch das Haus der Geschichte, voll Neugierde nach immer neuen Kammern und überraschenden Durchblicken. Das ist nicht allein dem darstellerischen Vermögen zuzuschreiben, es erklärt sich aus dem Horizont, in dem der Historiker die Zeitenwende beschreibt. «
Die Presse, Wien

»Ausgezeichnet geschrieben, sehr reich illustriert«
Aufbau, New York

»Diwald vergegenwärtigt die Geschichte der Gedanke, die man sich einmal über die nationale Identität der Deutschen machte – in der erkennenden Erfahrung immer wiederkehrender Möglichkeiten, Chancen, Versäumnisse. Die Gegenwart wird offen zu einer möglichen Zukunft hin die ihren Sinn allein durch eine nach ihrer Wirklichkeit, ihrem >Wirken< befragten Geschichte erhält. «
Stuttgarter Zeitung

Hellmut Diwald: Geschichte der Deutschen, in: Zürcher Wirtschaftsbrief, November1978.

„Diwald ist von manchmal grausamer Nüchternheit, aber gerade sie holt eine ungeheure Dynamik aus den Fakten. Das Buch beschönigt nichts, es ist ab und zu unbequem, aber in den Schwächen der deutschen Geschichte sieht der Autor zugleich Stärken. Eine präzise Orientierungshilfe mit 837 Bilddokumenten und 25 Landkarten.“

 

Von Jalta bis zur Krönung Heinrichs I., in: Hannoversche Allgemeine, 06.12.1978, von EKKEHARD BÖHM:

 „ … langweilen wird sich bei der Lektüre dieses Geschichtsbuches niemand. Diwald versteht mit der Sprache umzugehen, anschaulich, manchmal sogar brillant zu formulieren. Das ist unter deutschen Historikern keine Selbstverständlichkeit.“
Ekkehard Böhm

 

Hellmut Diwald: Geschichte der Deutschen, in: Berliner Morgenpost, 06.12.1978, von St.:

„ … ist Diwalds Darstellung etwa der Tragödie der Weimarer Republik, der Epoche Preußens und des Dreißigjährigen Krieges voller analytischem Glanz.“
St.

 

Erzählen, in: Bunte, 07.12.1978

„Die Deutschen, so haben wir´s seit dreiunddreißig Jahren nicht nur von den Siegermächten, sondern folgerichtig auch von den eigenen Schullehrern gehört, sind ein kriegslüsternes Volk, das seine Nachbarn bei jeder Gelegenheit überfällt und keinen Sinn für die Freuden des Lebens, sondern nur für seine toten Helden hat. Und so weiter und so fort. Aber nun ist Hellmut Diwald gekommen, Jahrgang 1929, Professor der Geschichte an der Universität Erlangen und hat auf zirka 750 Seiten im Berliner Propyläen-Verlag eine „Geschichte der Deutschen“ geschrieben (mit 837 Abbildungen und 25 Karten), die geeignet ist, uns allesamt aufatmen zu lassen – nicht nur, weil sie lesbar und verständlicher ist las so manches andere Geschichtswerk, sondern auch, weil sie die Geschichte der Deutschen sozusagen entkriminalisiert. Und zwar, wie ein Kritiker schrieb, „mit grausamer Nüchternheit“. Und nun stellt sich heraus, daß wir keineswegs das kriegslüsterne Volk sind, als das wir nach dem Ersten Weltkrieg – immer hingestellt wurden. Eher das Gegenteil, denn die Geschichte beginnt nicht erst in diesem Jahrhundert. Diwalds erstaunliches Geschichtswerk beginnt – heute. Er erzählt sozusagen von hinten nach vorne, und das macht sie so überaus lesens- um nicht zu sagen liebenswert.

Lest sie, Leute!“

 

„Das ist ein Schlaumeier! Der nimmt das dicke Ende voraus“, Hellmut Diwalds ebenso nüchterne wie unbequeme Arbeit über die Geschichte der Deutschen, in: Die Welt, 18.10.1978, von ARMIN MOHLER. 

„Eine Geschichte der Deutschen, von Heinrich dem Vogler bis zu Helmut dem Macher, von einem einzigen Verfasser geschrieben – das will schon etwas heißen. Es ist kein Zufall, daß unter denen, die seit 1945 ein solches Opus gewagt haben, nur ein einziger berufsmäßiger Historiker war: Veit Valentin (1946/1947). Der andere Professor unter ihnen, Michael Freund (1962), war Politologe, und die übrigen drei – Hubertus von Löwenstein (1950), Paul Sethe (1962), Emil Franzel (1974) – sind zu den politischen Schriftstellern zu rechnen. Valentin und Löwenstein hatten emigrieren müssen; Freund, Sethe und Franzel waren geblieben und hatten sich, jeder auf seine Weise, mit dem Dritten Reich akkomodieren müssen.

Hellmut Diwald, Professor der Neueren Geschichte an der Universität Erlangen Nürnberg, der zur Buchmesse den mächtigen Band einer „Geschichte der Deutschen“ vorlegt, ist nicht nur der erste Fachhistoriker, der nach mehr als drei Jahrzehnten den Versuch wieder gewagt hat. Er unterscheidet sich von allen genannten Vorgängern in einem entscheidenden Punkt. Sie alle waren in irgendeiner Weise traumatisch mit dem dritten Reich verbunden, sei es als Emigrant oder als einer, der sich hatte anpassen müssen. Diwald ist ein bis zwei Generationen jünger. Er wurde 1929 in Mähren geboren, wuchs in der Tschechoslowakei auf, siedelte 1940 nach Franken über. Er hat jene Zeit noch geschmeckt, aber hat sie aus dem Abstand des Kindes und des Schülers erlebt. Diesen Abstand verspürt man in seiner „Geschichte der Deutschen“ teils auf wohltuende Weise – teils „geht er an die Nieren“.

Der Historiker Diwald ist nämlich manchmal von grausamer Nüchternheit. All das Polster der Allgemeinheiten und Betulichkeiten, alle sonst um die deutsche Geschichte gerankte Phraseologie und Gefühligkeit ist bei diesem „Kriegskind“ wie weggefegt. Mitgewirkt hat sicher auch, daß Diwald zunächst eine abgeschlossene Ausbildung als Ingenieur hinter sich brachte, ehe er sich dem Zweitstudium der Geschichte zuwandte. Er erklärt heute dieses Zweitstudium damit, daß er von der Geschichte Antworten auf Fragen erwartete, die ihm immer dringlicher wurden. Als Historiker begab er sich jedoch zunächst in die harte, jahrelange Zucht der Quellen-Edition. Dann erst setzte er zu den großen Schritten an: erst 1969 die Wallenstein Biographie, dann 1975 in der „Propyläen Geschichte Europas“ der Eröffnungsband über die Zeit zwischen 1400 und 1555, jetzt diese Geschichte der Deutschen.

Wer diesen Weg Diwalds kennt, ist weniger erstaunt über seine Eigenheit als Historiker. Auf der einen Seite ist seine bereits zitierte Nüchternheit des Blickes, die einem an patrizische Geschichtsschreibung nach Art des Jakob Burckhardts gewöhnten zuweilen wie Schnoddrigkeit vorkommen mag. Daß Diwald sich überhaupt nicht um das kümmert, „was man sagt“ oder „was man zu sagen hat“, erlaubt ihm jedoch das Herausholen einer „Dramatik aus den Sachen“.

Die Leidenschaftlichkeit entspringt bei ihm direkt aus den Konstellationen, die er sichtbar macht, indem er vor ihnen aufgetürmte Scheinprobleme mitleidlos wegräumt. Es ist ein ständiges Heiß-Kalt bei Diwald; er ist ein Meister der Überrumpelung. Das fängt schon auf den ersten Seiten des Buches an, wo er seine Zeit nicht mit langen Definitionen dessen, was deutsch sei, vertrödelt, sondern trocken feststellt, daß die Deutschen heute auf drei Republiken verteilt seine. (Über diese Dreizahl geht er dann sogar noch hinaus, als er Karl Barth, wegen seiner engen Verflechtung in das deutsche Drama, als „deutschen Theologen“ behandelt).

Allerdings bleibt es bei Diwald nicht bei der Überrumpelung. Die dient nur dazu, die Sicht frei zu machen. Jene Dreiheit ist ja nur einer von vielen Anläufen in denn Diwald sein Nation-Verständnis deutlich macht. Er nimmt es weg aus dem Bereich der Ansprüche und Verdammungsurteile. Die deutsche Nation ist für Diwald etwas sehr Einfaches und Selbstverständliches, eine Erlebens- und Leidensgemeinschaft, deren Tatsächlichkeit auf jedem Deutschen, ob er nun will oder nicht, lastet.

Das tönt pathetisch, wenn man es abstrahierend feststellt – im Buch selbst kommt es ganz selbstverständlich heraus. Das liegt vor allem auch an der eigenwilligen Konstruktion dieser deutschen Geschichte: Sie beginnt beim heutigen, in Jalta geschaffenen Zustand Mitteleuropas und endet im Jahre 919, bei Heinrich I. Diwald nennt dieses Verfahren das er erfunden hat, „gegenchronologisch“. Ich schilderte es einem älteren Freund, der seit 1917 von der deutschen Geschichte einige Schrammen mitbekommen hat. Er lachte auf: „Das ist ein Schlaumeier! Der nimmt das dicke Ende voraus. Dann kann der Rest nur noch angenehm sein…“

Auch ich mußte lache. Aber der Witz traf wie so oft, nicht den Kern. Das „gegenchronologische“ Verfahren verharmlost die deutsche Geschichte keineswegs. Im Gegenteil: Da man so glückliche Augenblicke dieser Geschichte – es gibt sie durchaus – von der heutigen Zerstückelung her erlebt, werden auch sie vom Schmerz durchtränkt. Übrigens: An die Gegenchronologie muß man sich erst gewöhnen. Sie geht ja nicht in einem Zug zurück, denn man kann die Geschichte schließlich nicht gegen den Ablauf der Ereignisse erzählen. Gewiß, die Weimarer Republik kommt erst nach dem dritten Reich dran. Aber dieser Abschnitt über Weimar beginnt natürlich 1918 und endet 1933. Und das Wilhelminische Reich wird von 1871 bis 1918 erzählt. Manche Abläufe werden sogar, auf verschiedenen Ebenen, mehrfach dargestellt.

So ergibt sich eine neuartige Optik. Hat man sich einmal an sie gewöhnt, stellt sich eine Art von „stereoskopischem“ Effekt ein. Diwald erzählt ja nicht kontinuierlich, mit gleich bleibender Verteilung der Effekte, sondern er hebt einzelne Ereignisse paradigmatisch heraus – jene Stereoskopie schafft dann die Verbindung zwischen den einzelnen scharf belichteten Szenen. Man wird an die Rückblendungen im Film und in der modernen Prosa-Epik erinnert. Aber es sei vor zu direkten Bezügen vom einen aufs andere gewarnt. Im Film und Roman hebt die Rückblende vorher nicht gesehene Zusammenhänge hervor. Beim Neuerzählen der allen bekannten Historie ist die Wirkung genau umgekehrt.

Das übliche Erzählen der Geschichte, von den Dinosauriern ruckzuck bis zum Computer, hat etwas vom Blick aus dem Expreßzug: Vor den vorbeiflitzenden Silhouetten der Bäume und der Berge ist der Endbahnhof die einzige Realität. Das in Diwalds Erzähltechnik enthaltene Umdrehen der Zeit hat einen doppelten Effekt: Wir sehen die einzelne gesellschaftliche Situation plastischer – und vor allem verliert sie ihre Zwangsläufigkeit. Man sieht wieder alle Möglichkeiten die in ihr stecken.

Der „kalt-heiß-kalte“ Diwald, auf nüchterne Weise vom Geschehen fasziniert, ist nämlich alles andere als ein Fatalist. Die deutsche Geschichte ist für ihn nicht eine Einbahnstraße ins Verhängnis. Es fehlt bei ihm die Vorstellung, die sich bei fast allen seinen Vorgängern seit 1945 findet: Daß irgendwo in dieser Geschichte auf nicht wiedergutzumachende Weise die Weiche falsch gestellt worden sei. Er vertritt keine Patentlösung, weder die großdeutsch-theresianische noch die kleindeutsch-fritzische, weder die katholische noch die protestantische, weder die pro- noch die antifaschistische.

Diese „skeptische Generation“, die auf die Kriegsgeneration folgte, gibt sich zwar gerne „cool“, aber so kaltschnäuzig ist sie gar nicht. Wenn man das faszinierende an Diwalds Geschichte der Deutschen zu umschreiben sucht, so ist es vielleicht am ehesten dieses: Er beschönigt nichts, aber er scheint in den Schwächen der deutschen Geschichte zugleich eine Stärke zu sehen.

Eine Geschichte Frankreichs oder gar Spaniens ist leichter zu schreiben, bei ihnen ist das Objekt in sich geschlossen – und abgeschlossen. Die deutsche Geschichte zerfließ stets an den Rändern, sie ist von der Geschichte des sie umgebenden nicht zu trennen, ob man das nun Mitteleuropa oder Europa oder wie auch immer nennen mag. Die deutsche Geschichte ist zwar voll von Eigenbrötelei, das schafft jedoch auch eine bewegliche Eigenständigkeit, die hilft, eine Geschichte auszuhalten, die nach allen Seiten offen ist. Und die vor allem nie fertig ist.

Über die Zeit nach 1945 fällt Diwald einige Urteile, die ihm nicht nur Freunde schaffen werden. Er sieht wohl Adenauers Singularität, aber er nimmt es ihm übel, daß er ein zu enges Gehäuse geschaffen habe – eben weil er sein politisches Werk nicht im Bewußtsein jener Offenheit und Nichtdeterminiertheit deutscher Geschichte schuf. Aus der gleichen gesamtdeutschen Haltung heraus erlaubt Diwald sich, bei den institutionalisierten Unholden der deutschen Zeitgeschichte nicht alles so schwarz zu finden, wie es gemalt wird.

Dem Verlag ist es hoch anzurechnen, daß er ein solches Buch herausgebracht hat, das bei aller Nüchternheit den Mut hat, unbequem zu sein. Diwalds Geschichte der Deutschen ist nicht nur das erste Buch dieser Art seit langem, das keinen Schulmeistergeruch hat. Es ist auch ein eminent „deutsches“ Buch in dem Sinne, wie Diwald die deutsche Lage sieht: Jeder Deutsche, der es liest, wird sich über etwas daran ärgern – und er wird das verspüren, was ihn, ob er will oder nicht, mit diesem Geschichtsschreiber verbindet.“
Armin Mohler

 

Ein Hausbuch in unserer Zeit: Die Geschichte der Deutschen, in: Die Woche, 26.10.1978.

„Die wichtigste Buchneuerscheinung zur Frankfurter Buchmesse 78 dürfte aus gesamtdeutscher Sicht die GESCHICHTE DER DEUTSCHEN von Hellmut Diwald sein (Propyläen Verlag, 764 Seiten, mit vielen Illustrationen, Ln. 43,— DM). Der Erlanger Historiker ist durch eine seriöse Wallenstein-Biographie und seine Mitautorschaft bei der von ihm initiierten sechsbändigen Propyläen Geschichte Europas bekannt geworden. Sensationell wie logisch: Diwalds GESCHICHTE DER DEUTSCHEN beginnt nicht (wie beispielsweise Hallers Volksbuch „Epochen der deutschen Geschichte“) mit der Wahl des Sachsenherzogs Heinrich I. zum König des ersten deutschen Reiches, sondern in der Gegenwart, ausgehend von der Konferenz in Jalta 1945, als die deutsche Spaltung durch die Alliierten programmiert wurde.

Diwald geht in seinem Vorwort gleich in medias res; er stellt „zur Sache“ fest: „Die Geschichte der Deutschen ist so voller Komplikationen und Störungen, daß ihr historischer Zusammenhang, ja ihre Einheitlichkeit oft genug fragwürdig erschienen sind. Mit vergleichbaren Schwierigkeiten hatten es andere Völker kaum zu tun ... Unsere heutige Lage ist mit der Jahreszahl 1945 unlösbar verkettet. Mit ihr verbindet sich der verheerendste Bruch in der deutschen Geschichte. Wir können diese Tatsache einigermaßen sachlich registrieren. Im Jahr 1945 riß die historische Kontinuität der Deutschen ab. ... Das 20. Jahrhundert ist von den Katastrophen der zwei Weltkriege geprägt. Beide Male spielte das deutsche Volk einen Part, der nicht unglückseliger hätte sein können. Deshalb ist die Lage der Deutschen in der Gegenwart bestimmt von den Ergebnissen dieser Kriege und der politischen Eigenart der jeweiligen Siegermächte, unter deren Direktive sie gerieten. Unsere Nation ist auseinandergerissen, innerlich zerfetzt, die beiden Hauptkomplexe West- und Mitteldeutschland sind stärker voneinander getrennt als von den meisten Staaten des Erdballs. Von dieser Situation, die inzwischen betoniert ist bis zur Tabuisierung, hängt auch unsere Hilflosigkeit gegenüber der deutschen Geschichte ab.“

Aus diesen Fakten zieht Hellmut Diwald, der eher zu den konservativen Historikern in der Bundesrepublik zählt, geradezu progressive Schlüsse, nämlich: „Wir müssen ... die Heimsuchungen, Zusammenbrüche und Demütigungen in unsere Geschichte genauso einbeziehen wie die Erfolge und Triumphe unserer historischen Entfaltung. Territorialegoismus, Stammesstolz, Regionalpatriotismus, das Eintreten für Kaiser und Reich, oder wider Kaiser und Reich, die Konflikte Nord-Süd oder Ost-West sind Merkmale der eigensinnigen Kraft der Deutschen, Manifestationen ihrer Geschichte. Dazu gehören nicht nur die aufbegehrenden Bauern der ersten gewaltigen Revolutionen von 1524 bis 1526, sondern auch die Fürsten und Herren, deren Truppen die Aufständischen besiegten und furchtbare Rache an ihnen nahmen.

Nicht minder gehören zu dieser Geschichte die mörderischen Leidenschaften der Protestanten und der Katholiken im Dreißigjährigen Krieg, der Kampf Preußens gegen Österreich im 18. Jahrhundert, die deutschen Freiheitskämpfer gegen Napoleon, die Magnaten und Dynasten, die sich der Kräfte des Volkes zu ihrer eigenen Restauration bedienten, die deutsche Revolution des Jahres 1848, Bismarck ebenso wie Bebel, Rosa Luxemburg oder Erich Ludendorff. Ein deutscher Marxist zählt genauso zu Deutschland, zur Geschichte der Deutschen, zur deutschen Realität wie die deutschen Junker, die kaiserlichen Monokelträger, die Juden und Nationalsozialisten. Die Konfrontation der beiden Gesellschaftssysteme in West- und Mitteldeutschland ist für die Einheit unserer Geschichte charakteristischer als für ein unterstelltes Neben - und Gegeneinander sich ausschließender Bestrebungen... Wer sich entschließt, von dieser Realitätserfahrung aus den allgemeinen Zusammenhang aufzuspüren, hält einen Ariadne-Faden durch das Labyrinth der Geschichte in der Hand — wie Theseus, der Sohn des Königs von Athen, in der alten Sage. Der Kunstgriff des Theseus bedeutet für den Historiker, daß er nicht irgendwo in den dunkeln Winkeln ferner Zeiten beginnt, vielmehr dort ansetzt, wo sich der Geschichtsprozeß noch dinghaft realisiert.“

Diwald setzt also mit seiner spannenden Erzählung beim Heute an und führt zurück ins Jahr 919, als der Sachsenherzog Heinrich I. die Königswürde im ersten deutschen Reich annahm. Nach Heinrichs Tod warnte seine Frau, Tochter des Herzogs Widukind, Söhne und Töchter: „Meidet den Zwist um vergängliche Hoheit!“ Diesen Spruch sollte man gewissen politischen Profilneurotikern bei uns ins Stammbuch schreiben, wenn sie mit kleinkarierter Gschaftlhuberei das große Ganze aufs Spiel setzen, sogar mit dem Inkaufnehmen eines dritten Weltbrandes im Unterbewußtsein.

Diwalds „Geschichte der Deutschen“ ist beispielhaft mit vielen (wenn auch oft sehr kleinen) Bildern
ausgestattet, enthält zum besseren Verständnis mehrere Karten und zahlreiche Randzitate von dokumentarischem Wert, schließlich ein Registerteil. Dieses Werk sollte zum Geschichtsunterricht in den Schulen herangezogen werden. Es stellt eine hervorragende Information für Diskussionen dar. Vielleicht entschließen sich auch einige Politiker und sonstige Klugscheißer der Nation (Journalisten), es zu lesen.“

 

Hellmut Diwald und die Geschichte der Deutschen, in: Hamburger Abendblatt, 08.12.1978, von PAUL THEODOR HOFFMANN:

„Der Historiker Hellmut Diwald, Professor an der Universität Erlangen, ist während der letzten Wochen arg ins Gerede gekommen. Seine „Geschichte der Deutschen“, im Propyläen Verlag erschienen, hat die Gemüter nicht nur der Fachgelehrten erhitzt. Die wortmächtige Polemik spitzt sich jetzt heikel zu mit Golo Manns Angriff, den „Der Spiegel'„ diese Woche veröffentlicht hat. Diwald gestern im Gespräch mit uns: „Solchen Wirbel habe ich nicht ahnen können.“

Nun treibt dieser Wirbel den Autor des vorzüglich gestalteten 765-Seilen-Bandes (mit Illustrationen) vor die Interviewer, in die Diskussionsrunden und vor die Fernsehkameras. Auch Buchhandlungen rufen, weil die Leser gerade in einem Falle wie diesem unmittelbar Auskunft einholen wollen. Gestern abend vollzog sich dies in Hamburg bei Sauckes.

Diwald hat seine „Geschichte der Deutschen“ rückläufig entfaltet, von unseren 70er Jahren hin zu Heinrich I., dem ersten deutschen König. Weshalb diese Darstellungsweise? Diwald: „Von der Betroffenheit und der direkten Erfahrung her ist das der natürliche Einstieg in die Geschichte. Dies ist ein erster Versuch. Ich exponiere mich da mit.“ Daß er sich weit verwegener und vermeintlich schlimmer als hiermit exponiert hat, wird Diwald dieser Tage kräftig angekreidet.“
Paul Theodor Hoffmann

 

Wir dürfen ruhig von Geschichte sprechen, in: Hörzu, 16.-22.12.1978, von UTZ UTTERMANN:

„Er bezieht kritisch Position, setzt Fakten zum dichten Mosaik zusammen. Diwalds in einer farbigen, oft frechen, nie akademisch – trockenen Sprache vorgetragenen Detailkenntnisse bringen Geschichte von gestern ganz nahe.“ „Mit seinem zugleich unbequemen wie großartigen Werk, seit Jahrzehnten der ersten neuen umfassenden „Geschichte der Deutschen“ hilft er uns unsere Unbefangenheit wiederzugewinnen.“
Utz Uttermann

 

Rückblende, in: Capital, 12/1978.

„Die Rückblendentechnik ist Diwald beispielhaft gelungen, obwohl sie mehr als andere Chronologien deutlich macht, daß in der Geschichte eben nicht alle logisch zusammenhängt. Gelegentlich entschleiert er Klischees, so die unmittelbare Vorkriegszeit.“

 

Den Spieß umgedreht, Hellmut Diwalds „Freiheit zur Geschichte“, in: Bayernkurier, 16.12.1978, von GÜNTER DESCHNER:

„„Faszinierend! Dem Verlag ist hoch anzurechnen, daß er ein solches Buch herausgebracht hat“, urteilte die „Welt“. Von einem „Skandal in der Zunft“ sprach hingegen die Wochenzeitung „Die Zeit“ und wetterte: „Kalauer ersetzen keine Argumentation.“ Henri Nannens „Stern“ witterte sogar „eine Mammutstudie, in der die Greuel der Nazis verharmlost werden“ und warnte: „Gefährlich!“ Auch der „Spiegel“ sorgte sich schon, „ein nationales Lehrstück“, „auf Krawall angelegt“, sei plötzlich auf dem deutschen Buchmarkt aufgetaucht. Eines ist jetzt schon sicher: Kein Buch über unsere Vergangenheit rührte seit 1945 stärker an unseren Nerv als die „Geschichte der Deutschen“ des Erlanger Geschichtsprofessors Hellmut Diwald, die erst vor wenigen Wochen erschien und schon jetzt die Sensation dieses Bücherherbstes ist. Zum ersten Mal unternimmt hier ein Fachhistoriker den Versuch, die .mehr als tausendjährige Geschichte unseres Volkes seit der Gründung des ersten Deutschen Reiches 919 bis hin zur Deutschlandpolitik der SPD/FDP-Koalition geschlossen darzustellen. Aber nicht die Tatsache, daß er es tut, sondern die Art, wie er es tut, daran scheiden sich die Geister. Das hat verschiedene Gründe. Zunächst schreibt Diwald — einer größeren Öffentlichkeit bereits als Biograph Wallensteins und als der Verfasser einer großen Geschichte der Renaissance, neuerdings auch als Fernsehhistoriker bekannt — nicht mehr mit der dünnen Tinte, wie sie bei den meisten Kathederhistorikern üblich ist. Er schreibt Geschichte nicht nur von Fachmann zu Fachmann, sondern fürs Volk. Er demokratisiert sie, er erzählt sie — mit ihrem ganzen Schicksalsreichtum, ihren Tragödien und Episoden, ihrer Spannung und ihrer ganzen prallen Abenteuerlichkeit. Geschichte zum Anfassen also. Aber nicht nur Diwalds Stil, auch die Methode ist unter Historikern ungewohnt. Er beginnt nicht bei den alten Germanen, sondern er dreht den Spieß um. Geschichte wird gegen den chronologischen Strich aufgerollt. Von Willy Brandt geht es rückwärts bis hin zu Otto dem Großen, um auf diese ungewohnte Weise Zusammenhänge aufzuzeigen und Kontinuitätsbewußtsein herzustellen. Diwald will ausgehen „von der Betroffenheit des einzelnen durch die Geschichte“. Er will die Leute bei ihren selbst mit der Gegenwartsgeschichte gemachten Erfahrungen packen und dann die Gründe nach rückwärts freilegen. Erklärung der Gegenwart und nicht die bloße Erklärung, Verklärung oder Bewältigung der Vergangenheit wird so zur offenkundigen Aufgabe der Geschichte.

100 000 Exemplare hat der Berliner Propyläen-Verlag denn auch als Startauflage für das 760-Seiten-Werk gewagt, und der Erfolg beim Publikum scheint selbst die kühnsten Erwartungen der Berliner Buchmarkt-Strategen zu bestätigen: An die tausend Exemplare, so weiß man in der Branche zu berichten, gehen heute Tag für Tag aus den Sortimenten.

Den Deutschen also, um die es geht, scheint die Darlegung ihrer Geschichte, so wie Diwald sie betreibt, zu liegen. Das ist nicht verwunderlich. Denn für ihn ist die deutsche Geschichte nicht länger „eine Einbahnstraße ins Verderben“. Er nimmt sie aus dem Bereich der einseitigen Verdammungsurteile nach 1945 heraus und stellt historische Fragen neu — nüchtern, aber mit dem Mut, fast mit der Lust zum Unbequemen, ohne Scheu vor Tabus. Daß er diese Nüchternheit auch bei der bis heute weithin unter der moralischen Zwangsvorstellung des „dafür“ oder „dagegen“ leidenden Zeitgeschichte durchhält, daß er bei der Erörterung von Weimar, Drittem Reich, Zweitem Weltkrieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht nur die deutschen Fehlentwicklungen oder die von Deutschen begangenen Verbrechen, sondern daneben auch die Deutschland entlastenden Fakten darlegt und damit erst das ressentimentfreie Verstehen dessen, „wie es denn gewesen“, möglich macht, dafür mußte man vielleicht erst auf einen Historiker aus der Generation von Diwald — Jahrgang 1929 — warten.

Diwald räumt den Schutt ab, den dreißig Jahre mehr moralisch als sachlich geführte Vergangenheitsbewältigung vor dem Panorama der deutschen Geschichte aufhäuften. Er will seinen Lesern den Blick öffnen für die Gemeinsamkeiten aller Deutschen, für Gemeinsamkeiten, die sich auch nicht durch innerdeutsche Grenzen auseinanderschlagen lassen. Das Echo, das sein Buch schon heute gefunden hat, ist für ihn ein Signal dafür, daß wir wieder über uns und unsere Zusammengehörigkeit als Volk nachzudenken beginnen. Diwald: „Wir haben eine völlig neue Freiheit zur Geschichte und wollen sie auch nutzen.““
Günter Deschner

 

Ein Volksbuch zur Geschichte, in: Buch aktuell, 3/1978.

Mit einer bemerkenswerten verlegerischen Leistung will Propyläen die Idee des „historischen Volksbuches“ wieder aufleben lassen: Auf 768 Seiten erzählt Hellmut Diwald die Geschichte der Deutschen; für nur 48,- DM ist das reich ausgestattete Werk im Buchhandel zu haben.

In den letzten Jahren haben es die Verlage Ullstein/Propyläen allemal verstanden, zur Buchmesse im Oktober in Frankfurt für Aufsehen zu sorgen: Zur Buchmesse ist die große Hitler-Biographie von Joachim Fest, aber auch die „Erinnerungen“ und „Spandauer Tagebücher“ von Albert Speer sind zu diesem Termin vorgestellt worden, seine preiswerten Sonderausgaben „Die gelben Bücher“ präsentiert, und in Frankfurt hatte Max Schmeling mit seinen „Erinnerungen“ Premiere.

In diesem Jahr feierten Autor, Verlag und Buchhändler in Frankfurt das Erscheinen eines Bandes, der allerbeste Aussichten hat, zu einem Erfolg wie die vorgenannten Bücher zu werden: Die „Geschichte der Deutschen“ mit der Hellmut Diwald erstmals den Versuch unternommen hat, deutsche Vergangenheit im gegenchronologischen Verfahren zu beschreiben.

Der Band beginnt mit der Konferenz in Jalta und geht sodann über die beiden Weltkriege zurück bis in das Jahr 919 als Sachsenkönig Heinrich I. zum ersten König des deutschen Reiches gewählt wurde.

Anders als andere Historiker stellt Diwald deutsche Geschichte so dar, wie sie sich dem Leser unserer Tage offenbart: Ausgehend von dem heutigen Erkenntnis- und Wissensstand verfolgt er rückläufig die Ereignisse die Geschichte gemacht haben und geworden sind.

Deutsche Geschichte – das ist eine Häufung von Komplikationen und Störungen, in der sich der historische Zusammenhang und Einheitlichkeit nur schwer erkennen lassen. Franzosen, Engländer, Italiener oder Griechen hatten mit solcher Problematik nichts zu tun, weil sie sich als Volk sehr bald formierten und weil ihr Territorium frühzeitig abgesteckt war.

Der Begriff „Deutschland“ hingegen – und in seinem präziseren Sinne „Deutsche“ – sind historisch und geographisch, politisch und sprachlich zu einer Zeit festgelegt worden, da andere Völker in Europa ihren Wunsch, sich national zu formieren, schon realisiert oder doch unmißverständlich ausgedrückt hatten.

Weite Strecken der Geschichte sind erfüllt von Kämpfen der Deutschen in den eigenen Reihen, die oft leidenschaftlicher geführt worden sind als die Kriege gegen fremde Völker. Diese bedrückende Problematik spiegelt sich auch in der gegenwärtigen Situation der deutschen Republiken die nach 1945 geschaffen worden sind.

Weil es ohne Geschichtsbewußtsein weder eine sozialkulturelle noch politische Selbstbehauptung gibt, muß Geschichte immer wieder neu geschrieben werden – das ist der Ansatzpunkt für die „Geschichte der Deutschen“. Diwald begnügt sich nicht damit, Situationen zu registrieren und Entwicklungen zu dokumentieren, sondern er liefert mit seinem Buch einen engagierten Beitrag zum historisch begründeten Selbstverständnis der Deutschen.

Daß dieses bedeutende Werk bei Propyläen in Berlin erscheint, ist kein Zufall. Seit der ersten „Propyläen Weltgeschichte“ in den 30er Jahren – damals in editorischer Sorgfalt und buchkünstlerischer Ausstattung eine Sensation, hat der Verlag das Thema Geschichte zu seinen Schwerpunkten erkoren. Das belegt nicht nur die heute als Maßstab geltende neue „Propyläen Geschichte Europas“, die sich erstmals ausschließlich auf Werden, Wachsen und Selbstbehauptung dieses Kontinents konzentriert hat.

Daß eben dieser Propyläen Verlag gerade Hellmut Diwald als Autor für den Band „Propyläen Geschichte der Deutschen“ verpflichtet hat, ist ebenso wenig ein Zufall. Spätestens seit Erscheinen des Auftaktbandes „Propyläen Geschichte Europas“, den Diwald unter dem Titel „Anspruch auf Mündigkeit“ herausgegeben hat, gilt der Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg „als ein junger Jacob Burckhard“.

Wie der berühmte Berner Historiker („Kultur der Renaissance in Italien“, „Weltgeschichtliche Betrachtungen“, Griechische Kulturgeschichte“), so versteht es auch Diwald, die Formen herkömmlicher Geschichtsschreibung zu verlassen und den Leser mit seiner fesselnden Darstellung zu gewinnen.

Dies alles zusammengenommen, waren für Propyläen Voraussetzungen genug, ein ungewöhnliches Experiment zu wagen. Hätte der Verlag das Buch in einer herkömmlichen Auflage von 5.000 oder auch 10.000 oder 20.000 Exemplaren erscheinen lassen, wäre ein Preis unter 100,- DM kaum denkbar gewesen. Der Mut, den Erfolg einfach vorauszusetzen und mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren zu beginnen, ließ jedoch den Preis von nur 48,- DM möglich werden.“

 

Deutsche Geschichte, in: Die Industrie, 01.12.1978.

„In der Tat ein ganz großer Wurf, diese neueste Werk des deutschen Historikers, der sich relativ früh in die Spitzengruppe der deutschen Historiographie eingereiht hat. Endlich einmal ein Historiker, der den Mut hat der Selbstzerstörung der Geschichte und damit ihrer Vergangenheit durch die Deutschen entgegenzutreten. Von dieser Prämisse geht er aus: Die Deutschen seien mit ihrer Vergangenheit „zutiefst verfeindet“, man habe ihnen ihre Geschichte bewußt Genommen, nach 1945, als im Rahmen der „Umerziehung“ – in zuweilen läppischer Manier – versucht wurde, eine gerade Linie von Hitler zu großen Persönlichkeiten der deutschen Vergangenheit zu ziehen.

Diwald legt ein Volksbuch vor, er erzählt Geschichte, oft journalistisch unterhaltsam, sein Einstieg ist bemerkenswert: Er beginnt bei der jüngsten Gegenwart und schreitet von da die Vergangenheit etappenweise ab. Was an ihm und seinem Werk so fasziniert, ist die Zivilcourage, die er bekundet, auch wider den herrschenden Trend zu denken und zu schreiben. Allein schon deswegen verdient dieses Buch höchste Aufmerksamkeit!“

 

Diwald – Geschichte, ein großer Versuch, in: Student, Nr. 82, März/April 1979, von KLAUS KUNZE:

„Selten genug, daß ein einzelner Historiker es auf sich nimmt, die gesamte Geschichte der Deutschen in einem einzigen Werk abzuhandeln; seltener noch, daß ein Geschichtsbuch überhaupt das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit weckt und erbitterte Debatten bis in die Leserbriefspalten unbedeutender Provinzpostillen auslöst, Hellmut Diwald, Jahrgang 1929 und ord. Professor an der Universität Erlangen, hat beides erreicht, und das schon wenige Wochen nach dem Erscheinen der inzwischen vergriffenen „unzensierten“ 1.-100. Tausend seines Werkes zur Buchmesse 1978. Dabei ist es nicht Diwalds „gegenchronologisches Verfahren“, welches die Gemüter erhitzt: Um „von der unmittelbaren Betroffenheit, der direkten Erfahrung der Geschichte“ durch den Zeitgenössischen Leser auszugehen, wie der Autor in der Welt vom 18.12.1978 schreibt, hält er den Bewohnern der drei deutschen Nachkriegsrepubliken den Spiegel vor.

Wie konnte es zu dieser unserer Gegenwart eigentlich kommen? Über drittes Reich, Weimarer Republik, und Kaiserreich spannt er den Bogen bis hin zur Krönung Heinrichs I. zum ersten deutschen König. Auch Diwalds klarer Erzählstil der dem Leser selbst schwierige Zusammenhänge anschaulich und begreiflich werden läßt, trug ihm nicht die Kritik seiner Fachkollegen ein, die allzuoft Geschichte auf bloßes Anhäufen trockener Fakten reduziert hatten.

Nein, es waren die Seiten 164—165 seines Werkes die einen wahren Kreuzzug der Rechtgläubigen gegen ihn auslösten. Da wagt es doch ein beamteter Hochschullehrer, ansässig ausgerechnet in Bayern, zu behaupten, zentrale Fragen des Schicksals der Juden im NS-Staat seien noch ungeklärt! „Jeder moralisch einigermaßen berührbare Mensch wird bei dieser Thematik von Entsetzen. Ohnmacht und grenzenloser Trauer ergriffen“, schreibt Diwald in „Criticon“ (1977, S. 258). Als Historiker kommt er jedoch um die Feststellung nicht herum: „Vor der Kulisse der abscheulichen Entrechtung der Juden im Drillen Reich wurden seit 1945 nicht nur zahlreiche Schriften veröffentlicht, die den Umfang des Schrecklichen abzustecken versuchen, sondern ebenso viele Behauptungen aufgestellt, die sich nicht beweisen ließen und die das unfaßlich Schandbare durch einen ebenso unfaßlichen Zynismus erweiterten: nämlich eines der grauenhaftesten Geschehnisse der Moderne durch bewußte Irreführungen, Täuschungen, Übertreibungen für den Zweck der radikalen Entwertung eines Volkes auszubeuten. Der ungeheure Dokumentenberg über die Vernichtung der Juden, der für die verschiedenen Kriegsverbrecher-Prozesse zusammengetragen wurde, türmt sich über der Basis einer ungeheuren Zahl unhaltbarer Berichte, zweckhafter Bildmontagen, statistischer Phantasieprodukte.“ „So nannten die Alliierten Vernichtungslager, von denen es in Deutschland kein einziges gegeben hat. Oder es wurden jahrelang im KZ Dachau den Besuchern Gaskammern gezeigt, in denen die SS angeblich bis zu 25000 Juden täglich umgebracht haben soll, obschon es sich bei diesen Räumen um Attrappen handelte, zu deren Bau das amerikanische Militär nach der Kapitulation inhaftierte SS-Angehörige gezwungen hatte“ (Geschichte der Deutschen S. 165). „ Für das Grundsätzliche spielte das keine Rolle, hier bleibt allein ausschlaggebend die Feststellung, daß in der Tat schon ein einziger aus Gründen des Rassenantisemitismus ermordeter Jude zuviel gewesen wäre“ (Criticón a.a.O.).

Nun mag man über Einzelheiten streiten, solange die ehemaligen Alliierten nicht jene hundert Tonnen deutschen Aktenmaterials der deutschen Quellenforschung zugänglich machen, das sie während der Besatzung erbeuteten. Wie Diwald betont, lagert sämtliches Material das die Frage der Judenmorde aufhellen könnte, bis heute unzugänglich in amerikanischen, französischen und sowjetischen Geheimarchiven. Insbesondere über die heute im Ostblock liegenden ist historisch verwertbares Faktenmaterial Mangelware. Nicht zu Streiten ist demgegenüber um Diwalds eindeutige Stellungnahme gegen die Verbrechen des SS-Staates. Doch offenbar ist in Deutschland heute alles möglich, selbst die frechste Verdrehung der Tatsachen. „Spiegel“ – Redakteur Georg Wolff meldete sich zu Wort und versuchte, Diwald ob seiner oben genannten Ausführungen zum Nazi hochzustilisieren. Wolff, der höchstselbst bis 1945 als SS-Führer von beachtlicher Ranghöhe in Norwegen als SD-Funktionär eingesetzt war, während Diwald noch die Schulbank drückte. Armin Biergann gar verstieß sich in der „Kölnischen Rundschau“ zu den Anwürfen Diwald sei „ein verblendeter Kopf“ von „kaum verhülltem Antisemitismus“. Offensichtlich kannten diese Journalisten Diwalds Buch nur vom Hörensagen. Noch unerfreulicher fiel jedoch das Verhalten Golo Manns auf, renommierter Historiker wie Diwald und harter Konkurrent um Auflagenziffern und Tantiemen: Mann hat gleich Diwald eine Wallenstein – Biographie und eine „Deutsche Geschichte“ verfaßt und konnte es sich nicht verkneifen, dem Kollegen bei dieser Gelegenheit eins auszuwischen. Diwalds Feststellungen zur Frage der Judenverfolgungen seien das Ungeheuerlichste, was er seit 1945 in einem deutschen Buch habe lesen müssen. Diwald leugne jeglichen Judenmord glatt ab. Der unparteiische Zuschauer dieser Professorenpolemik wird sich der obigen Diwald – Zitate entsinnen und Golo Mann einen Stil attestieren müssen, der weit unter seinem gewohnten Niveau liegt.

Angenehm fällt an Diwalds Gesamtwerk auf, daß er kein innerlich gebrochenes Verhältnis zur deutschen Geschichte, hat, so wie Mann und manch anderer Historiker. Wie die in München erscheinende „Neue Zeit“ bemerkt, war die Geschichtsschreibung der 1950er und 60er Jahre, soweit sie das Verhältnis unseres Volkes zu sich selbst betraf und sich nicht auf „reine“ Wissenschaft zurückgezogen hatte, von zwei sich ergänzenden Tendenzen geprägt: Zum einen sollte sie zeigen, wie in der Vergangenheit des deutschen Volkes alles schiefgelaufen sei, nämlich in gerader Linie von den Staufern über Friedrich den Großen und Bismarck zu Hitler. Ferner sollte sie zeigen, wie aber doch in der Geschichte anderer Völker die Errungenschaften von Demokratie und Menschenrechten sich erfreulich ausprägten und durch brüderliche Hilfe dem etwas zurückgebliebenen deutschen Volke vermittelt wurden. Im Zuge einer „demokratischen Umerziehung“ wurde den Besiegten ein Ekel vor sich selbst angewöhnt, ihre Geschichte und Identität ausgetrieben, weggenommen wie Diwald in der WELT vom 18.11.1978 schreibt. Schon vor dem deutschen Historikertag 1976 hatte er darauf hingewiesen: „Der Deutsche nach 1945 wurde von den alliierten Siegern als eine Art krimineller Patient behandelt, dessen politische, moralische, charakterliche Korrumpierung nur noch mit drastischen Mitteln zu heilen war… Das Verdikt über die deutsche Geschichte führte zu einer Abwendung von der Geschichte überhaupt und wirkte sich dann konkret als Verlust der Geschichte aus.“

Die Geschichte der Deutschen aus dem Bereich dieses einseitigen Verdammungsurteils herauszunehmen, ist das Hauptanliegen des Autors: Nach 1945 „wurde sie vor den Richterstuhl der Ewigkeitsmoral gezerrt und ihr der der Prozeß gemacht, sie wurde abgeurteilt, exekutiert und dann versuchte man de Kadaver an einem unbekannten Ort zu verscharren. Die Geschichte … nimmt solche Behandlung übel. Sie verfügt um ein beängstigend dimensioniertes Standvermögen“ (Criticón 1977, S. 256). Man kann nicht vor sich davonlaufen: heute steht eine neue Generation der Geschichte ihrer Vorfahren wieder freimütige gegenüber. „Sie weiß, daß zu dieser Geschichte ungeheure Verbrechen gehören, daß sie sich jedoch darin nicht erschöpft.“ Diwald führt uns die großen Perspektiven unserer Vergangenheit vor Augen und zeigt letztlich, daß die Geschichte der Deutschen noch lange nicht an ihrem Ende angelangt ist.“
Klaus Kunze

 

Demokratie heißt nicht Tendenz: Nichts als die Wahrheit…, Professor Hellmut Diwald und die Freiheit der Wissenschaft in Deutschland, in: Sonntagspost, 15.04.1979, von FRITZ RAGGE:

„An dem weiteren Schicksal der neuen „Geschichte der Deutschen“ von Hellmut Diwald wird sich ablesen lassen, ob wir in der Bundesrepublik Deutschland eine Freiheit der Wissenschaft haben oder nicht.

Dazu muß erst einiges Erklärendes gesagt werden. Die Geschichte der Wissenschaft von der Geschichte kennt von Prokop bis Professor Fischer ganz gewiß den Typ des Hofhistorikers, jenes Historikers also, der auf die eine oder andere Weise eine Rechtfertigungs- und Verherrlichungsgloriole auf die jeweils bestehenden Herrschaftszustände schreibt und dabei dann durch Weglassungen, Aufbauschungen, kurzum durch Tendenziöses sich das freundliche Schulterklopfen, die Orden und das Gold des jeweils Mächtigen erdient. Und Mächtige können auch einflußreiche Cliquen in der Demokratie sein. Dieses der Wahrheit gegenläufige Verfahren einer Geschichtsschreibung war den jeweils Herrschenden wohlgefällig, wenngleich man eigentlich denken sollte, daß eine freie Demokratie einer Geschichtsschreibung günstig gesonnen sei, die sich an der Wahrheit ausrichtet, nicht jedoch an der Pflicht zur parteiischen Glorifizierung oder Verdammung.

Wie wir noch erkennen werden, ist das offensichtlich nur sehr bedingt der Fall. Demokratie scheint hierzulande immer mehr mit bestimmten inhaltlichen Vorstellungen gleichgesetzt zu werden, etwa nach der Formel: Wer Vertreibungsverbrechen so benennt, ist kein Demokrat, wer Vertreibungsverbrechen aber Bevölkerungstransfer nennt, der ist ein echter Demokrat. Wer beschreibt, wie die Weimarer Demokratie in einem Ermächtigungsgesetz untergegangen ist, dem außer den Sozialdemokraten 80 Prozent aller Reichstags-Abgeordneten aller anderen damaligen Parteien freiwillig zugestimmt haben, ist kein Demokrat. Ein Demokrat ist nur, wer am Untergang der Weimarer Demokratie ausschließlich Hitler die Schuld gibt.“

So etwa, das haben wir inzwischen erlebt, wird gegen die „Geschichte der Deutschen“ des Erlanger Universitäts-Prof. Hellmut Diwald argumentiert.“ …

 

 … „Für die Geschichtswissenschaft in der Demokratie, die als Wissenschaft einen besonderen Schutz genießt, kann es niemals darum gehen, um einer politischen Tagesmeinung willen eine Tatsache anders darzustellen, als sie sich aus den Dokumenten und Quellen ergibt. An dieses Grundgebot einer freien Geschichtsschreibung aber hat sich Professor Hellmut Diwald gehalten und daß er das tat, nimmt man ihm übel. So sehr, daß man ihn und den Verlag — so darf man wohl annehmen — unter Druck setzte, in einer Neuauflage die politisch unerwünschten Textteile seines Buches zu ändern. Jedenfalls gab der Verlag kürzlich bekannt, daß die folgende Auflage des Geschichtswerkes im Text geändert werde. Besitzt Professor Diwald jenen Luther-Mut nicht, der da zu sagen wagte, er sei nur bereit Änderungen zuzustimmen, falls man ihm aufgrund von Dokumenten Fehler nachweise, sonst aber nicht.“ …

 

... „Professor Diwald hielt sich an die geschichtlichen Tatsachen. So ist sein Buch zum Beispiel von der Grundtatsache her angelegt, daß es eine — zwar problematische und von vielen partikularen inneren Kämpfen geprägte — gemeinsame Geschichte des deutschen Volkes gibt und daß dieses deutsche Volk heute staatlich in drei Teile zerfallen ist, die sogenannte „DDR“, die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich. In diesem Zusammenhang verweist Hellmut Diwald nicht nur darauf, daß Wien viele Jahrhunderte die Hauptstadt des Deutschen Reiches gewesen ist, und daß die Deutsche Kaiserkrone noch heute in Wien gehütet wird. Er verweist darauf, daß die Deutsch-Österreicher und die Sudetendeutschen 1918/19 den Anschluß an die Großdeutsche Republik forderten.

Die Vorstellung, daß es undemokratisch sein könne, diese geschichtlichen Tatsachen als demokratisch festzustellen, zeigt, wie sehr der Begriff Demokratie pervertiert werden kann. Noch mehr liegt diesen Leuten natürlich im Magen, daß Professor Diwald die jüngere deutsche Geschichte auch anhand der Tatsachen beschreibt. So wird eindeutig klargestellt, daß in Versailles ein Diktat-Friede erzwungen wurde, der — vor allem im Osten — gegen das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen verstieß und dadurch von Anbeginn den Keim eines neuen Krieges legte, übrigens ein Faktum, auf das weitsichtige Politiker der Alliierten bereits 1919 hingewiesen haben. Da solches trotzdem nicht in das Bild eines angeblich ewig kriegslüsternen Volkes paßt, muß man das dann wohl für undemokratisch ausgeben. Je näher man der Gegenwart kommt, desto schrecklicher wird Diwalds Wahrheit den Manipulateuren.

So bezeichnet Diwald etwa den Nürnberger Prozeß als glatte Siegerwillkür im Gewande der Justiz und schließt seine Darstellung so:

„Die Hinrichtungen fanden in der Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1946 im Nürnberger Gerichtsgebäude statt. Die Leichen wurden verbrannt. Hohe Offiziere der vier Sieger verstreuten die Asche in einem seltsamen symbolischen Ritual in alle Winde ...“, um dann fortzufahren ... „Juristen, Politiker, Theologen waren sich lange vor Beginn des Prozesses über die schwerwiegenden Mängel des Verfahrens einig. Am stärksten waren sie jedoch von der grundsätzlichen Fragwürdigkeit dieses Tribunals bedrückt.“ Eine Kritik, die keineswegs auf Diwald beschränkt ist, sondern selbst in Juristenkreisen der Sieger geäußert wird.

Für jene, die Demokratie mit Tendenz verwechseln, aber kommt es noch schlimmer. Unter der Kapitel-Überschrift „Die Endlösung“ gefriert für jene Tendenziösen die von Diwald aufgrund der sachlichen Beweislage geschilderte Tatsache zu dem „volkspädagogisch Schädlichsten“, was seit 1945 veröffentlicht wurde. Nachdem Diwald zunächst die manische Judenphobie Hitlers als solche kennzeichnet und auch angeklagt hat … „

 

… „So ist, wie Diwald schreibt, „Auschwitz das deutsche Stigma dieses Jahrhunderts. Es ist ein Symbol des Entsetzens, doch es ist auch symbolisch für die sowohl tatsächlich nachzuweisenden als auch gegen besseres Wissen absichtlich hineingedeutete Gleichsetzung vom Dritten Reich und Deutschland.“

Da Diwald diese Dinge entsprechend dem historischen Tatsachenbestand, nicht aber entsprechend der politischen Propaganda wiedergibt, muß von ihm zugunsten der Propaganda- und Hofhistoriker offenbar eine Änderung seiner wissenschaftlichen Aussage erzwungen werden. Da kann man nur sagen: Rettet die Wissenschaftsfreiheit der Demokratie vor den politischen Manipulateuren. Eine Demokratie, in der die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr ist, ist selbst in höchster Gefahr.“
Fritz Ragge

 

Durchbruch zu neuer Geschichtsbetrachtung, Ein Ereignis auf dem Büchermarkt: „Geschichte der Deutschen“ von Hellmut Diwald, , in: NN, von MARTIN JENKE:

„Das jetzt erschienene Werk „Geschichte der Deutschen“ von Professor Diwald (761 Seiten, über 800 Bilder, Vignetten und Karten, 48.- DM, Propyläen-Verlag Berlin; Startauflage 100.000!) ist nicht nur ein publizistisches, sondern auch ein politisches Ereignis. Von nun an wird insbesondere die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts von vielen Menschen anders beurteilt werden, als dies bisher „offiziell“ geschehen ist. Oder genauer: Viele, sehr viele Menschen, die im Grunde bisher nicht an die extremen Pendelausschläge berufener und unberufener Geschichtsdeuter vor und nach 1945 geglaubt haben, werden sich bei der Lektüre des Werkes von Professor Diwald bestätigt finden, daß alles differenzierter, vermischter, miteinander bedingter war. Nun haben sie eine Leitlinie für sich und ihre Kinder. Plumpe Schwarz-Weiß-Malereien nach dieser oder jener Richtung sind künftig unglaubwürdig.

Unsachliche Angriffe („Die Zeit“) auf den persönlich unangreifbaren 49jährigen Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Erlangen, der in Fachkreisen schon im Jahre 1969 mit seiner Wallenstein – Biographie und später mit der Geschichte der Renaissance Aufsehen erregte, sind von lizensierter „Umerziehungs- Ecke“ ebenso unangebracht wie eventuelle Lobhudeleien rückwärtsgewandter Schmalspur Nationalisten, die sich nur das herauspicken, was ihre Vergangenheit „reinwäscht“. Auch der Nachweiß des einen oder anderen kleinen Fehlers im Buch (den es bei solch einer Materialfülle gibt), auch das Nichtübereinstimmen mit dieser oder jener Beurteilung ändert nichts daran, daß hier ein großer Wurf gelungen ist, da mit Wissen und Mut geschildert wird, „wie es gewesen ist“ …

 

… „Ein Volksbuch. Der Rückblick auf die Zeit bis zum Versailler Diktat umfaßt in seinem Buch etwa 250 Seiten, also ein Drittel.: Das zweite Drittel geht ungefähr bis zum Dreißigjährigen Krieg zurück; während dann das letzte Drittel in gleichfalls komprimierter, das Wesentliche zusammenfassender Form die Zeit bis 919 behandelt. Da wird auch entfernte Geschichte lebendig, überraschend neue Aspekte werden aufgezeigt und trotz mancher verkürzten Darstellung (andernfalls hätte der viele Stoff nicht in einem Band zusammengefaßt werden können) steht jede Epoche plastisch vor Augen.

Wer sich überhaupt für Zeitgeschichte und für die Vergangenheit seiner Eltern und Vorfahren, seines Volkes und der europäischen Nachbarvölker   interessiert, wer sich selbst oder seinen Kindern ein Geschenk machen will, sollte die 48 Mark für das bedeutende Buch nicht scheuen. Er hat damit einen Leitfaden durch die letzten tausend Jahre.“
Martin Jenke

 

Diwald ein Ärgernis? Rudolph Pörtner las Hellmut Diwalds „Geschichte der Deutschen“, in: Westermanns Monatshefte, 8/1979, von RUDOLPH PÖRTNER:

Wir haben eine Geschichte, die gehört uns“, erklärte letzten Sommer Hellmut Diwald in einem Interview mit „Westermanns Monatsheften“ (siehe WM 10/79). Seine von diesem Gedanken getragene „Geschichte der Deutschen „ wurde In der Folge zum meistumstrittenen Geschichtswerk der letzten Jahre: Diwald ein Nationalist, ein Beschöniger, gar ein Chauvinist? Wir baten Rudolf Pörtner um sein Urteil.

„Das Buch hat böse, sehr böse Kritiken bekommen. Es ist mehrfach regelrecht exekutiert worden, und zwar von renommierten Richtern. Der Mainzer Historiker Karl Otmar von Aretin nannte die Publikation seines Erlanger Kollegen „wirr und dumm“, „durch keine Ergänzung zu retten“. Golo Mann sprach von dem „Ungeheuerlichsten“, das er seit 1945 „habe lesen müssen“, der „Spiegel“ von einem auf Krawall angelegten „nationalen Lehrstück“, der „Stern“ von einer Mammutstudie, die „die Greuel der Nazis verharmlosen solle“ -und was dergleichen Verdammnisurteile mehr waren.

Alle diese Keulenhiebe galten der GESCHICHTE DER DEUTSCHEN von Hellmut Diwald, der seine geistige Unabhängigkeit und wissenschaftliche Kompetenz bereits mit einer hervorragenden Wallenstein-Biographie und einer tiefgründigen Darstellung der Wende vom späten Mittelalter zur Neuzeit bewiesen hat. Diwald, Jahrgang 1929, hat sich gegen die polemischen Attacken, die bei Licht besehen gegen ganze anderthalb Seiten seines 760 Seiten starken Buches geritten wurden, mit Leidenschaft und guten Gründen gewehrt. Er meint, daß er seinen Abscheu über die Verbrechen des Hitler-Regimes mit gebührender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht habe und daß es nicht nur das gute Recht, sondern auch die Pflicht und Schuldigkeit der Geschichtswissenschaft sei, auf die vielen noch ungeklärten Fragen hinzuweisen, die auch bei einer gewissenhaften Durchleuchtung der sogenannten Endlösung der Judenfrage bisher unbeantwortet geblieben sind. Zum Beispiel: Wann haben die westlichen Alliierten erstmals von dem methodisch durchgeführten Massenmord erfahren? Warum haben sie die Deportationen nach Auschwitz und Maidanek nicht durch die Zerbombung von Bahnhöfen und Gleisanlagen behindert? Zum Beispiel: Warum sind die einschlägigen, meist in angelsächsischem Besitz befindlichen Quellen bislang nicht veröffentlicht?

Diwald vermutet hinter der Tatsache, daß „viele zentrale Fragen, die mit dem Schicksal der Juden im Dritten Reich zusammenhängen“, gewissermaßen aus dem Verkehr gezogen sind, eine Fortsetzung des nach dem Zweiten Weltkrieg begonnenen Versuches, die gesamte deutsche Geschichte zu diskriminieren, das heißt: sie nicht „sachbezogen zu inspizieren und zu interpretieren, sondern moralisch zu disqualifizieren“. Er hat nun mit seinem Buch, wie er meint, sich lediglich der Aufgabe unterworfen, die Deutschen zu lehren, ihre Geschichte wieder etwas vorurteilsloser zu begreifen, frei von der obligaten, ihnen sozusagen verordneten- Sündenbocktheorie. Diese Einstellung bestimmt Diktion und Perspektiven seines Buches. Für patriotisches Pathos und vaterländische Geschichtsverklärung ist da kein Platz, dafür aber für bohrende Analyse und scharfsinnige Kombination.

Noch etwas hat zahlreiche Kritiker auf die Palme gebracht. Diwald hat seine „Geschichte der Deutschen“ gewissermaßen rückwärts erzählt. Er ist von der Gegenwart ausgegangen und von dort über das Zweite Reich und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation nach einem mehr als tausendjährigen Marsch zu den Sachsenherrschern gelangt. Um ehrlich zu sein: So sehr wichtig ist der Streit um Nutzen und Anwendbarkeit dieser Methode nicht. Es spricht nicht viel dafür, aber sie ist legitim und hat ihre Reize - warum also nicht.

Wichtiger ist, daß Diwald sich in seinem Buch als hervorragender Stilist erweist. Er straft damit das nicht umzubringende Gerücht Lügen, daß der Atem der deutschen Historiker für eine zusammenfassende, auch ästhetischen Normen und Kriterien genügende Darstellung nicht mehr ausreiche. Er hat seinen Stoff fest im Griff. Er kennt sich nicht nur in den Dschungeln der großen Politik und der Haupt- und Staatsaktionen aus, er weiß nicht nur um die technischen und wirtschaftlichen Antriebe und die Bedeutung zündender Ideen und verbindlicher Ideale, er vermag auch akkurate Porträts zu zeichnen, farbige historische Landschaften zu entwerfen und überlieferte geschichtliche Szenen mit Leben zu erfüllen. Und er bemüht sich um die rechte Mitte. Er verketzert nicht, er zelebriert nicht, er verzichtet auf romantische Spektakel. Er wagt es aber, Fragezeichen zu setzen und sich der hochmütigen Allüre des Allwissenden zu enthalten. Trotzdem riskiert er Werturteile und subjektive Meinungen - kurzum: er schreibt Geschichte mit dem Mut, einen Neuanfang zu machen und sich dabei gründlich in die Nesseln zu setzen, die seine Kollegen inzwischen bergeweise für ihn ausgesät haben.

Das alles sollte man nicht nur respektieren, sondern aufrichtig begrüßen. Auch wenn man nicht alle seine Meinungen teilt; auch wenn man das Gefühl hat, daß vieles anfechtbar ist. Der Weg zur Wahrheit ist eben nicht nur mit gutem Willen, sondern auch mit Mißverständnissen und Fehleinschätzungen gepflastert.“
Rudolph Pörtner

 

Diwald vorn: Die zehn Besten, in: Stuttgarter Zeitung, 04.01.1979.

“Die vom Bayerischen Rundfunk zusammengestellte Liste der zehn besten politischen Bücher liegt jetzt wieder vor. 18 Fachjournalisten haben als Jury die nach ihrer Meinung wichtigsten Bücher bewertet. Für den Herbst 1978 kamen sie zu folgendem Ergebnis: 1.Hellmut Diwald: Geschichte der Deutschen, Ullstein. 2.Alfred Grosser: Das Bündnis, Hanser. 3.Robert Havemann: Ein deutscher Kommunist, Rowohlt.”

Hellmut Diwald – Die Geschichte der Deutschen, in: www.inkultura-online.de/helldiwa.htm

Alle Versuche die Deutsche Geschichte auf die Zeit des Nationalsozialismus zu reduzieren, hat Hellmut Diwald 1978 mit seinen monumentalen Werk über die „Geschichte der Deutschen“ widerlegt. Im Jahr 1999 wurde dieses Buch erneut, diesmal erweitert mit einer Fortschreibung von Karlheinz Weißmann, verlegt.

Auch wenn seit der Erstausgabe mehr als 20 Jahre vergangen sind, kann man dem Buch eine Aktualität bescheinigen, die manch anderem historischen Werk zum gleichen Thema nicht zugesprochen werden kann. Kennzeichnend für das Buch ist die Methode Diwalds, die Geschichte von der jüngsten Zeit aus zu beschreiben und sich von hier aus rückwärts in die Geschichte zu begeben.

Diwald beschreibt erst die historischen Ereignisse. Das Ergebnis steht im jeweiligen Vordergrund und erst hieraus werden die Handlungen die zu ihm geführt haben verständlich. Ob es sich dabei um die Vorgeschichte des Nationalsozialismus, des 1. Weltkriegs, des Deutschland unter Bismarck oder des 30- jährigen Krieges handelt, immer zeigt Diwald Fehler und Interpretationsschwächen der beteiligten Politiker, bzw. Königen oder Kaisern auf. Geschichte ist für Diwald nicht monolithisch determiniert, sondern sie überläßt den Handelnden Spielräume des Agierens und des Reagierens.

Historische Fehleinschätzungen kommen dabei ebenso schonungslos ans Tageslicht, wie nationale Eitelkeiten und Verwirrungen. Geschichte passiert nicht einfach, sondern sie wird von realen Menschen gemacht. Da wo Menschen agieren kommt es auch zu Fehlern und Mißverständnissen. Diwald zeigt solche ohne ideologische Rücksicht auf.

Überhaupt fällt an diesem Werk die historischen Objektivität wohltuend auf. Fern von dem gerade schon in den späten siebziger Jahren dieses Jahrhunderts herrschendem Mainstream in der historischen Forschung, gelang es Diwald meisterhaft die Geschichte der Deutschen darzustellen.

Er verweist auf bestimmte Kontinuitäten im Deutschen Wesen, aber auch auf gewisse immer wiederkehrende Probleme um Verhältnis zu anderen Nationen, wie z. B. England und Frankreich.

Ohne ideologische Festlegung führt Diwald den Leser durch die Deutsche Geschichte. Nicht irgendeine Parteiprogrammatik oder eine zu beweisende historische Theorie führt in dem Buch Regie, sondern die mehr oder weniger nüchternen Ergebnisse politischen Handelns. Der Autor zeigt Fehlentscheidungen und falsche Interpretationen auf, die zu historischen Katastrophen für das Deutsche Volk geführt haben. Der zweite Weltkrieg und der 30-jährige Krieg sind nur zwei von vielen Beispielen.

Das Buch besticht durch die Art und Weise, wie es Gesamtzusammenhänge darstellt. Es nimmt Abstand von der üblicherweise vorkommenden Fachterminologie und beschreibt schon fast literarisch die gesamte Deutsche Geschichte. Niemals langatmig, sondern immer fesselnd und historisch genau bearbeitet Diwald dieses komplexe Thema.

Wenn in unseren Schulen außer den 12 Jahren Nationalsozialismus überhaupt noch Geschichte gelehrt wird, dann sollte dieses Buch zum Unterrichtsstoff gehören. Aber das verhindert zur Zeit leider der aktuelle politischen Mainstream.

 

Unwillige Rückkehr in die große Politik, Karlheinz Weißmann hat Hellmut Diwalds „Geschichte der Deutschen“ fortgeschrieben, in: Junge Freiheit, Nr. 29, 14.07.2000, von DETLEF KÜHN:

… „Diwald hat das nicht irritiert, zumal sein Buch trotz der gegen ihn geführten Feuilletonkampagnen ein großer Erfolg wurde.

Nach dem Tode des Autors (1993) hat nun der Göttinger Zeithistoriker Karlheinz Weißmann das Werk bis in unsere Gegenwart, das heißt bis zum Frühjahr 1999, fortgeschrieben.

Es Überrascht nicht, daß auch für Weißmann dabei die „nationale Frage“ der Deutschen im Mittelpunkt steht. Er schildert eingehend die Ursachen des Scheiterns der Regierung Schmidt und die Bildung der schwarz-gelben Koalition im Herbst 1982. Kohl und seiner Regierung bescheinigt er, wohl zutreffend, eine „Deutschlandpolitik zwischen Pragmatismus und Opportunismus“. Einen Bruch mit der Politik unter Helmut Schmidt im Sinne des Versprechens einer „geistig-moralischen Wende“ gab es weder in der Deutschlandpolitik noch auf einem anderen Politikfeld.

Der Erfolg des „Systems Kohl“, vor allem nach dem Mauerfall von 1989, beruhte nach Ansicht Weißmanns nicht zuletzt darauf, daß der Pfälzer das Glück hatte, selten auf Gegner zu treffen, die ihm ebenbürtig gewesen wären. Am Ende seiner sechzehnjährigen Amtszeit stand mit dem Wahlerfolg der rot-grünen Koalition der endgültige Sieg der in den Institutionen ohnehin schon omnipräsenten 68er. Allerdings wäre der Triumph von Gerhard Schröder und „Joschka“ Fischer wohl nicht möglich gewesen, wenn sich das rot-grüne Gedankengut von Anno 1968 nicht vorher schon auch in den Reihen der Christdemokraten weitgehend durchgesetzt hätte.

Der knappen, aber dennoch gründlichen Analyse Weißmanns hinsichtlich der Ursachen des Zusammenbruchs des „real existierenden Sozialismus“, des Ablaufs der Wiedervereinigung einschließlich der dabei gemachten Fehler, wird man im wesentlichen zustimmen können. Weißmann schildert zwanzig Jahre deutscher Geschichte, die bei Kohls Amtsantritt so ganz nach einer Verfestigung der westdeutschen Idylle aussahen, die dann nach 1989 mit der unwilligen Rückkehr in die „große Politik“ eine dramatische Wende nahm, deren Folgen noch nicht annähernd abzusehen sind. Weißmann erkennt dabei, daß „eine Perspektive für die deutsche Nation gewonnen (wurde), auf die nur wenige noch zu hoffen wagten“ und - so muß man hinzufügen -noch weniger hingearbeitet hatten.

Die Gefahren der „Globalisierung“ für alle Nationen sieht auch Weißmann. Bei den Deutschen ist allerdings die Frage besonders berechtigt, ob sie sich diesen Gefahren entgegenstellen wollen und können. Diwalds Geschichte der Deutschen dürfte bei der standortbestimmenden Suche nach einer Antwort auf diese Frage jedoch weiterhin eine wichtige Rolle spielen.“
Detlef Kühn

 

Der Kampf um die Weltmeere

Klappentext des Verlages zur Erstausgabe

„Der Kampf um die Weltmeere ist ein zentrales Thema von mehr als zweitausend Jahren europäischer Geschichte. Und doch ist diese Geschichte immer wieder unter dem Gesichtspunkt des festen Landes geschrieben worden, die Hohe See als eigene Größe von den Historikern kaum erfaßt worden.

In diesem Buch gibt Hellmut Diwald eine breitangelegte Darstellung des Ringens um die Herrschaft auf den Ozeanen von den Griechen bis in unsere Tage. Dabei spielt das Mittelmeer trotz aller gewaltigen Seeschlachten von Salamis bis Lepanto, trotz Attischem Seebund und Venedigs Wirtschaftsreich mehr die Rolle eines Binnensees. Denn erst die Portugiesen beginnen tatsächlich mit der Eroberung der Meere, sie sind das erste Seevolk der Welt, dem die Meere nicht nur zum Fischfang und zum Handelsverkehr dienen. Die Portugiesen errichten in wenigen Jahrzehnten ein ozeanisches Imperium, sie werden in kurzer Zeit zum reichsten und mächtigsten Staat der Welt. Legendäre Namen wie Heinrich der Seefahrer, Vasco da Gama, Alfonso de Albuquerque gaben als erste der Gleichung »Seemacht ist Weltmacht« einen sichtbaren Gehalt. Was Portugal dem Grundsatz nach vorgeformt hat, wird in jahrhundertelangem Ringen gegen die neuen Seemächte Spanien, die Niederlande und Frankreich von Großbritannien in einer einmaligen Imperialordnung vollendet. England errichtet im 19. Jahrhundert ein weltumspannendes Reich, das gesichert und getragen wird von seiner unangefochtenen Alleinherrschaft auf den Meeren der Welt, die ihr vor allem eine so ungewöhnliche und glänzende Persönlichkeit wie Nelson erringen half. Auch die Flottenpolitik der Wilhelminischen Zeit, Tsuschima und Skagerrak, Pearl Harbor und der Drang der Kontinentalmacht Rußland zu den Meeren, die Verschiebung der Bedeutung der Ozeane, seit der Mensch sich den Luftraum erobert hat, sind Gegenstand von Diwalds Darstellung.

Der Kampf um die Weltmeere hat sich in einer faszinierenden Mischung aus Abenteuerlust, Tollkühnheit, Besitzgier, Forscherdrang und politischem Gestaltungswillen abgespielt. In ihm verdichtet sich eindrucksvoll die Entschlossenheit des Menschen, seine Grenzen zu sprengen, über sich selbst hinauszuwachsen und die Dimensionen des Unbekannten auszuweiten.

Im Kampf um die Weltmeere entwickelt sich eine neue Form des Daseins, verändern sich die Prinzipien der Politik, revolutionieren sich Handel, Wirtschaft und Industrie, entstehen die modernen Begriffe des Völkerrechts, prägt sich neuzeitliches Lebensgefühl und Weltbewußtsein. Durch dieses Buch wird unsere geschichtliche Perspektive außerordentlich erweitert. Der Leser erhält einen Überblick, der ihn nicht nur das große Weltgeflecht erkennen läßt, sondern der sich sowohl wegen der Dramatik des Geschehens als auch wegen der Darstellungskraft des Autors nachhaltig einprägt

Hellmut Diwald, 1929 in Südmähren geboren, ist Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Erlangen. 1969 veröffentlichte er eine große Wallenstein-Biographie, deren internationaler Erfolg ihn mit einem Schlag in die erste Reihe der jüngeren Historikergeneration stellte. Er ist ständiger Mitarbeiter bei Rundfunk und Fernsehen. Außerordentliche Beachtung fanden seine Bücher »Geschichte der Deutschen« und der erste Band der Propyläen-Geschichte Europas »Anspruch auf Mündigkeit, um 1400 bis 1555«, den die Kritik als »vorzügliches Buch... aus dessen Lektüre großer Gewinn« (Carlo Schmid) zu ziehen sei, lobte.“

 

Text des Verlages

„Der Kampf um die Weltmeere: Da zeigten sich Abenteuerlust, Tollkühnheit, Besitzgier und politischer Gestaltungswillen. In ihm äußerte sich der Drang der Menschen, ins Gefährliche, ja Unbekannte vorzustoßen.

Dieser Kampf ist ein zentrales Thema von mehr als zweitausend Jahren europäischer Geschichte von den Griechen bis in unsere Tage. Der Historiker Hellmut Diwald gibt ihn in all seiner Vielgestaltigkeit und Dramatik wieder.

Im Kampf um die Weltmeere entwickelten sich neue Formen des Daseins, revolutionierten sich Handel, Wirtschaft und Industrie, entstanden das Völkerrecht, prägte sich ein neuzeitliches Lebensgefühl und Weltbewußtsein. Hellmut Diwalds breitangelegte Darstellung des Ringens um die Herrschaft auf den Ozeanen setzt ein bei der Schlacht von Salamis, als es den Griechen dank dem Genie des Themistokles gelang, die riesige Flotte des Perserkönigs Xerxes entscheidend zu besiegen. Doch spielte das Mittelmeer trotz aller gewaltigen Seeschlachten von Salamis bis Lepanto, trotz Attischem Seebund, arabischem Eroberungsdrang, normannischem Abenteuergeist und venezianischem Handelsimperium mehr als die Rolle eines Binnensees. Die eigentliche Eroberung der Weltmeere begann mit den Fahrten der Portugiesen. Sie erreichten in wenigen Jahrzehnten ein ozeanisches Imperium. Legendäre Namen wie Heinrich der Seefahrer, Vasco da Gama, Alfonso de Albuquerque gaben als erste der Gleichung »Seemacht ist Weltmacht« einen sichtbaren Gehalt. Was Portugal dem Grundsatz nach vorgeformt hatte, wurde in jahrhundertelangem Ringen gegen die neuen Seemächte Spanien, die Niederlande und Frankreich von Großbritannien in einer einmaligen Imperialordnung vollendet. England errichtete im 19. Jahrhundert ein weltumspannendes Reich, das gesichert und getragen wurde von seiner unangefochtenen Alleinherrschaft auf den Meeren der Welt, die ihr vor allem eine so ungewöhnliche und glänzende Persönlichkeit wie Nelson erringen half. Auch die Flottenpolitik der Wilhelminischen Zeit, Tsuschima und Skagerrak, Pearl Harbor und der Drang der Kontinentalmacht Rußland zu den Meeren, die Verschiebung der Bedeutung der Ozeane, seit der Mensch sich den Luftraum erobert hat, sind Gegenstand von Diwalds Darstellung.“

Er tanzt wieder aus der Reihe, WELT-Gespräch mit dem Historiker Diwald, DIE WELT, 27.08.1980, von ANTON MADLER:

„Auf Diwalds erstes Buch nach seiner heißumkämpften „Geschichte der Deutschen“ waren wohl Freund und Feind in gleicher Weise gespannt. Nun ist es erschienen. Es handelt sich um eine Weltgeschichte von der hohen See aus gesehen, der der Erlanger Professor für neuere Geschichte nun den Titel „Der Kampf um die Weltmeere“ gegeben hat. (bei Droemer-Knaur, 446 S., 56 Abb., 39.80 Mark). Gott sei Dank, wird der eine oder andere bei dieser Nachricht beruhigt seufzen, dann wären wir also mit diesem „neuen Diwald“ den verflixten „quereles allemandes“ entzogen. Denn daß Deutschland nichts oder nur sehr wenig mit der hohen See zu tun hat, ist allgemein verbreitete Meinung.

Wir haben noch die alte Scheidung in „Kontinentalmächte“ und „Seemächte“ im Ohr, die den Geopolitikern, auch Haushofer, lieb und teuer war. Und ist das, was sich heute um Afghanistan herum abspielt, nicht der geradezu „klassische“ Versuch einer ausgesprochenen Kontinentalmacht, zu einer Meeresküste vorzustoßen, wodurch der Einkreisungsring der See- (und Luft-) Mächte sozusagen automatisch provoziert wird?

Nun Hellmut Diwald ist auch weiterhin für Überraschungen gut. In seinem neuen Buch gibt er sich mit so simplen Einteilungen nicht ab, und mit der unverbindlichen Exotik ist es auch nichts, denn die Deutschen kommen in diesem „Kampf um die Weltmeere“ durchaus vor. Zur Gegenüberstellung von Kontinental- und Seemächten sagt Diwald:

„Eine Festlegung durch solche Klischees gehört in den Bereich der politischen Wissenschaft. Der Historiker kann sich nicht mit solchen Festlegungen begnügen. Geschichte ist insofern offen, als jeden Tag eine völlig andere Situation möglich ist. Der Historiker ist da ein wenig in der Lage des Meteorologen: Hoch und Tief können schneller wechseln, als die Prognosen das erlauben. Natürlich ist die Geschichte nicht frei von Konstanten. Aber sie läßt sich nicht in ein Beziehungsgeflecht bringen, das die Ableitung von „Geschichtsgesetzen“ möglich machen würde. Solche Extrapolationen sind dem Historiker nicht erlaubt“

Allerdings wischt Diwald die Fragstellung nicht ganz unter den Tisch: „Gewiß, es hat ausgesprochene Seemächte und ausgesprochene Kontinentalmächte gegeben, und es gibt sie zum Teil noch. Es ist aber durchaus möglich, daß eine Seemacht sich auflöst und eine bloße Insel übrig bleibt – denken Sie an England. Oder nehmen Sie Rußland, das als klassische Kontinentalmacht gilt. Für die Experten rangiert die Sowjetunion heute als die zweite Seemacht gleich hinter den USA. Nacht der Zahl der Schiffe könnte man sie sogar an die erste Stelle setzen, wenn der schwer aufholbare russische Rückstand in der Elektronik nicht wäre.“

Professor Diwald tanzt übrigens auch mit diesem Buch wieder ganz schön aus der Reihe seiner Kollegen. Er erzählt die maritime Geschichte von der Seeschlacht von Salamis über die Armada bis zu Skagerrak und Pearl Harbor äußerst spannend und verstößt damit gegen die Historikerregel Nr. 1, daß die Geschichtswissenschaft langweilig sein muß.

Auch die Regel Nr. 2, daß über Geschichte stets mit erhobenem Zeigefinger zu berichten sei, verletzt er unaufhörlich. So denkt er gar nicht daran, dem Wilhelminischen Kaiserreich wegen seiner Flottenpolitik die Leviten zu lesen und in ihr einen Beweis für die damalige Führung zu sehen.

Diwald erklärt uns das so: „Der Kampf um die Weltmeere ist im 19. Jahrhundert durch den Aufstieg Englands zur Weltmacht entschieden. In dem Buch geht es mir darum, zu zeigen, daß von da ab der Kampf um die Weltmeere ersetzt wird durch den Kampf auf den Weltmeeren. Als eigentlichen Antrieb dazu gilt es die Auswirkungen der technisch-industriellen Entwicklung zu sehen. Die hat den Ozean als politische Größe verändert: Das Meer wird Land“

Was steckt hinter diesem Schlüsselsatz des Buches? Diwald will zeigen, daß es zu den Eigenarten des imperialistischen Zeitalters gegen Ende des 19. Jahrhunderts gehört, das Meer zu einer Straße zu machen – zu einer Straße, die jeder benutzen muß, der nicht wirtschaftlich zurückfallen will: „Jeder Staat, der sich eine Industrie aufbaute (das gilt selbst für kleinere Staaten), mußte sich, wenn er eine Meeresküste besaß, auch eine Kriegsflotte bauen. Er brauchte sie, wenn er seine Waren auf eigenen, nicht von den Engländern gemieteten Schiffen auf den Weltmarkt bringen wollte.“

Und das Wilhelminische Reich? „Es war absurd, von einer großen Industriemacht wie dem kaiserlichen Deutschland zu erwarten, daß sie aus Angst vor einem politischen Risiko auf diese damals selbstverständliche Expansion verzichten würde. Denn das Meer ist ja im 20. Jahrhundert für alle offen.“

Den Einwand, daß Waffen in deutscher Hand doppelt gefährlich seien, kennt Diwald: „Dann ist es ja seltsam, daß Deutschland diejenige imperialistische Macht war, die ihre überseeischen Besitzungen gerade nicht mit Waffengewalt eroberte, sondern sie gekauft, bar bezahlt hat. Die Deutschen haben sich da durchaus als Krämer aufgeführt“ Diwald schmunzelt.

Aber ein wenig suchen wir den Professor doch zu erschüttern. Gehen in seinem Buch nicht zwei ganz verschiedene Linien etwas durcheinander? Auf der einen Seite schildert Diwald recht anschaulich die Domestizierung des Meeres durch die Menschen („die Straße für alle“), auch seine Relativierung vom neu erschlossenen Bereich der Luft her. (Die „Seemächte“ sind ja heute See-Luft-Mächte.) Auf der anderen Seite sagt er vom Meer: Es „enthält genügend viele Elemente, die unseren emotionalen Bedürfnissen entgegenkommen. Nirgends war der Spielraum für die Ausdruckmöglichkeiten der menschlichen Vitalität und Tatkraft größer als auf den Meeren“. (An solchen Stellen spürt man, daß Diwald seinen Historikerkollegen eine einzigartige Erfahrung voraus hat: ein abgeschlossenes Ingenieurstudium.) Und auf derselben Seite liest man: „Das Meer steigert auch das Alltägliche immer wieder ins Dramatische…“

Der Einwand – so hundertprozentig ernsthaft war er übrigens gar nicht gemeint – trifft Diwald nicht. Vielmehr bestätigt er ihn darin, daß er die Geschichte wirklich nicht auf Flaschen zieht, sie nicht um ihre genuine Komplexität bringt. Der Satz „Selbst für die ganz aufs Meer bezogenen Völker hat das Meer seinen Charakter einer Grenze verloren“ widerspricht ja nicht seiner Auffassung, daß die See das Gefühl wach hält für das Offene, Vitale, für die Auseinandersetzung – kurz: dafür, „daß man etwas auf sich nehmen muß“.

Mit dem Finger zeigt er auf die Stelle: „Die Fachleute spotten bei Befürchtungen, denn nach technischem Ermessen kann nichts geschehen. Sie haben recht, nur gelegentlich knickt stürmischer Seegang die Stahlsäulen und kippt die Bohrinsel ins Meer“„
Anton Madler

 

Curt L. Schmitt, Buch des Monats, Detmold, September 1980, von CURT L. SCHMITT:

Verehrter Leser !

„Hellmut Diwald tanzt wieder aus der Reihe, meldet die Welt über sein neuestes Buch. Erinnern Sie sich noch an den Eklat, den seine „Geschichte der Deutschen“ vor zwei Jahren hervorrief? Damals ging es um die Frage, wieviele Juden nun tatsächlich unter Hitler umgekommen seien… Diwald mußte öffentlich widerrufen und schien damit handzahm und mundtot gemacht zu sein. Aber nichts da. In seinem neuen, mit Spannung erwarteten Buch „Der Kampf um die Weltmeere“ schreibt der Professor Dr. Hellmut Diwald wieder munter gegen den Strom. Mühelos schlägt er den Bogen von der Seeschlacht bei Salamis bis zur erschreckenden Aufrüstung der Roten Flotte. –Schon die Ausbreitung dieses Panoramas ist ein Genuß für sich.- Diebisches Vergnügen haben mir wieder die seine unorthodoxen Geschichtsbetrachtungen bereitet. Diwald denkt etwa gar nicht daran, dem Wilhelminischen Kaiserreich wegen seiner Flottenpolitik die Leviten zu lesen (wie das jeder brave Historiker als Pflichtübung vorführen müßte). Nein er stellt einmal klar, daß ausgerechnet das ach so imperialistische Deutsche Reich seine überseeischen Besitzungen nicht mit Waffengewalt erobert, sondern gekauft und bar bezahlt hat. Manchmal sollte man sich daran erinnern…

Wie wird nun die Weltgeschichte (vom Meer her betrachtet) weitergehen? Kann ein russischer Vorstoß zum indischen Ozean tatsächlich die gesamte geopolitische Konstellation umstülpen? Möglich ist´s ja. Insgesamt aber ist Diwald vorsichtig: „Der Historiker ist ein wenig in der Lage des Meteorologen: Hoch und Tief können schneller wechseln, als es die Prognosen erlauben. Vielleicht sollten wir uns auch nicht zu sehr von den Rüstungsbilanzen beeindrucken lassen. (Wer hat mehr Flugzeugträger? Wer hat mehr U-Boote? Wer hat mehr Raketen?). Die Geschichte, angefangen bei Salamis bis hin zur Schlacht bei den Midway Inseln, zeigt, daß nicht immer die Zahl der Kriegsschiffe und deren Bewaffnung, sondern immer taktische Finesse, Mut und Ausbildung der Mannschaften ausschlaggebend war.

Auf mich wirkte das Buch wie ein Horizonterweiterer. Man tritt ganz automatisch in Diwalds große Fußstapfen und beginnt in viel größeren Dimensionen zu denken, sowohl geographisch als auch zeitlich.

Ertragreiche Lektüre

Für heute – ergebenst

Schmitt“
Curt L. Schmitt

 

Kampf der Verrückten, Hellmut Diwalds neuer Beschreibungsversuch , in: Die Zeit, 10.10.1980, von PETER COULMAS:

„Auch der historisch beschlagene Leser liest die kenntnisreiche, immer flüssig, streckenweise spannend geschriebene Darstellung mit Gewinn. Aneinander reihen sich dabei Heldenportraits der großen Seefahrer, Entdecker, Piraten, Organisatoren, Flottenchefs, Seestrategen, Admirale (von Themistokles über Vasco da Gama, Magellan, Columbus, Alfonso de Albuquerque bis Francis Drake, Lord Nelson, Togo und Gorschkow). Daneben gibt es Abenteuergeschichten der Seefahrt, wobei der Verfasser immer wieder die unvorstellbare Härte, die wilde Verwegenheit und todesmutige Kühnheit und — als deren Kehrseite — die gnadenlose Grausamkeit des Lebens auf und mit dem Meer betont: „Der Kampf um die Weltmeere war ein Kampf der Exaltierten, Abnormen, der Verrückten, der Menschen des Grenzfalls“. Es fehlen auch nicht politische Darstellungen der Mächtekonkurrenz — immer aus seepolitischer Perspektive —, die zum Entstehen und Vergehen von meerbeherrschenden Städten, Staaten, Reichen, Bünden führten (vom Attischen Seebund bis zur Nato …)“
Peter Coulmas

 

Aufschluß für Landratten, Diwalds „Kampf um die Weltmeere“ wird Standardwerk, in: DIE WELT, 29.11.2980, von HERRMAN SCHREIBER:

„Darum ist dem Autor der große Bogen wohl gelungen, darum schreitet das Buch klar und konsequent von der Antike über Islam und Entdeckungszeitalter herauf bis zu jenen Mächten, die Papst Alexander VI. bei seiner berühmten Teilung der Welt überging. Und erst dann, wenn diese neuen Mächte neben die Entdeckernationen treten, wenn mit England, Holland und Frankreich der Raum vor Europas Küsten auf einmal eng wird und Handelsneid an die Stelle der hehren Christianisierungsabsichten tritt, schiebt sich reichlich Kontinentalgeschichte in das bis dahin so klare Konzept.

Diwald ist offensichtlich kein Marinehistoriker, Dynastien bedeuten ihm mehr als Dreadnoughts, und die saubere Nomenklatur am Schluß des Bandes wirkt ein wenig aufgesetzt. Gerade darum aber ist dieses Buch für uns Landratten besonders lesbar geworden.“
Herrmann Schreiber

 

Der Kampf um die Weltmeere,  in: Rheinischer Merkur, 19.12.1980, von WOLFGANG HÖPKER:

„Die Hohe See ist als eigene Größe von den Historikern bislang kaum erfaßt worden. Ausnahmen gibt es im angelsächsischen Bereich, so etwa mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts erschienenen Kompendium des amerikanischen Admirals Mahan über den Einfluß der Seemacht auf die Geschichte, das bis heute ein Standardwerk geblieben ist. In Deutschland hat maritimes Denken kaum Tradition.

Um so höher einzuschätzen ist Diwalds Verdienst, eine Weltgeschichte unter maritimen Aspekt in Umrissen skizziert zu haben. Er konzentriert sein Interesse auf die „Ent – Territorialisierung  des staatsmännischen Denkens und Planens“, auf die „Ozeanisierung des politischen Raums“, ihm liegt daran, „das revolutionäre Politische am Phänomen des Ozeans als eine neue Größe menschlichen Herrschaftsstrebens“ deutlich zu machen. Das mag etwas abstrakt, reichlich professoral klingen. Doch Diwald erweist sich auch hier als ein Stilist hohen Grades, so etwa wenn er die Heldenporträts großer Seefahrer in den Rang des Essays steigert.

Seine packende Darstellung mit bildnishafter Sprache …“
Wolfgang Höpker

 

Im Zeichen des Adlers – Porträts berühmter Preußen

            • INHALT
        • Einführung Hellmut Diwald
        • Friedrich der Große Bodo Scheuring
        • Heinrich von Kleist Gösta von Uexküll
        • Freiherr von Stein Karl-Heinz Janßen
        • Wilhelm von Humboldt Hellmut Diwald
        • Friedrich Wilhelm IV. Hans-Joachim Schoeps
        • Ferdinand Lassalle Gösta von Uexküll
        • Walter Rathenau  Ernst Graf Lynar
        • Erich Ludendorff Paul Sethe
        • Gustav Stresemann Gösta von Uexküll
        • Heinrich Brüning Rudolf Morsey

 

Luther

»Der Mönch Martin Luther war ein Revolutionär. Er war es nicht seinen Anlagen nach, die er mitbekommen hatte; hier herrschen vielmehr die bewahrenden, erhaltenden Momente vor. Aber weit stärker war bei ihm die Radikalität des Fragens ausgebildet, die leidenschaftliche Parteinahme für die Wahrheit - oder das, was ihm als Wahrheit galt, und ebenso die Unbedingtheit, dafür einzustehen, koste es auch sein Leben und die ganze Ordnung der damaligen Welt. Wenn überhaupt etwas charakteristisch ist für den Typus des Revolutionärs, dann sind es diese Eigenschaften...«

»Keine der Fortschritte unserer Zeit wäre denkbar ohne ihn, denn er hat den Anfang gemacht. Auf seinen freien, allein auf der Heiligen Schrift begründeten Glauben ist die heute garantierte Freiheit des Denkens zurückzuführen: Martin Luther. Die Würfel fielen am 18. April 1521 auf dem Reichstag in Worms. «
Hellmut Diwald

 

Text des Verlages zur Originalausgabe

„Vor einem halben Jahrtausend wurde Luther geboren. Ist er heute nur noch ein Mann anteillosen Gedenkens und Erinnerns? Hellmut Diwald, der Historiker, ist in seiner couragierten Darstellung anderer Meinung. Für ihn ist Luther ein Mann, der in unserer eigenen Zeit leben könnte. An Luther ist nichts von der vielbeklagten historischen Beziehungslosigkeit zu finden, alles wirkt unverbraucht, ist lebendig, erfrischend oder aufreizend aggressiv. Stärker als die Elemente des Erhärtens und Bewahrens sind bei ihm die Radikalität des Fragens ausgebildet, die leidenschaftliche Parteinahme für die Wahrheit und die Unbedingtheit, dafür einzustehen, koste es auch sein Leben und die ganze Ordnung der damaligen Welt. So tritt dem Leser dieser Biographie nach dem Sprung über die vergangenen fünf Jahrhunderte hinweg Martin Luther als Mann entgegen, der mit unbändiger Kraft und dem politischen Instinkt des geborenen Umstürzlers eine Revolution herbeigeführt hat, durch die Europa tiefgreifender verändert wurde als durch jede andere. Als Luther vom Papst zu einem »Kind des Satans« gestempelt wurde, schien ihn kaum etwas vor dem Schicksal des Verstummens retten zu können. Aber der zum Schweigen Verdammte wurde plötzlich in der ganzen Welt gehört - und er ist noch immer zu hören und noch immer zu verstehen.“

 

Text des Verlages

»Der Mönch Martin Luther war ein Revolutionär. Er war es nicht seinen Anlagen nach, die er mitbekommen hatte; hier herrschen vielmehr die bewahrenden, erhaltenden Momente vor. Aber weit stärker war bei ihm die Radikalität des Fragens ausgebildet, die leidenschaftliche Parteinahme für die Wahrheit - oder das, was ihm als Wahrheit galt, und ebenso die Unbedingtheit, dafür einzustehen, koste es auch sein Leben und die ganze Ordnung der damaligen Welt. Wenn überhaupt etwas charakteristisch ist für den Typus des Revolutionärs, dann sind es diese Eigenschaften ... «

 

Der deutsche Revolutionär, in: Das politische Buch, Coburg, Febr. 1983, von FRIEDRICH GÖTZ:

„Die Kirchen, die sich auf Luthers Lehren berufen, sind orientierungslos geworden, Da ist es gut, wenn sich endlich ein Historiker vom Format und mit der Unerschrockenheit Diwalds dieses Mannes annimmt.

Luther hat uns noch viel zu sagen. Liest man Diwalds mitreißende Darstellung, kommt es einem manchmal vor, als ob der Herausforderer Roms unser Zeitgenosse sein müßte. Wäre er es, dann hätte es die Welt nicht so leicht mit dem geteilten Deutschland. Luthers Stellung zu seiner Nation klargestellt zu haben, ist ein weiteres Verdienst Professor Diwalds.“
Friedrich Götz

 

Lutherbiographien, Süddeutscher Rundfunk, „Bücherbar – Unterhaltsames für Hörer und Leser“, 06.02.1983.

„Es ist das einzige Lutherbuch auf der Spiegelbestsellerliste. Es ist auch das einzige Lutherbuch, das auf einen interpretierenden Untertitel verzichtet. Daher meine Frage an den Autor Hellmut Diwald: Wenn seine Lutherbiographie einen Untertitel hätte – welcher wäre es: … „

 

Entschiedene Parteinahme für Wahrheit, in: Herforder Kreisblatt, Westfälisches Volksblatt / Westfalenblatt, 18.02.1983.

„Vor einem halben Jahrtausend wurde Luther geboren. Ist er heute nur noch ein Mann anteillosen Gedenkens und Erinnerns? Hellmut Diwald, der Historiker, ist in seiner couragierten Darstellung anderer Meinung. Für ihn ist Luther ein Mann, der in unserer eigenen Zeit leben könnte. An Luther ist nichts von der vielbeklagten historischen Beziehungslosigkeit zu finden, alles wirkt unverbraucht, ist lebendig, erfrischend oder aufreizend aggressiv.

Stärker als die Elemente des Erhaltens und Bewahrens ist bei ihm die Radikalität des Fragens ausgebildet, die leidenschaftliche Parteinahme für die Wahrheit und die Unbedingtheit, dafür einzustehen - koste es auch sein Leben und die ganze Ordnung der damaligen Welt.

Dem Leser dieser Biographie tritt nach dem Sprung über die vergangenen fünf Jahrhunderte hinweg Martin Luther als Mann entgegen, der mit unbändiger Kraft und dem politischen Instinkt des geborenen Umstürzlers eine Revolution herbeigeführt hat, durch die Europa tiefgreifender verändert wurde als durch jede andere.“

 

Die Stationen des Widerspruchs. Hellmut Diwald unterstreicht das Revolutionäre an Martin Luther, in: Rhein – Neckar – Zeitung, Heidelberg, Nr. 42, 21.02.1983, von HEIDE SEEL:

„Wer dieses Buch in die Hand nimmt, wird es so bald nicht wieder weglegen. Hellmut Diwald, sein Autor, ist einer von jenen Historikern, die, ungemein wortgewandt, alles Langatmige in ihren Darstellungen zu vermeiden wissen. So zeichnet auch die vorliegende Luther-Biographie ein pralles und vitales Bild von dem Reformator. Der mutige Mönch, der über seinen tiefgehenden Zweifeln an der römischen Kirche zum Revolutionär wurde, imponiert dem katholischen Geschichtsprofessor, der das Revolutionäre an Luther in den Mittelpunkt seiner Untersuchung stellt Dieses Aufbegehren sieht Diwald in Luthers Radikalität des Fragens begründet, in seiner leidenschaftlichen Parteinahme für die Wahrheit, für die er — wenn dies unumgänglich gewesen wäre — auch mit seinem Leben eingestanden hätte.

Diwald, der mit seinem Buch eine der ganz wichtigen Publikationen zum 500. Geburtstag des Reformators vorlegt, verdeutlicht immer wieder, worum es Luther ging. So hatte sich der Zorn des Augustinermönches über die Verweltlichung der Kirche schon frühzeitig artikuliert, nachdem er sich Jahre zuvor mit seinem ausgeprägten Sündenbewußtsein gequält hatte. Die Schamlosigkeit des Ablaßtreibens, brachte das Faß zum Überlaufen. Luther wußte bei seinen vielen Lands-Protestleuten, auch Geistliche, hinter sich. Die verschiedenen Stationen der Eskalation von Luthers Widerspruch schildert Diwald auf spannende Weise. Er breitet nicht nur die theologischen Streitpunkte, um die es ging, ausführlich aus, sondern weist vor allem auch auf die politische Dimension dieser folgenreichen Geschehnisse hin.

Luther unternahm ja etwas Unerhörtes: er bezeichnete die Papstkirche als etwas Menschliches und sprach ihr somit den göttlichen Charakter ab. Er berief sich auf den Gehorsam gegenüber Gott, der ihm wichtiger sei als der Gehorsam gegenüber den Menschen, also auch gegenüber dem Papst. Neben der göttlichen Stiftung des Papsttums bestreitet Luther dann auch die dogmatische Verbindlichkeit der allgemeinen Konzilien, leugnet die kirchliche Lehrgewalt und setzt an die Stelle der kirchlichen Autorität die private Erkenntnis des einzelnen bei der Bibellektüre. Seine Ansichten waren häretisch. Wenige Jahre zuvor hatte man Hus wegen ähnlicher Äußerungen verbrannt. Bei der Leipziger Disputation war es Johannes Eck gelungen, den ketzerischen Gehalt von Luthers Lehren nachzuweisen.

Luther ging in seiner Abkehr von Rom immer weiter. Er vernichtete die Sakramentenlehre, ließ von sieben Sakramenten nur noch drei gelten und zerstörte damit zwangsläufig auch die Rechtfertigung des römischen Priestertums. Mit seiner 1520 erschienenen Kampfschrift. „Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ kappt Luther jede Bindung an Rom. Mit diesem Text wurde der Reformator vielen suspekt. So kehrte sich auch der Humanist Erasmus von Luther ab. Dieser wurde indes immer selbstbewußter und stärker. Hellmut Diwald gelingt es überzeugend, das Charakterbild des Augustiners transparent zu machen. In dem wichtigen Jahr 1520, in dem auch die anderen Streitschriften Luthers erscheinen, wird diesem klar, daß der Umsturz der alten Kirche die Voraussetzung für die Neugründung einer Küche aus dem wahren Geiste Gottes, so wie er ihn verstand, sein müsse. Luther wollte den Gläubigen die „Freiheit eines Christenmenschen“ bescheren, und der Katholik Diwald vergißt nicht daran zu erinnern, daß diese Freiheit der Protestanten auch ihre Tücken haben kann.

Diwald, und dies macht unter anderem ' den Reiz seiner Darstellung aus, hält sich zwar genau an die historischen Fakten, aber er beläßt es nicht bei ihnen. Er schmückt aus, ohne zu verfälschen, er reichert das dürre Skelett der Tatsachen mit dem Fleisch der atmosphärischen Zutaten an, weist die Anekdoten aber stets als Anekdote, die Legende als eine Legende aus. So ist zum Beispiel der viel zitierte Ausspruch beim Reichstag in Worms:  „Hier stehe ich! Ich kann nicht anders! Gott helfe mir! Amen.“ nie gefallen. Luther sagte nur: „Gott helfe mir, Amen.“ Dennoch, darauf weist der Historiker hin, wären diese Sätze Luthers unbeugsamer und entschlossener Haltung angemessen gewesen. Auch Georg von Frundsbergs respektvoll freundliche Worte: „Mönchlein,  Mönchlein,   du  gehst  einen schweren Gang...“ sind nicht sicher belegt. Diwald: „Die Szene reflektiert jedenfalls die Sachlage.“

Diwald hat sich dem Gegenstand seiner Forschungen, Martin Luther, mit Sympathie genähert. Er nimmt ihn gegen den Vorwurf in Schutz, den Glauben und die Kirche gespalten zu haben. (Schließlich waren 1555, als der Augsburger Religionsfrieden vereinbart wurde, neunzig Prozent der Deutschen protestantisch). Er attestiert dem energischen Reformator hingegen, den Deutschen nicht nur die Bibel, sondern auch ihre Sprache und ihr Eigenbewußtsein gebracht zu haben. Außerdem habe er ihre selbstsichere Überzeugung geweckt, auch politisch zusammenzugehören. Versöhnlich unterstreicht der Historiker die Bereitschaft der römisch-katholischen Kirche von heute, sich Luther als Anlaß für die eigene innerkirchliche Reform verpflichtet zu fühlen.“
Heide Seel

 

Von der Theologie zur Politik. Der Luther – Biograph Hellmut Diwald sprach in der Saarbrücker Volkshochschule, in: Saarbrücker Zeitung, 02.03.1983 von u.s.:

„ … Er ist Autor einer Wallenstein-Biographie. der „Geschichte der Deutschen“ und von „Kampf um die Weltmeere“. Mit seinen beiden jüngsten Büchern „Martin Luther. Eine Biographie. Bastei-Lübbe, 39,80 DM“ und „Lebensbilder Martin Luthers. Fotos von Karl-Heinz Jürgens“ Bastei-Lübbe, 78 DM war er zum Auftakt einer Lesereise bei der Volkshochschule Saarbrücken zu Gast.“

„Der Mann scheint Widerspruch geradezu herauszufordern. Kaum hat sich eine Gesprächsrunde um Helmut Diwald formiert, beginnen heftige Debatten, wird der Historiker angegriffen, dazu genötigt, sein Luther-Buch, seine Thesen über den Wittenberger Reformator, den er selbst als „Revolutionär“ sieht und gesehen haben will, zu verteidigen.

Es sind viele, zu viele Luther-Bücher geschrieben worden zum 500. Geburtstag des Theologen, der den weiteren Verlauf der abendländischen Geschichte entscheidend geprägt hat, aber nur wenige haben so viel Widerspruch, aber auch so viel Interesse geweckt wie das von Hellmut Diwald.

Das mag einerseits daran liegen, daß er Historiker ist und als solcher immer wieder betont, sich der theologischen Argumentation, außer wenn die Theologie „öffentlich“ geworden sei, enthalten zu haben, andererseits aber – auch im Buch – zu Recht feststellt, daß der Übergang von Theologie in die Politik im Zeitalter Luthers fließend war. Andererseits haben Kritiker dem Katholiken Diwald vorgeworfen, in seinem „exzentrischen“ Lutherbild werde die „konfessionelle Fremdheit“ spürbar. In diesem Vorwurf sieht der Autor selbst, dessen Frau Protestantin ist, den „Tritt ans Schienbein“, der bei vielen Rezensenten unmittelbar aufs „bißchen Schulterklopfen“ folge.

Solche anschaulichen Erklärungen sind Diwalds Stärke. Er sorgt für zustimmende Heiterkeit bei Theologen beider Konfessionen, wenn er jene Katholischen Kirchenleute, die heute Luther als „Vater im Glauben“ vereinnahmen möchten, „Meister im beidarmigen Zubügeln“ nennt, die Luther eine „ökumenische Perücke“ überstülpen möchten, die diesem nun ja ganz und gar nicht passen will.

Warum hat Diwald ausgerechnet zum Lutherjahr sein Buch vorgelegt? Spielt da nicht auch gesundes materielles Interesse eine Rolle? Der drahtige Südmähre, ein Mann der leisen Argumente, wird lebhaft. Er habe überhaupt nicht daran gedacht, daß ein Jubiläum ins Haus stehe, als er vor geraumer Zeit den Entschluß zur Luther-Biographie gefaßt Bei seinen anderen historischen Arbeiten, vor allem bei der Wallenstein-Biographie, sei er nur immer wieder über den Reformator „gestolpert“, so daß er eines Tages gemerkt habe, „daß ich mir den Luther selber vornehmen muß.“

„Was bewegt diesen Mann?“ – mit dieser Frage sei er an das Thema herangegangen. Luther für wen? „Das Publikum des Historikers ist jedermann“, die Wendung kommt prompt und glatt: „Jedermann“ solle sein Buch „gerne lesen, es vielleicht auch spannend finden“.

Das erzählerische Moment habe er gerade darum nicht untergehen lassen wollen und können. Grund genug für viele kritische Diwald – Leser und -Zuhörer, ihm. ein subjektivistisches Geschichtsbild und zu viel Kreisen um die Person Luther vorzuwerfen. Solche Vorwürfe rinnen an Diwald, wie viele kontroverse Diskussionsbeiträge ohne Gesprächseinwürfe, herunter wie eine lauwarme Dusche, nach der die Haut sofort wieder trocken wird und die keine Spuren außer ein paar Tröpfchen hinterläßt. „Ich habe keinen Satz geschrieben, den ich nicht belegen kann. Nur dort, wo viele Berichte da sind, bin ich erzählend vorgegangen.“ Er nimmt das Gewitter-Erlebnis, das Luther zum Eintritt ins Kloster bewegen hat, als Beispiel. „Es ist doch legitim, zu versuchen, dem Menschen von heute klarzumachen: Was hat einen jungen Mann zu einem solchen Entschluß bewogen.“ Und wie heftig ein Gewitter in dieser Gegend sein kann, wisse er. Schließlich stammt seine Frau aus Thüringen.

Als Konservativ, ja als reaktionär haben harte Kritiker aus Medien und Hochschulen Hellmut Diwald und auch sein Luther-Buch bezeichnet. Er selbst meint dazu: „Ich bin nicht konservativ, ich bin nicht rechts, ich bin nicht revolutionär, sondern deutsch.“ Ein Satz, der so ausgesprochen wird, daß weitere Argumente dem Gesprächspartner recht schwer werden.

Zur gegenwärtigen politischen Situation geht Diwald nun fast nahtlos über. Er bedauert die „Diskriminierung“ der Friedensbewegungen in Ost und West, hat ernstliche Bedenken ob des Bedeutungswandels des Wortes „Frieden“, das heute ja weitgehend negativ belegt werde. Und sein Bekenntnis, „ich bin deutsch“ erweitert er dahingehend, daß ihm die „Deutschen in der DDR genauso nahe stehen wie die hier.“

Bedauerlich findet der Luther-Biograph, daß der Staat Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zur DDR keine offizielle Würdigung des Reformators im Jubiläumsjahr vorgesehen hat „Was macht der Bundespräsident, wenn er zum offiziellen Festakt in der DDR eingeladen wird?“

Viele interessante, viele vernünftige Positionen kommen im Gespräch mit Helmut Diwald zutage. Er ist redegewandt und höflich, fällt auch dem schärfsten Kontrahenten nie ins Wort. Verwaschen bleiben seine Begriffsdefinitionen, er windet sich immer wieder vor genauen Abgrenzungen – eine Sache, die bei einem Historiker erstaunt. Er beharrt darauf, daß auch ein „Bruch mit der Tradition, ein Kontinuitätsbruch, der Willen, eine neue Ordnung zu schaffen“ als „Revolution“ zu bezeichnen sei — darüber ließe sich mit Diwald endlos streiten.

In einem aber muß man ihm recht geben. Selbst wenn man seinen geradezu inflationär gebrauchten Revolutionsbegriff akzeptiert, das, wozu er Martin Luther so gerne gemacht sähe, eben ein „Revolutionär“ ist Hellmut Diwald selber nicht Auch wenn sein Buch im Rahmen der Luther-Biographien einen „Bruchmit der Tradition“ darstellt.“
u.s.

 

Luther, in: Buchdienst / Deutsche Wochen-Zeitung, Rosenheim, 1984/1985.

»Hellmut Diwald sieht – hierin nicht neu, aber in dieser ausgeprägten Form doch beachtlich – in Luthers Tätigkeit die erste große geistige Revolution der Neuzeit. Auf dem Hintergrund der Zeit und ihrer Gestalten – besonders schön sind die Porträtdarstellungen etwa von Staupitz und von Friedrich dem Weisen von Sachsen – stellt Diwald einen Mann dar, der mehr ist und mehr sein will als ein theologischer Reformator. Über die Folgen der Tätigkeit Luthers bis hin zu seinem Verdienst für unsere Sache gibt es heute kaum einen Zweifel. Diwalds Akzentuierung der Motivation mag die Kontroverse über das „Reform oder mehr als Ziel?“ wieder anzuheizen. «

 

Martin Luther im Lichte Hellmut Diwalds. Dank an Hellmut Diwald, in: Hellmut Diwald – Sein Vermächtnis für Deutschland – Sein Mut zur Geschichte, Rolf-Josef Eibicht (Hrsg.), Hohenrain Verlag, Tübingen, 1994, von CARSTEN KIESEWETTER

… „Mit der Person Martin Luthers habe ich mich noch nie anfreunden können diesem »wütenden Mönch und barbarischen Schriftsteller«, wie ihn Friedrich der Große zu nennen pflegte. Hellmut Diwald konnte ihn mich auch nicht lieben lehren, konnte aus einem »Papisten« auch keinen Lutheranhänger machen, geschweige denn einen windelweichen und konturlosen Anhänger einer »Oneworldreligion« und »utopistischen Ökumenebetbruder« schaffen, dem es mit Leichtigkeit gelingt, auch zentralste Glaubensinhalte zwischen den Religionen zu überbrücken.

Die Bücher Diwalds über Luther haben mir jedoch einen Luther erschlossen, in dessen Person sich für mich die ganze Tragik meines Vaterlandes bis auf den heutigen Tag offenbart hat1. Die Tragik der Person Luthers für das weitere Schicksal Deutschlands hat in jüngster Zeit wohl kaum einer so messerscharf erkannt und in klarer Form ausformuliert wie der viel zu früh verstorbene Erlanger Historiker Hellmut Diwald2. Auch in seiner Lutherbiographie zeigt er sich als unbestechlicher und weitblickender Historiker, der sich wohltuend vom seichten Rest der deutschen Nachkriegsgeschichtsschreiberlinge absetzt. Neben den klaren analytischen Blick und eine wissenschaftliche Unbestechlichkeit tritt ein Bekennermut und das unbedingte objektive Bemühen um historische Gerechtigkeit, was Diwald schon zu Lebzeiten nicht nur Freunde eingebracht hat. Auch die Person und das Wirken Luthers erfahren diese Gerechtigkeit. Allein durch seine Werke wird Diwald vor der Geschichte gerechtfertigt werden, was anderen bundesdeutschen - vor allem auch Erlanger - Haus- und Hofhistorikern wohl nicht widerfahren wird.

Die Person und das Wirken Luthers im Lichte Diwalds

Diwald unterläßt platte und vordergründige Deutungsschritte, pseudo-psychologische Erklärungsversuche, weil man sich dadurch den Zugang zur Person Luthers, seiner zentralen Stellung in der europäischen und vor allem deutschen Geschichte verschüttet und nichts anderes gewinnt als ein verzerrtes Klischee vordergründiger und zeitgeistiger Modernität3.

Diwald erschließt einen Luther, der über das ungefähre Wissen, daß sich mit dessen Namen das Ereignis der Reformation und die Entstehung des Protestantismus verbinden, daß er eine Mischung aus Reformator und Religionsstifter gewesen ist und für die Spaltung Deutschlands und Europas verantwortlich ist, hinausgeht. Diwald wagt den Sprung über die vergangenen fünf Jahrhunderte hinweg und zeigt einen Luther, der ein Revolutionär war, in der Radikalität des Fragens und des Infragestellens ausgebildet, einen Mann, der leidenschaftlich und fanatisch für die Wahrheit Partei nahm. Er zeigt einen Mann, der um des Glaubens und der Wahrheit willen erst einen Umsturz bewirkte und damit in letzter Konsequenz eine Revolution herbeiführte. Das nur recht unzulänglich als Reformation bezeichnete Geschehen, das vier volle Jahrzehnte überspannte, ist der einzige Umsturz der Weltgeschichte, der den berechtigten Anspruch auf die Bezeichnung »permanente Revolution« hat.

Das Geschehen setzte mit dem sogenannten »Turmerlebnis« Luthers um 1515 ein und endete mit dem Augsburger Religionsfrieden des Jahres 1555. Diwald kommt zu folgender Bewertung: »Die Etappen dieses Prozesses sind identisch mit den Etappen der tiefgreifendsten Revolution, von der Europa jemals erfaßt wurde. Kein Umsturz war so grundsätzlich und erfaßte breitere Fundamente. Luthers Revolution wurde allerdings verdeckt, diszipliniert und getarnt unter dem Etikett >Reformation< und der Einrichtung der evangelischen Landeskirchen; ihr Feuer wurde damit nicht gelöscht. . . In Luther hat sich das entscheidende Doppelprinzip der christlichen Moderne und der politischen Neuzeit verkörpert: der Anspruch des Gewissens und des Glaubens, und die Rechtfertigung und das Recht des einzelnen - und darin eingeschlossen das Recht seines ganzen Volkes. . .« „ …

 

 … „Luther sah nüchtern und wahrhaftig die Wirklichkeit dieser irdischen Welt. Er entwarf keine Utopien und gab sich keinen irgendwie gearteten Befreiungstheologien hin. Luther lag der Gedanke, daß die Welt allein durch das Evangelium verbessert oder gar in sich hier und heute erneuert werden könnte, völlig fern. Gott selbst schafft erst am jüngsten Tag eine neue Erde und einen neuen Himmel. Dieser Grundirrtum hat bei sehr vielen protestantischen Würdenträgern dazu geführt, daß heute politisierende Pastoren die Kanzeln und vor allem seit 1990 in Mitteldeutschland die Parlamente besetzen und moralisierende Politiker die politische Bühne bevölkern.

Durch die Vermischung beider Reiche meinen erstere, man könne mit der Bergpredigt die Welt regieren. Sie übertragen innerstaatliche und innerfamiliäre Konfliktregelungsmechanismen in den außenpolitischen Bereich. Sie halten den Verzicht auf Gewaltanwendung für christliche Politik. Die evangelische Kirche scheint sich heute sehr weit von Luther entfernt zu haben. Die Lutherfremdheit, die Diwald befürchtete und feststellte, steht in voller Blüte. Die Lektüre von Diwalds Werken zu Luther könnte hier einen Schlüssel liefern. Für die evangelische Kirche wird es wohl eine Frage des Überlebens werden, ob sie zu Luther zurückfindet.“
M.A. Carsten Kiesewetter

 

Lebensbilder Martin Luthers

Klappentext des Verlages

„Lebensbilder Martin Luthers – ein ungewöhnlicher Bildband, der das Leben Martin Luthers in den Stationen seines Wirkens festhält. Zu Karl-Heinz Jürgen’ s Farbaufnahmen aus beiden Teilen Deutschlands und der Schweiz kommen historische Bilddokumente und Faksimiles. Der begleitende Text stammt von dem Historiker Hellmut Diwald, dessen gleichzeitig veröffentlichte Lutherbiographie den geschichtlichen Hintergrund zu dem vorliegenden Band bietet.

Als Lucas Cranach im Jahre 1520 seinen Kupferstich »Luther als Augustinermönch« vollendet hatte, schrieb er darunter »Das ewige Bild seines Geistes prägte Luther selbst der Griffel des Cranach nur sein sterblich Angesicht«. Dem Künstler war das Verhältnis zwischen Darstellung und Wirklichkeit in der Geschichte ganz bewußt

Von der gleichen Erkenntnis ließen sich auch der Historiker Hellmut Diwald und der Fotograf Karl-Heinz Jürgens bei der

Gestaltung der »Lebensbilder Martin Luthers« leiten. » Historische Darstellungen« so Diwald in seinem Vorwort, »berichten von Ereignissen und Persönlichkeiten, Prozessen und Wirkungen der Geschichte. Beim Lesen, diesem komplexen Akt aus Information, Vorstellung und innerer Teilnahme, entsteht eine Gesamtanschauung: Wir machen uns ein Bild. Ein solches Geschichtsbild wird durch nichts besser ergänzt und vertieft als durch die historischen Bilder zeitgenössischer Künstler. In den alten Gemälden, Stichen und Holzschnitten läßt sich Geschichte buchstäblich anschauen«.

Fotograf Karl-Heinz Jürgens ging noch einen Schritt weiter: Ihm gelang es nicht nur, aus den Archiven der Bundesrepublik und der DDR Luthers Lebensspuren historisch zu dokumentieren, sondern er fotografierte auch selbst in Thüringen und Sachsen, in Franken, Österreich, Böhmen und in der Schweiz das heutige Bild historischer Stätten, Landschaften und Gebäude. Der Band »Lebensbilder Martin Luthers« überbrückt damit ein halbes Jahrtausend, er verbindet Geschichte und Gegenwart zu einer neuen, nie gesehenen Dimension.“

 

Hellmut Diwald (Text) und Karl Heinz Jürgens (Fotos): Lebensbilder Martin Luthers, in: Criticon, München, Nr. 75, Jan./Feb., 1983.

„Auch gutgemachte Bildbände vermögen unser Erbe zu bewahren. Diwald und Gregor-Dellin begleiten ihre Bücher über Luther und Richard Wagner durch solche Bilderbücher, denen sie mit ihren Kommentaren ein Gerüst eingezogen haben. … Diwald hat an sich das sprödere Material, aber sein Kompagnon, der Fotograf Jürgens, belebt die alten Urkunden und Stiche durch Fotografien aller Schauplätze von Luthers Wirken. Es sind Farbaufnahmen (oft über zwei Seiten des 31 x 26 cm-Bandes hinweg), die von besonderer Sensibilität für den Zauber von Landschaften, auch Stadtlandschaften, zeugen. So ist dieser Band geradezu ein Anstoß zum Träumen geworden.“

 

Zwei repräsentative Luther – Bildbände, in: Das Parlament, Bonn, 22.01.1983, von Ju:

„In den ‚Lebensbildern’ haben sich der Historiker Diwald und der Fotograf Jürgens ausgezeichnet ergänzt. Beide legen Rechenschaft ab, wie es im Vorwort heißt ‚damit eine Anschauung von den Menschen, Kräften und Impulsen entsteht, die dem Leben und der Geschichte Martin Luthers seine unvergleichliche Fülle gegeben haben’“
Ju

 

Das Leben Martin Luthers in Bildern, in: Aachener Nachrichten, Aachen, Nr. 30, 05.02.1983.

„’Historische Darstellungen’ so Hellmut Diwald in seinem Vorwort ‚berichten von Ereignissen, und Persönlichkeiten, Prozessen und Wirkungen der Geschichte. Beim Lesen, diesem komplexen Akt aus Information, Vorstellung und innerer Teilnahme, entsteht eine Gesamtanschauung: Wir machen uns ein Bild. Ein solches Geschichtsbild wird durch nichts besser ergänzt und vertieft als durch die historischen Bilder zeitgenössischer Künstler. In den alten Gemälden, Stichen und Holzschnitten läßt sich Geschichte buchstäblich anschauen.“ Fotograph Karl-Heinz Jürgens ging noch. einen Schritt weiter: Ihm gelang es, nicht nur aus den Archiven der Bundesrepublik und der DDR Luthers Lebensspuren historisch zu dokumentieren, sondern er fotografierte auch selbst in Thüringen und Sachsen, in Franken, Osterreich, Böhmen und in der Schweiz das heutige Bild geschichtlicher Stätten, Landschaften und Gebäude. Der Band „Lebensbilder Martin Luthers“ überbrückt ein halbes Jahrtausend, er verbindet Geschichte und Gegenwart zu einer neuen Dimension“

 

Glaubens – Widerstand, in: Neues Rheinland, Köln, Nr. 2, Februar 1983.

„Der deutsche Historiker Hellmut Diwald besticht in seinem Luther Buch durch präzise Detailgenauigkeit.“

 

Zum Luther – Jahr, in: Artis – Das aktuelle Kunstmagazin, Konstanz, Heft 3, März 1983.

„Gleichzeitig mit seiner Luther – Biographie kommentiert Diwald den Bildband „Lebensbilder Martin Luthers“, der von dem Buchausstatter Karl – Heinz Jürgens photographiert und zusammengestellt wurde. Daher ist dieses mit hervorragenden Aufnahmen der Lutherstätten sowie seltener Dokumente ausgestattete Werk nicht nur als Begleitband zur Biographie, sondern auch als selbständiger Bildband zum Lutherjahr zu lesen.“

 

Lebensbilder Martin Luthers, in: Das goldene Blatt, Bergisch Gladbach, Nr.10, 02.03.1983.

„Hellmut Diwald kommentiert diesen reich ausgestatteten Bildband mit hervorragenden Aufnahmen der Lutherstätten.“

 

Die Erben Poseidons
Seemachtpolitik im 20. Jahrhundert

Klappentext des Verlages zur Originalausgabe

„Die Ära der absoluten Seeherrschaft Großbritanniens endet mit dem 19. Jahrhundert. Seitdem wird die Formel »Weltmacht ist Seemacht« im Hinblick auf diejenigen Momente überprüft, die das anhebende 20. Jahrhundert bestimmen: Industrialisierung, Welthandel und Wirtschaftsimperialismus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts drängen die USA in den pazifischen Raum, prallen im Fernen Osten Rußland und Japan aufeinander, etabliert sich Deutschland als jüngste europäische Seemacht und gerät in schwerste Konflikte mit England und seinem alten Anspruch auf die Seeherrschaft. Der Erste Weltkrieg beendet diese Rivalität mit der Niederlage Deutschlands. Freilich ist nicht England der eigentliche Sieger, sondern die Vereinigten Staaten, die gewillt sind, das maritime Erbe Großbritanniens anzutreten. Zur selben Zeit setzt sich Japan im pazifischen Raum als führende Macht durch. Dabei zeichnet sich schon bald ab, daß die japanischen Interessen im Stillen Ozean mit denen der USA in Konflikt geraten müssen. In den Jahrzehnten zwischen 1919 und 1939 spiegeln die Rüstungen der Mächte und ihre strategischen Konzepte in aller Schärfe auch die veränderten Schwergewichte der Kriegführung. Die Entwicklung der Luftwaffe und des U-Boots verschiebt die bis dahin maßgeblichen Momente der Seeherrschaft auf eine revolutionäre Weise.

Nach 1945 rückte die raumpolitische Rivalität zwischen den USA und der Sowjetunion in den Mittelpunkt. Jetzt zeigte sich unverhüllt, daß der charakteristische Unterschied zwischen Landmächten und Seemächten unwiderruflich der Vergangenheit angehört. Heute ist die Sowjetunion mit ihrer Flottenstärke und Kampfkraft hinter den USA die größte Seemacht der Gegenwart.

Diwald schließt mit den »Erben Poseidons« unmittelbar an sein Buch über den »Kampf um die Weltmeere« an. Wiederum gelingt ihm eine fesselnde Darstellung der Geschichte, und zwar der Geschichte unseres 20. Jahrhunderts in einer Perspektive, die den Rundblick über den ganzen Horizont ermöglicht: Weltgeschichte, in der die entscheidenden kontinentalen Absichten und Konflikte erst im Ringen der Großmächte um die Herrschaft auf den Weltmeeren deutlich werden.“

Hellmut Diwald: Die Erben Poseidons. Seemachtpolitik im 20. Jahrhundert, in: Rheinischer Merkur, 05.10.1984, von ALOIS RUMMEL:

„Es ist schade, daß es der Verlaß dem Autor gestaltet hat, sein Buch „Die Erben Poseidons – Seemachtpolitik im 2l. Jahrhundert“ zu nennen. Denn die Erben Poseidons worden in diesem Buch nicht beschrieben. Dazu ist Hellmut Diwald ein viel zu ernsthafter und angesehener Autor, als daß er sich lediglich mit den Erben Poseidons auseinandersetzen würde. Diwald hat sich in die Seemachtpolitik Im 20. Jahrhundert hineingekniet. Er hat die Strategie der Verteidigung in politischen Zusammenhängen aufgezeigt, wie es mit dieser Deutlichkeit bisher kaum irgendwo anders geschehen ist. Die Seemachtpolitik dient ihm lediglich als ein Aufhänger, um damit Machtpolitik im 20. Jahrhundert um so plastischer und eindrucksvoller beschreiben zu können.

Machtpolitik ist immer die Darstellung von geschichtlicher Entwicklung. Kaum ein Jahrhundert ist von den Konflikten der Macht so sehr geprägt worden wie das 20. Jahrhundert. Zwei Weltkriege sind dafür erschreckende Beispiele. Hellmut Diwald ist nicht nur ein exzellenter Historiker, sondern auch ein guter Psychologe, der weiß, daß einzelne Machtgruppen nur überleben, wenn sie ihre vitalen Interessen aufeinander abstimmen. Seemachtpolitik im 20. Jahrhundert unterscheidet sich grundsätzlich von der Seemachtpolitik im 19. Jahrhundert. Große Seeschlachten, wie etwa Skagerrak, Midway, Tsushima oder die Schlacht im Atlantik, waren in der Tat „welthistorische Entscheidungsschlachten, deren Ausgang nicht nur weit größeres Gewicht besaß als jede Schlacht zu Lande...“

Seeschlachten dieser Art sind angesichts der veränderten strategischen Situation kaum mehr vorstellbar. Das Gleichgewicht des Schreckens, hergestellt durch die Atombombe, hat die Lage verändert. Aber Diwald warnt davor, die Meere als Orte von Entscheidungsschlachten zu unterschätzen. Für ihn ist Sicherung von Weltmacht nach wie vor nur durch Sicherung von Seemacht möglich. Diwald wird sicher auf Widersprach stoßen. Die politischen Bedingungsgeflechte im ausgehenden 20. Jahrhundert haben seiner Meinung nach der Seemachtpolitik keinen geringeren Rang, sondern nur eine andere Funktion zugewiesen. Das Buch strotzt nur so von glänzend dargestellten Einzelheiten. Hellmut Diwalds Fähigkeit, die Sachpolitik im einzelnen immer in einen weltumfassenden Zusammenhang zu stellen, ist mit diesem Buch wieder einmal glänzend bestätigt worden.“
Alois Rummel

 

Hellmut Diwald und die deutsche Geschichtsschreibung. Seine Person, Leistung und Bedeutung, in: Hellmut Diwald – Sein Vermächtnis für Deutschland – Sein Mut zur Geschichte, Rolf-Josef Eibicht (Hrsg.), Hohenrain Verlag, Tübingen, 1994, von ALFRED SCHICKEL.

… „War es die Konsequenz des »gebrannten Kindes« oder die Entdeckung eines neuen Interessenfeldes, daß Hellmut Diwald 1980 seine Leser mit dem Buch Der Kampf um die Weltmeere überraschte? Schließlich schienen im Zeitalter der Interkontinental-Raketen und Weltraum-Bomben Schiffe und Flotten weitgehend vergessen. Es ging damals bei den Abrüstungsgesprächen zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten nicht um die Verringerung von Schlachtschiffen, Flugzeugträgern oder Unterseebooten, sondern um die Reduzierung von Marschflugkörpern und Militärsatelliten. Was, so fragten behende Kritiker Hellmut Diwalds, hätten da noch Die Erben Poseidons, wie er sein einschlägig nachfolgendes Buch nannte, die Seemächte unserer Tage, zu bestellen?

Und was, so mochte man weiterfragen, konnte dann bei solchen neuen Rüstungsschwerpunkten ein historisch-politisches Buch dem Leser noch Interessantes bieten - außer möglicherweise spannende Geschichte über Seeschlachten von ehedem? Auf beide skeptische Fragen gab Hellmut Diwald in seinen Arbeiten überraschend einleuchtende Antworten.

Er führte dem Leser zunächst einmal vor Augen, wie Flotten- und Seemachtpolitik auch im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert politische und militärische Entscheidungen beeinflußte - und wie von der Größe der Marine auch die Macht- und Weltgeltung eines Staates abhing. So sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur über ihr siegreiches Eingreifen in den Ersten Weltkrieg zu einer respektablen Großmacht aufgestiegen, sondern haben mit ihrer Führungsrolle innerhalb der Alliierten zugleich auch die Briten als bis dahin erste Seemacht der Welt abgelöst.

Wie der gleichermaßen in Epochen denkende und um folgenreiche Einzelheiten gut Bescheid wissende Historiker Diwald feststellte, halfen die Engländer pikanterweise dieser für sie nicht sonderlich erfreulichen Entwicklung auch noch nach - und zwar just auf dem Gebiet des Seewesens, als sie die Amerikaner durch eine ebenso berechnete wie provozierte Versenkung der »Lusitania« gleichsam in den Krieg hineintorpedieren ließen und damit zu entscheidenden Kriegspartnern machten.

Hellmut Diwald wies aber nicht nur auf diese merkwürdige Fügung hin, sondern registrierte auch mit sensiblem Gespür die oft wunderlichen Vorgänge und Entwicklungen im Bereich des See- und Marinewesens. Das fängt in seiner Darstellung bei kleinen menschlichen Eigenheiten berühmter Kapitäne und Admirale und ihren oft gar nicht so geringen Folgen an und hört bei der Feststellung, daß der Jahrhunderte hindurch »tapsige russische Bär« auf einmal ein imposanter »sowjetischer Walfisch« geworden war, auf.

Und mit diesem Vermerk wurde dem Leser auch schlagartig deutlich, daß die modernen Erben Poseidons beileibe keine nostalgischen Windjammer-Staaten waren, sondern die beiden, nachmalig weltbeherrschenden Supermächte: USA und Sowjetunion, auffallenderweise beide nach Weltkriegen in diesen Rang gekommen, wie Hellmut Diwald deutlich machte. Im übrigen wußte er zu Vorgeschichte und Verlauf dieser beiden großen Kriege immer noch Aufschlußreiches oder bislang Unbekanntes beizusteuern, so im Kapitel über Japan, den »zweiten Sieger des Ersten Weltkriegs«, wo er das heimliche Einverständnis zwischen Tokio und London über die Aneignung der deutschen Schutzgebiete (Kolonien) in China durch das fernöstliche Inselreich enthüllte.

Ein anderes Beispiel ist der Abschnitt über 1941, in welchem Diwald die zielstrebige Hilfspolitik US-Präsident Roosevelts gegenüber England anhand mittlerweile gewonnener Erkenntnisse und zugänglicher Akten beschrieb und dabei auch den geschichtlichen Hintergrund des japanischen Angriffs auf die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor ausleuchtete. Mit seinen unbefangenen Feststellungen über Roosevelt und dessen zielstrebigen Interventionskurs riskierte Diwald abermals, in das beflissene Kreuzfeuer der notorischen »Vergangenheitsbewältiger« zu geraten und zu einem mittelbaren »Entschuldiger der Kriegspolitik der Achsenmächte« erklärt zu werden. Denn mit seinem kritischen Blick auf den damaligen amerikanischen Staatschef beschädigte Hellmut Diwald in den Augen seiner volkspädagogischen Zensoren eine schier sakrosankte Lichtgestalt der einstigen Kriegsgegner Deutschlands, deren moralische Größe mit der Verkündung der sogenannten »Atlantik-Charta« ein für allemal in der Weltgeschichte festgeschrieben schien. Daß diese zum epochalen Dokument hochstilisierte »Atlantic-Charta« weder politisch-moralische Verbindlichkeit besaß, noch von Roosevelt unterschrieben war, störte die historiographischen Advokaten Roosevelts ebenso wenig wie der Umstand, daß sich ihr Anti-Hitler-Idol bei der Festlegung der europäischen Nachkriegsordnung bedenkenlos über wesentliche Aussagen der am 14. August 1941 der Presse übergebenen »Atlantik-Erklärung« hinwegsetzte. Ließ der amerikanische Staatschef den versammelten Journalisten an bewußtem August-Tag verkünden, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien keine »territorialen Veränderungen wünschen, wenn diese nicht mit dem frei ausgedrückten Willen der betroffenen Bevölkerung übereinstimmen«, gab er knapp zwei Jahre später, im Mai 1943, dem tschechoslowakischen Ex-Präsidenten Benesch seine Zustimmung zu dessen Absicht, nach Kriegsende die Sudetendeutschen aus ihrer Heimat auszuweisen. Selbst Roosevelts »natürlicher Bundesgenosse« Polen, den er über seinen Botschafter und persönlichen Vertrauten, William C. Bullitt, im Frühjahr 1939 nachdrücklich zum Widerstand gegen Deutschland animiert hatte, mußte erfahren, daß das Versprechen, keine »territorial changes«, welche nicht »accord with the freely expressed wishes of the peoples« sind, vorzunehmen, nicht einmal für ihn galt, wie die Absprachen von Teheran und Jalta zwischen Roosevelt und Stalin ausweisen. Im Archiv der von Hellmut Diwald mitgegründeten Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt liegen in Faksimile die Verhandlungsprotokolle der Konferenzen von 1943 und 1945, auf denen die »Großen Drei« (Roosevelt, Stalin und Churchill) die künftigen Grenzen Polens beschlossen haben. Geradezu rührend und peinlich zugleich ist, wie sich die polnische Exilregierung in London in Schreiben an Churchill und Roosevelt gegen die über ihren Kopf hinweg gezogene Ostgrenze zur Sowjetunion wehrte und sich dann in die Beschlüsse von Teheran und Jalta fügen mußte. Hellmut Diwald, dem die osteuropäischen Dinge als Mensch und Historiker stets besonders nahegingen, sorgte über die Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt für die Einsicht in diese Unterlagen und ihre Auswertung und bereicherte dadurch die deutsche Zeitgeschichtsschreibung um wertvolle Archivalien, die weiterführenden Untersuchungen zur Verfügung stehen.

Wenn schon der kleine polnische Verbündete nicht auf die Zusagen der »Atlantik-Charta« bauen konnte, durfte sich Roosevelts Hauptgegner Deutschland noch weniger auf die Versicherung besagter »Charta« verlassen, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien weder territoriale noch »andere Vergrößerungen« anstrebten. Die Requirierung der deutschen Patente und die geistige Ausbeutung der deutschen Raketenwissenschaftler nach dem Krieg haben dann bekanntlich nicht unwesentlich zur »Vergrößerung« der
Siegerstaaten zu »Weltraummächten« beigetragen.

Eine ähnliche Unaufrichtigkeit entdeckte Hellmut Diwald auch in der amerikanischen Japan-Politik des Jahres 1941 und deutete es im einschlägigen Kapitel seiner Arbeit über die »Seemachtpolitik im 20. Jahrhundert« an. Der sogenannte japanische »Überfall« auf die amerikanische Marinebasis von Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 war in den Augen von Hellmut Diwald weniger ein unerwarteter »Schlag aus dem heiteren Himmel« als vielmehr eine wohlberechnete und provozierte Verzweiflungstat der in die politische und wirtschaftliche Enge getriebenen Japaner. Dies auch nur andeutungsweise in der Geschichtsschreibung zu vertreten bedeutete oft ein geistiges Spießrutenlaufen zwischen den festgelegten Historikern und den selbsternannten Geschichtsauslegern der vorherrschenden Volkspädagogik … „
Dr. phil. Alfred Schickel.

 

Mut zur Geschichte

»Daß wir auf Geschichtsbewußtsein angewiesen sind, um urteilen, entscheiden, handeln zu können, daß es ohne Geschichtsbewußtsein weder eine soziokulturelle noch politische Selbstbehauptung gibt, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Moderne. Aus diesem Grund muß auch die Geschichte immer wieder neu gesichtet und geschrieben werden. Jede Zeit ist dazu gezwungen, ihr eigenes Verhältnis zur Historie zu entwickeln, aus ihren Nöten und Problemen, aus ihrer Grundhaltung heraus. Sonst bekommt sie keinen festen Boden unter die Füße. Deshalb zerstören alle diejenigen, die unser Geschichtsbewußtsein verrotten lassen oder absichtlich verwüsten, die Wurzeln unserer Existenz. «
Hellmut Diwald

 

Klappentext des Verlags im Buch:

„Mit „Mut zur Geschichte“ legt der bekannte Historiker Hellmut Diwald seine Gedanken, Thesen, und Folgerungen zur deutschen Geschichte vor. Er geht in seiner Analyse davon aus, daß es zu den unverzichtbaren Aufgaben der Geschichtswissenschaft gehört, historische Ereignisse und Entwicklungen dem Vergessen zu entreißen und die Ergebnisse ihres Forschens der Öffentlichkeit auch gut verstehbar zugänglich zu machen. Letzteres wurde in der Zeit nach 1945 immer stärker versäumt. Historisch interessierte werden mit ihren Fragen an die Geschichte allein gelassen. Das führt zwangsläufig zu Orientierungslosigkeit. In dieser Situation gibt Diwald feste Anhaltspunkte. Nachdrücklich fordert er dazu auf, trotz und gerade wegen der jüngsten deutschen Vergangenheit sich mit Mut und ohne verzerrende Vorbehalte der Geschichte unseres Landes und Volkes wieder zuzuwenden. Gleichzeitig appelliert er an die Geschichtswissenschaft, sich einer ihrer vornehmsten Pflichten zu erinnern: nämlich einen aktiven Beitrag zur Heranbildung des allgemeinen Geschichtsbewußtseins zu leisten. Das ist umso notwendiger, als das historische Selbstbewußtsein eines Volkes die wesentliche Voraussetzung für jede Selbstbestimmung darstellt. Hellmut Diwald wirkt mit seiner Analyse dem Zerfall unseres Geschichtsbildes entgegen und setzt neue Maßstäbe dafür, die deutsche Geschichte wieder im Zusammenhang zu sehen.“

 

INHALT

Vorwort.

1. Grundgedanken.

  • Der Löwe am Stein 11 Geschichtsbewußtsein und Selbstbehauptung 16 Bilanz einer Beklemmung. Geschichtsbewußtsein im gegenwärtigen Deutschland 31 Das Prinzip Gegenchronologie 44  Rechts und links. Die Politik und ihre antiquarischen Begriffe 50

2. Menschen, Mächte, Motive.

  • Zwei Stangen, die sich kreuzen. Von der Behausung des Menschen 63  Klugheitsmoral und politisches Kalkül im 17. Jahrhundert 72  Ernst Moritz Arndt - Das Entstehen des deutschen Nationalbewußtseins 88 Im Zeichen der Einheit. Das Hambacher Fest 1832 109  König Ludwig 11. von Bayern 115 Teils Zentrum, teils Vakuum. Deutschland im Mittelfeld Europas 127  Literatur und Zeitgeist in der Weimarer Republik 150

3. Stellungnahmen

  • Polyphem in der Politik. Vom Rückzug des Blockdenkens aufs Altenteil 199 Der Mythos vom Gleichgewicht 212 Das Lindenblatt ist unerläßlich. Bemerkungen zur deutschen Identität 220  Mut zur Geschichte - Mut zur Wahrheit 230

 

Geschichte mit Ausrufezeichen, Fußnoten zu Hellmut Diwalds Aufruf zum Mut zur Tradition, in: Rheinischer Merkur, 09.12.1983, von PAUL BARZ:

Es kann sein, daß es Deutschlands Historiker noch nicht wissen oder auch nicht wissen wollen. Aber der Historiker Hellmut Diwald ist ein Glücksfall seiner Zunft, ein Autor von eloquenter Sprachkraft, deren biegsame Härte auf Verständlichkeit zielt und damit Historie wieder zum Abenteuer macht. Doch meint ‚Glücksfall’ nicht nur diese unbestreitbare Gabe, Resultate historischer Recherche farbkräftig, plastisch, bezüglich werden zu lassen. Diwalds Wirkung, hitzig umstritten, reicht weiter.

Geschichte ist für ihn nicht faktensicherer Lehrstoff, sondern lebende und gelebte Materie, ist der Raum, in dem wir uns   alle  mehr   oder  minder   bewußt bewegen, und das berühmte Wort von der Kugelform der Zeit: Diwald versteht es ganz unmittelbar. In jeder Gegenwart steckt auch ein  Stück Vergangenheit, über  jedem Morgen liegen   auch  die Schatten   des Gestern, und  wer  das Kommende erahnen will, braucht das Gewesene als Maßstab — das ist es, was Diwald vermitteln will, mit allem Mut zur Subjektivität, zur subjektiven Provokation, zuweilen auch mit der Lust am Provozieren. Sie hat ihm Feinde gebracht und auch  manchen Beifall aus der falschen Ecke. Es scheint ihn nicht zu stören. Den Konservativen ein Progressiver, den selbsternannten Progressiven ein Reaktionär, setzt er allen Anwürfen sein universales Geschichtsverständnis entgegen und nimmt dafür selbst den Ruf des Allzweck-Historikers hin. Denn Geschichte — das ist für ihn, was manchen Theatermenschen die Bühne bedeutet: die eigentliche Realität.

Unter diesem Bückwinkel gerät denn auch eine Essay-Sammlung wie sein jüngstes. Buch „Mut zur Geschichte“ zu noch etwas ganz anderem als zu der mehr beliebigen Zusammenstellung von Arbeiten aus verschiedenen Jahren. Gewiß, zunächst berührt es eher zufällig, wenn hier der Autor im gleichen Atemzug von der Behausung der Menschen, schreibt und dann wieder von Literatur und Zeitgeist in der Weimarer Republik, vom Hambacher Fest und den in Diwalds Augen verkannten Ernst Moritz Arndt, dem frühen Träumer nationaler Einheit, der klarer als die Realisten des Wiener Kongresses das Ende dieser Träume absah. In typischer Diwald – Wendung mit aller Lust am verbal Paradoxen: „Daß man so wenig Notiz von ihm genommen hat, zeigt, wie brennend aktuell dieser Mann noch immer ist...“ Diwald umreißt „Klugheitsmoral und politisches Kalkül im 17. Jahrhundert“ und plädiert mit gleichem Eifer für eine gerechtere Einschätzung des Bayernkönigs Ludwig II. — fast atemlos zuweilen, Themen und Jahrhunderte- mit einer Selbstverständlichkeit wechselnd, die jedem im Schubkastendenken verhafteten Fachkollegen die blanken Tränen in die Augen treiben dürfte.

Doch waltet hinter solcher tour de force eben kein Zufall, sondern ein deutliches Konzept mit dem einen großen Appell: Habt Mut zu eurer Geschichte! Nehmt sie an, auch in ihren Schrunden und Falten, ihren Widersprüchen, ihrer Widersprüchlichkeit! Erkennt die Kontinuität hinter allem, die nichts zufällig läßt bis in die Gegenwart und darüber hinaus! So trägt denn der Buchtitel auch sein geheimes Ausrufezeichen, ist der Historiker Hellmut Diwald auch der fordernde — politische —.Moralist, unbequem wie alle Moralisten.

Diese seine Moral findet sich in den beiden Groß-Essays zu Beginn und am Ende des Bandes formuliert, die sich dort als bindende Klammer um die Einzelbeiträge legen. Ihre Thesen dürften dabei auf ebenso vehementen Widerspruch stoßen wie seinerzeit Diwalds „Geschichte der Deutschen“. Der Ruf „Nationalist“, gleichgesetzt mit der Schmähung „Reaktionär“, wird ein weiteres Mal zu hören sein — denn der Autor bekennt sich in der Tat zu einem Nationalismus, allerdings sehr subtiler Prägung.

Noch einmal sein Verständnis von Geschichte als universalem Raum, wo es zunächst kein Gut und Böse, kein Richtig oder Falsch gibt, sondern immer nur Prozesse jenseits pauschaler Wertungsmöglichkeiten: Die deutsche Nation, wie sie nun einmal wurde und ist im Zeichen ihrer politisch-ideologischen Zweiteilung, ihren Einbindungen in internationale Abhängigkeiten, muß dennoch zu sich selber stehen, muß sich freimachen von allen Manipulationsübungen jener, denen aus tagespolitischer Opportunität heraus Geschichtsbewältigung gleichbedeutend ist mit der konsequenten Verteufelung alles Vergangenen. Wir brauchen ein neues Geschichtsverständnis, gerade in der gegenwärtigen Situation, angesichts der zeithistorischen Gegebenheit zweier deutscher Staaten mit gemeinsamem geschichtlichen Erbe, an dem beide gleichermaßen zu tragen, es bewußt zu bewältigen haben in ihrer Konsequenz Diwalds zentrale Forderung, so auch sein sehr persönlich gefärbtes Bekenntnis zu einem Deutschland jenseits antiquierter politischer Begriffe wie „links“ und „rechts“, auch jenseits eines von außen an die deutsche Realität herangetretenen Ost-West-Gegensatzes: „Wir Deutsche haben den West-Ost-Gegensatz nicht geschaffen.

Wir sind vielmehr dasjenige Volk, das am meisten unter diesem Gegensatz: gelitten hat, unter ihm leidet und am längsten darunter leiden wird. Wenn wir Westdeutsche uns deshalb der Illusion hingeben, wir könnten — zu Lasten oder ohne Rücksicht auf die Mitteldeutschen — auch nur in irgendeiner Form, auch nur entfernt Nutznießer dieses Gegensatzes sein, sind wir um nichts besser als jene listigen Leute, die so geschickt mit Linsengerichten und Erstgeburtsrechten hantieren können, um nicht ein härteres Bild zu gebrauchen. Statt für Selbstbewahrung und Selbstbehauptung hätten wir uns nämlich für Selbstaufgabe entschieden ...“ — das Zitat mag für andere stehen: der Historiker als politischer Moralist.

Eine gelegentliche Schwäche dieses Buchs, in paradoxer Ironie, und damit für Diwald eigentlich recht typisch, ist seine stilistische Brillanz. Der Autor liebt nicht nur die funkelnde Formulierung, er verliebt sich zuweilen auch in sie, und dann prunkt da manch barocke Wortperle, die mehr gleißt als erhellt. Wo allerdings Diwald solcher Schwäche widerstehen kann, wird sein Buch auch ein literarisches Vergnügen von provokativer Eleganz, die in vielen Farben leuchtet. Das Grau der Langeweile ist nicht darunter.“
Paul Barz

 

Besinnung tut not, Hellmut Diwald fordert Mut zur Vergangenheit, in: Die Welt, 04.05.1984, von HERBERT HUPKA:

„Der in Erlangen lehrende Historiker Hellmut Diwald, der mit seiner 1978 erschienen „Geschichte der Deutschen“ Aufsehen und Anstoß erregt hatte, will mit der jetzt vorgelegten Sammlung von Aufsätzen und Reden zur Selbstfindung und Selbstbehauptung der Deutschen als Volk und Nation Wegweisungen anbieten.

Immer wieder setzt sich Diwald mit Theorie und Praxis der Geschichtsschreibung auseinander. Der Freiburger Historiker Gerhard Ritter habe zwar 1949 auf dem ersten deutschen Historikertreffen in München das Richtige gesagt, als er empfohlen hatte, sich nicht aufzuhalten mit überflüssigen „Versuchen nachträglicher Selbstanklage oder Selbstrechtfertigung unserer Zunft“, und als nüchterne Selbstbesinnung und schonungslose Überprüfung unserer Traditionen herausgestellt wurden. Aber das Fazit, das Diwald für die Zeit nach 1945 zieht, fällt negativ aus: „Die historiographischen Geißlerzüge bemächtigen sich nicht nur ihrer literarischen Vordermänner, sondern der ganzen deutschen Geschichte. Sie wurde nicht akzeptiert und nüchtern interpretiert, sondern moralisch disqualifiziert.“

Jede Zeit erzählt die Geschichte neu, weil der erzählende Historiker in seiner Zeit lebt und nicht frei von dieser Zeit in die Vergangenheit zurückgeht. Für Diwald gilt das Prinzip der „Gegenchronologie“, und zur Erklärung wird ausgeführt: „Gewöhnlich wird Historie mit einer rückwärts gewandten Haltung gleichgesetzt. In der praktischen Arbeit sieht das anders aus. Der Historiker lebt genauso in der Gegenwart wie jeder andere seiner Mitmenschen. Sein Vorstellungsbereich, seine verbalen und psychisch mentalen Ausdrucksmöglichkeiten hängen von den Gegebenheiten seiner Zeit ab. Trotzdem setzt er, wie es seit eh und je Brauch ist, viele Jahrhunderte vorher bei dem an, was er zur Quelle unseres Geschichtsflusses erklärt hat, und arbeitet sich dann im Schlepp der aufeinanderfolgenden Jahreszahlen wieder in die Gegenwart zurück.“

Darum ist Geschichte für Diwald Gegenwart. Diese wird zeitbedingt und zeitbezogen interpretiert, „historische Arbeit ist vor allem Interpretation“. Wenn man dann liest, mit wieviel Lob und Ruhm das Bild von Ernst Moritz Arndt nachgezeichnet wird, meint man ein Vorbild entdeckt zu haben: „Arndt wollte immer eine Wirkung erreichen, kein Werk geben. Er wollte verändern, nicht schreiben, und wenn er schrieb, dann um dieser Veränderung willen.“ Die Zeit da sich das Nationalbewußtsein der Deutschen im Kampf gegen den französischen Kaiser entwickelte, scheint dem Historiker von heute, ohne daß er es wollte, Geschichte zur Gegenwart werden zu lassen. Nicht anders denn Ernst Moritz Arndt, der durch Napoleon herausgefordert worden war, fühlt sich Diwald durch das Jahr 1945 zur Wiederfindung der historischen Kontinuität des deutschen Volkes veranlaßt, „mit dem Jahre 1945 zerriß für die Deutschen die historische Kontinuität“. Damit ist nicht nur die unterschiedliche Geschichtsschreibung diesseits und jenseits des Eisernen Vorhanges gemeint, sondern die sogenannte Vergangenheitsbewältigung, von ihm die „Projektion von Gegenwartsnöten in die Geschichte“ genannt.

Wenn der „Mut zur Geschichte“ die unmittelbare Gegenwart aufspürt, kommt der Historiker um eine politische Auseinandersetzung nicht herum. Falsch und zugleich verführerisch ist der Satz: „Es ist Selbstaufgabe zu behaupten, Westdeutschland hätte nach 1945 vor der Wahl gestanden: Freiheit statt Einheit. Dieser konstruierte Gegensatz ist nicht anderes als eine Rechtfertigungsalternative, weil man unfähig, zu schwach, oder nicht willens ist, einzusehen, welche Möglichkeiten wirklich in der Nachkriegsgeschichte für die Lösung der deutschen Frage bestanden haben. Das könnte möglicherweise kritische Fragen an die Weisheit der gegenwärtigen westdeutschen Politik heraufbeschwören.“

Man möchte den Autor fragen, ob er vielleicht noch nachträglich die Stalin-Note von 1952 rechtfertigen und für bare Münze ausgeben möchte. Der Politik, wie sie von Adenauer konzipiert und betrieben worden ist, setzt er die Begriffe „Selbstbehauptung und Selbstbewahrung“ entgegen, indem er zugleich die „Selbstaufgabe“ beklagt.“
Herbert Hupka

 

Mut zur Geschichte, Neuauflage, in: Buchdienst / Deutsche Wochen-Zeitung, Rosenheim, 1984/1985.

„Mit „Mut zur Geschichte“ legt der bekannte Historiker Helmut Diwald seine Gedanken, Thesen und Forderungen zur deutschen Geschichte vor. Er geht in seiner Analyse davon aus, daß es zu den unverzichtbaren Aufgaben der Geschichtswissenschaft gehört, historische Ereignisse und Entwicklungen dem Vergessen zu entreißen und die Ergebnisse ihres Forschens der Öffentlichkeit auch gut verstehbar zugänglich zu machen. Letzteres wurde in der Zeit 1945 immer stärker versäumt. Historisch interessierte werden mit ihren Fragen an die Geschichte immer häufiger allein gelassen. Das führt zwangsläufig zur Orientierungslosigkeit. In dieser Situation gibt Hellmut Diwald feste Anhaltspunkte. Nachdrücklich fordert er dazu auf, trotz und gerade wegen der jüngsten deutschen Vergangenheit sich mit Mut und ohne verzerrende Vorbehalte der Geschichte unseres Landes und Volkes wieder zuzuwenden.“

 

Buch zur deutschen Selbstfindung,  in: Die Rheinpfalz, Ludwigshafen, 31.08.1984, von WILHELM FENSTERER:

Der Titel des jüngsten Buches von Helmut Diwald „Mut zur Geschichte“ verrät ein politisches Programm. Es soll uns alle ermutigen, zuvörderst natürlich die Historiker, uns zu unserer deutschen Geschichte zu bekennen, deren Tiefpunkte eingeschlossen. Es kommt darauf an, das uns verlorengegangene Geschichtsbewußtsein wieder zu erlangen. „Daß wir darauf angewiesen sind - so sagt Helmut Diwald - um urteilen, entscheiden, handeln zu können, daß es ohne Geschichtsbewußtsein weder eine soziokulturelle noch politische Selbstbehauptung gibt, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Moderne.“ Fast möchte man hinzufügen: bis heute allerdings nur außerhalb der Bundesrepublik. Um sich des eigenen Geschichtsbewußtseins zu vergewissern, muß auch jede Epoche die Geschichte immer wieder kritisch- -aufarbeiten, neu sichten, neu schreiben. Erst recht in der deutschen Situation von heute.

Leopold von Ranke hatte ja jene klassische Geschichtsschreibung begründet, nach der die Historiker eben nicht richten sollten - wie heute so oft und gerne praktiziert - sondern nur zeigen „wie es eigentlich gewesen ist“, die die Vergangenheit aus sich heraus zu verstehen suchen und gerade nicht von der jeweiligen Gegenwart her zu bewerten und zu benoten sollten. Diese auf Quellenforschung und Quellenkritik basierende, einer weitgehenden Objektivität verpflichteten Geschichtswissenschaft war bis 1933 absolut vorherrschend. Danach wurde sie auf penetrante Weise ideologisiert. Karl der Große wurde zum „Sachsenschlächter“. Noch schlimmer aber war vielleicht die Indoktrination, der die deutsche Geschichte durch die Sieger von 1945 unterworfen wurde.

Helmut Diwald erinnert daran, daß „schon nach dem Ersten Weltkrieg den besiegten Deutschen einseitig die Schuld an jenem Krieg aufgeladen wurde und dieses Verbrechen mit Dokumenten und Behauptungen belegt, die nur das bestätigten, was bewiesen werden sollte. „ Geschichtsfälschung diente zur Rechtfertigung der unerträglichen Friedensbestimmungen von 1919. Ein ähnliches Verfahren, noch weit rigoroser, fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Die Sieger erklärten die Deutschen zu einem verbrecherischen Volk und degradierten seine Geschichte zu einem kriminellen Prozeß.“ Das von Deutschen nach dem Krieg millionenfach produzierte; und vertriebene Bild, auf dem Martin Luther, Friedrich der Große, Bismarck und Hitler gemeinsam miteinander aufscheinen, illustriert beispielhaft die Dämonie der Sieger ebenso wie die Instinktlosigkeit der Deutschen.

Helmut Diwald vertritt die Auffassung, daß sich bei aller erfreulichen Normalisierung des deutschen Alltags, an dem Verdikt der Sieger von 1945 über uns und unsere Geschichte kaum etwas geändert habe: „Diese Tatsache ist nicht etwa nur erniedrigend, sie verhindert vor allem die unerläßliche Selbstfindung der Deutschen ... Weil die Zäsur des Jahres 1945 keine Parallele hat in der neueren Zeit, ist für uns und unsere Selbstachtung nichts wichtiger, als die Geschichte so zu sehen, wie sie dem Tatsächlichen entspricht, nicht aber dem Wünschbaren - gleichgültig, wie die politisch, ethisch oder volkspädagogisch begründet wird ... Ein Volk, das sich seiner Vergangenheit berauben, seine Erinnerungen verzerren und seinen Selbstwert verstümmeln läßt, entwurzelt seine Existenz ...“

Diesen Prozeß zu steuern, gilt vornehmlich das Anliegen des hier angezeigten Buches, in dem Diwald früher verfaßte, überarbeitete Essays zusammengefaßt hat. In drei Themenkomplexen werden Grundgedanken, Menschen, Mächte, Motive und Stellungnahmen, die nach Diwalds Meinung grundlegenden Probleme der Geschichtsschreibung und -forschung diskutiert. Erstmalig begegnete der Rezensent dabei in einem überregional konzipierten Geschichtswerk einem ausführlichen Bedeutungshinweis auf das Hambacher Fest. Nach Schilderung der Vorgeschichte, Verlauf und Folgen dieser ersten deutschen Massenversammlung wird zurückhaltend Kritik geübt an der spektakulären 150-Jahr-Feier von 1982. Diwald kommentiert: „Das Vermächtnis Hambachs zu beschwören bedeutet, den Forderungen jener Abertausenden zuzustimmen, die damals für das deutsche Volk sprachen: Einheit, Freiheit, Volkssouveränität - also Selbstbestimmung, soziales Recht, und zwar für das ganze deutsche Volk. Festredner zu Ehren Hambachs sind daran zu messen, ob diese heute wieder deprimierend aktuellen Forderungen die höchsten Ziele ihrer politischen und pädagogischen, sozialen und gesellschaftlichen Arbeit sind. Den Hambachern war dies nicht nur eine Reise, sondern ihre gute Existenz wert.“

Diwald fühlt sich als Historiker schwer bedrängt durch die ungelöste deutsche Frage. Die gelegentlich vertretene These, nach der unsere Geschichte „der deutsche Nationalstaat nur eine Episode“ gewesen sei, wird von ihm aufs Schärfste mißbilligt. In der Preisgabe des Begriffes „deutsches Volk“ und seine Ersetzung durch den der „Gesellschaft“ erblickt er den Versuch, auf das Auseinanderleben zwischen West- und Mitteldeutschen zu spekulieren, um schließlich das Problem von Deutschlands Einheit seiner internationalen Brisanz au entkleiden. Die Deutschen sind seit der Zäsur von 1945, als die historische Kontinuität zerriß, wieder auf der Suche nach ihrer nationalen Identität. „Steht uns ein deutscher marxistischer Arbeiter aus Thüringen nicht mindestens ebenso nahe wie ein demokratischer Farmer aus Texas/USA?“ Dahinter steht auch die ärgerlich bange Frage, daß wir in der Bundesrepublik, was Geschichtsbild und Geschichtsbewußtsein angeht, durch Historiker und Politiker der DDR links überholt werden können. Wie sagte doch Erich Honecker: „In der sozialistischen Nationalkultur unserer Republik lebt all das fort und erfährt eine neue Blüte, was in früherer Zeit an kulturellen Schätzen geschaffen wurde. Von der Geschichte, der Kultur und der Sprache werden wir nichts preisgeben, was es an Positionen zu erhalten und zu pflegen gibt...“

Aus diesen Einsichten und Überlegungen heraus fordert Helmut Diwald seine Landsleute auf, trotz und gerade wegen der jüngsten deutschen Vergangenheit sich mit Mut und ohne verzerrende Vorbehalte der Geschichte unseres Volkes zuzuwenden und sie wieder als einen Grundstein der Existenz zu entdecken. Es handelt sich um ein lesenswertes, nachdenklich stimmendes, politisches Buch.
Wilhelm Fensterer

 

Heinrich der Erste
Die Gründung des Deutschen Reiches

Klappentext des Verlages

„König Heinrich der Erste (919 - 936), den Deutschen Generationen lang als Heinrich der Vogler vertraut, hat in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts die entscheidenden historischen Leistungen vollbracht, die zur Gründung des Deutschen Reiches führten: im Inneren die Einigung der Stammesfürsten durch ein starkes Königtum und nach außen hin die Abwehr der Ungarn-Gefahr im Osten sowie die politische Sicherung der westlichen Grenzen.

Der Historiker Hellmut Diwald, seit seinen Lebensdarstellungen Wallensteins und Luthers als glänzender Biograph ausgewiesen, vereint in seinem neuesten Buch die Schilderung einer Epoche des Umbruchs mit dem Porträt einer bedeutenden historischen Gestalt, die hier erstmals individuelle Züge erhält.

Zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert kommt es in der abendländischen Geschichte zu Entscheidungen, die ihr für ein Jahrtausend die charakteristischen Konturen geben. Die deutsche Geschichte, deren Anfänge im 10. Jahrhundert zu finden sind, verdankt ihre kräftigsten Signaturen König Heinrich dem Ersten (919-936). Mit seiner Thronerhebung verbindet sich bis heute die Gründung des Deutschen Reiches. Seine Vorgänger waren weder fähig, sich gegen die Autonomiebestrebungen der Stammesherzöge durchzusetzen, noch in der Lage, der Bedrohung durch die Ungarn Herr zu werden. Die Lösung dieser beiden Aufgaben war aber die Voraussetzung dafür, daß im Inneren der ostfränkischen Gebiete Stabilität und Friede herrschten und daß dieser Zustand durch feste Grenzen gesichert wurde. Das sollte erst Heinrich gelingen. Sein Werk wurde gekrönt durch die Rückgewinnung Lothringens; damit umfaßte das Reich im Kern diejenigen Gebiete, die westlich der Elbe für über ein Jahrtausend das Zentrum Deutschlands bilden sollten. Hellmut Diwalds Biographie Heinrichs des Ersten versucht, die aus dem Blickfeld geratenen Ursprünge der deutschen Geschichte wiederzuentdecken, die Gestalt des Sachsenkönigs mit den Mitteln der wissenschaftlichen Rekonstruktion, der erzählenden Darstellung und der lebendigen Anteilnahme vor unseren Augen entstehen zu lassen und ihrem zeitenthobenen Rang gerecht zu werden.2

 

Heinrich der Erste, in: Welt am Sonntag, 20.12.1987, von UTA DANELLA:

„„Die Karolinger“ von Pierre Riché habe ich schon, somit ist der Übergang von den Karolingern zu den Sachsen geschaffen, das große Frankenreich Karls leider geteilt, mit Heinrich kommt der erste deutsche König. „ Herr Heinrich saß am Vogelherd…“ – Geschichte ist nun mal meine Passion.“
Uta Danella

 

Heinrich. Die deutsche Geschichte selbst ist spannender als der beste Roman, in: http://phi-presse.de/Buchclub/Angebote/xc1/x-Heinrich.htm

„Unübertroffen anschaulich und sehr genau im Detail schildert uns Helmut Diwald in seinem Buch über Heinrich den Vogler eine der wichtigsten Epochen unserer Geschichte. Es ist die Geburtsstunde des ewigen Deutschen Reiches, als der erste gewählte deutsche König Konrad von Franken auf dem Sterbebett (am 23. Dezember 918) seinen Bruder Eberhard zu sich ruft und ihn beauftragt auf die deutsche Krone zu verzichten und seinen größten Rivalen Heinrich den Herzog der Sachsen zu seinem Nachfolger bestimmt. Konrad hat wenige Stunden vor seinem Tod erkannt, daß nur durch Einigkeit das deutsche Reich leben und gedeihen kann. Diwald berichtet dazu: „Allein in dieser Erkenntnis Konrads liegt das großartige Moment der Sterbeszene am Vorabend des Weihnachtsfestes 918. In der ganzen Weltgeschichte findet sich keine Szene, die sich damit vergleichen ließe. Die deutsche Geschichte erhält in ihrer Anfangsphase, die kaum katastrophaler hätte sein können, durch den geradezu unheimlichen Vorgriff eines Herrschers, der auf dem Totenbett eine vernichtende Bilanz seiner eigenen Regierung und seines persönlichen Desasters zieht, einen Stempel aufgedrückt, der sowohl Mahnung als auch fortwirkender Appell ist. Mahnung, die innere Zwietracht, die Selbstzerfleischung zu beenden und damit die ansonsten mit Sicherheit zu erwartende Selbstvernichtung zu verhindern, und Appell, die Einheit des Reiches zu wahren und seinen Fortbestand dadurch zu garantieren, daß sein Geschick in die Hände desjenigen Fürsten gelegt wird, der diesem Amt und Auftrag allein gewachsen ist. Was sich zunächst wie eine unverbindliche Empfehlung deuten ließe verwandelt König Konrad in einen kaum verhüllten Befehl: Eberhard soll die Krönungsinsignien Heinrich überbringen, soll mit ihm Frieden schließen, daß heißt, er soll sich ihm unterwerfen, ihm als neuem König huldigen und in aller Zukunft treue Dienste leisten. Auf zwei Punkte kommt es dabei besonders an, sie dürfen auch nicht voneinander getrennt werden. Heinrich wird von Konrad als der nachfolgende König benannt, und diese Benennung soll durch die Überreichung der Krönungsinsignien und die Huldigung Eberhards zur faktischen Erhebung werden. Dadurch, daß Eberhard tatsächlich den Rat und den Auftrag Konrads befolgt und Heinrich huldigt, hat er ihn sowohl für sich und den Frankenstamm zum König erklärt, als auch für den Sachsenstamm. An der Tatsächlichkeit dieses Vorgangs wird durch die leicht abgewandelten oder ausgeschmückten Berichte der übrigen Zeitgenossen oder durch die Erweiterungen bei Liudprand oder Adalbert von Magdeburg nicht gerüttelt.“

Kaum hundert Jahre nach den erbitterten Kämpfen Karls des Großen gegen das Volk der Sachsen wird ein Edelmann dieses Volkes König der Deutschen. Diwald beschreibt in seinem Buch auch sehr gut die Freiheitsliebe und den Ehrenkodex dieses größten deutschen Volksstammes. Die Basisdemokratie war für dieses Volk schon etwas ganz Selbstverständliches in einer Zeit in der Nationen noch in despotischen Herrschaftsformen lebten, die den Deutschen tausend Jahre später dann die Demokratie beibringen wollen. Diwald schreibt dazu: ‚Überaus kennzeichnend ist schließlich auch, daß der Sachsenstamm, obwohl er im Verlauf des achten Jahrhunderts außerordentlich groß geworden war, unverändert an seiner alten Verfassung festhielt und deshalb jede einheitliche Führung ablehnte. Schon der innere Zusammenhalt der einzelnen Gaue war recht unterschiedlich. Am kräftigsten äußerte er sich bei den Westfalen, etwas gedämpfter bei den Engern, am schwächsten bei den Ostfalen. Das Profil der einzelnen Stämme drückte sich nach außen hin allerdings nicht übermäßig aus. Denn wenn auch in den Quellen häufig die Stämme einzeln benannt sind, so wird doch in den meisten Fällen von ihnen verallgemeinernd als von den Sachsen gesprochen. Politisch bestimmt war bei ihnen die Volksversammlung, der Thing, eine Zusammenkunft, die alle Merkmale einer urdemokratischen Prägung besaß. Kaum jemals treten die adligen Führer gebieterisch oder gar diktatorisch an die vordere Rampe der Szene, sei es beim Thing, sei es in ihrer gewählten Stellung als Gaufürst. Ihre Funktion erschöpft sich grundsätzlich in der unterstützenden Meinungsbildung. Die Entscheidungen selbst trifft das Volk. Auch Gesandte an fremden Höfen äußern sich nie als Paladine eines sächsischen Fürsten, sondern nur als Sprecher und im Auftrag der Sachsen. Daß die Volksversammlung das politische Fundament dieses Germanenstammes bildete, war damals allgemein bekannt. Deshalb ist es nicht weiter überraschend, daß Karl der Große nach seinem Sieg über die Sachsen ihre Eingliederung in das Fränkische Reich dadurch einleitete, daß er ihre Grundverfassung zerstörte, nämlich strickt jede allgemeine Volksversammlung verbot und sie nur zuließ, wenn er einen entsprechenden Antrag erhalten und ihn genehmigt hatte und sie danach von seinen Boten einberufen wurde.’

 

„Heinrich der Erste“ von Hellmut Diwald, in: http://phi-presse.de/Buchclub/phibuch1.htm

„Ein spannendes und höchst informatives Werk um den ersten sächsischen König auf dem deutschen Thron und über die Gründung des Deutschen Reiches. Hellmut Diwald vereint in dieser glänzenden Biographie die Schilderung einer Epoche des Umbruchs mit dem Portrait einer bedeutenden historischen Gestalt, die hier erstmals individuelle Züge erhält.578 S., kart.“

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